Shop-Sergeant Jones

US-Army 1947

First-Sergeant Jones war der Chef des C&I-Shops (Werkstatt) bei der Ordnance - (Nachschub) Kompanie der US-Army im Flugzeughangar des ehemaligen Fluglatzes der Deutschen Luftwaffe in Würzburg, obwohl er offensichtlich kaum eine Ahnung davon hatte, wie Lichtmaschinen, Anlasser und Vergaser in Armeefahrzeugen funktionierten. Es reichte völlig aus, dass seine sieben deutschen Mitarbeiter dies wussten und die Geräte reparieren konnten.

Jones, ein alter Berufssoldat aus Texas, schon etwas beleibt, hatte seine Lektion gelernt: einen möglichst gemütlichen Job zu haben. Und noch etwas anderes hatte er gelernt: Behandle deine Leute gut, damit sie immer motiviert sind. Diese Einsicht hat ihn wohl bewogen, "seinen Deutschen" zu den Pausen um 9 Uhr vormittags und um 15 Uhr am Nachmittag jeweils ein Sandwich oder einen Hot-Dog und eine Flasche Coca-Cola zu spendieren. Das konnte er auch, denn er hatte neben seinem Sold erhebliche Nebeneinkünfte. Er war ein 25%-Mann.

Die Institution des 25%-Mannes war in der US-Armee weit verbreitet. Sie funktionierte nach einem offenbar traditionellen System, wahrscheinlich gab es sie schon im amerikanischen Bürgerkrieg: Der 25%-Mann verlieh an gerade eingestellte Berufssoldaten mit niedrigem Sold oder zu Zeiten, in denen in den USA die Wehrpflicht galt, auch an junge Wehrpflichtige, die knapp bei Kasse waren, ein paar Dollar zu einem Zinssatz von 25%. Das Zahlungsziel war dann der nächste Payday (Zahltag). Lieh sich also jemand am 15. eines Monats 10 $, so hatte er am 1. Mittwoch des folgenden Monats 12,50 $ zurückzuzahlen. Auf diese Weise hatte Sgt. Jones immer eine prall gefüllte Geldtasche bei sich und wartete geduldig auf seine Opfer. Einmal fragte ich ihn, was geschähe, wenn der Schuldner zahlungsunwillig sei. Er sagte: "Dann wird er bei keiner US-Einheit mehr auch nur einen Dollar geliehen bekommen, und die Boys wissen das."

Die meiste Zeit saß der Sergeant neben mir in einem requirierten Sessel, ohne sich um das zu kümmern, was um ihn herum vorging.

Eines Tages passierte eine unglaubliche Geschichte, die mich einigermaßen verstörte: Es war Samstagmorgen. In der Tür unseres Shops erschien ein Leutnant mit wirklich kohlrabenschwarzer Haut. Zu mir, der ich gerade aus der Tür gehen wollte, sagte er: "Hey, Kraut, ich brauche eine Lichtmaschine". Sgt. Jones, der dies hörte, erhob sich mit nie vorher gesehener Geschwindigkeit aus seinem Sessel, baute sich mit in die Hüften gestützten Armen vor dem schwarzen Leutnant auf und brüllte ihn an: "Sir, hier arbeiten Weiße und die werden mit "Mister" angesprochen. Seien Sie froh, dass hier nicht Texas ist. So, und wenn sie jetzt noch eine Lichtmaschine haben wollen, dann verschwinden Sie hier und üben das, was ich Ihnen gesagt habe. Danach können Sie wieder kommen". Den Leutnant habe ich nicht wieder gesehen.

Im Übrigen war Sgt. Jones aber ein sehr toleranter Mann, der sich an das Motto hielt: "Leben und leben lassen". Er schaute seelenruhig zu, wenn wir unsere Löhne durch Nebeneinkünfte auf Kosten der US-Army aufbesserten. Aber dies ist Stoff für eine andere Geschichte.