Minister sind auch nur Menschen - Der Gutmensch Egon Franke

Wer erinnert sich noch an Egon Franke, weiland Minister für innerdeutsche Beziehungen in Bonn und Chef der "Kanalarbeiter" in der SPD-Bundestagsfraktion? Er war ein volksnaher und trinkfester Politiker aus Niedersachsen. Ich habe ihn oft in der "Rheinlust", einer Bonner Kneipe an der Adenauerallee in Bonn getroffen, wo die "Kanalarbeiter" sich regelmäßig zur Diskussion über die Politik und zur Einnahme größerer Mengen alkoholischer Getränke versammelten. Die "Rheinlust" gibt es schon lange nicht mehr. Sie musste der Museumsmeile weichen. Schade!

An einem Sommer in den 70er Jahren traf ich Egon bei einem Laubenpieperfest der Berlinvertretung beim Bund in der Joachimstrasse in Bonn. Dieses Fest war eines der besonderen Events jeden Sommers in Bonn. Die ganze Strasse war durch Barrieren der Polizei abgesperrt. Betreten durfte man sie nur mit einer persönlichen Einladung. Die gesamte politische Prominenz, vom Bundespräsidenten über den Bundeskanzler, die Minister, die Bundestagsabgeordneten und Ministerialbeamten, bis zu den weniger prominenten Fahrern der Dienstwagen tummelte sich in den Höfen und Gärten der Häuser der Vertretung. 5000 Besucher waren keine Seltenheit.

Egon Franke fand ich an einer Bude einer Schnapsfirma, die dort für ihre Produkte warb. Er stand einsam davor. Kein Mensch sprach mit ihm. Das war ungewöhnlich, denn Minister waren sonst immer von irgend welchen Leuten umschwärmt. Mir tat Egon Leid. Auf meine Frage, wie es ihm gehe, sagte er: "Nicht gut; aber laß‘ uns einen Korn trinken".

Egon hatte damals einen Prozess wegen Veruntreuung zu bestehen, weil einer seiner Abteilungsleiter, der sein engster Vertrauter im Ministerium war, im Zusammenhang mit einem Gefangenenaustausch einen größeren Geldbetrag in seine Tasche gesteckt hatte und er selbst verdächtigt wurde, von der Sache gewußt zu haben.

Er kam von sich aus auf diese Sache zu sprechen und bedeutete mir, daß ihn das sehr bedrücke. Mir fiel nur eine Antwort ein. Ich sagte ihm: "Egon, Dummheit ist nicht strafbar. Du hast nichts zu befürchten".

Und so war es dann auch. Ich hatte Recht behalten.