Leadership

Die Literatur über Führung,
Führungsqualitäten und Führungsstärke hat
mittlerweile einen überwältigenden Umfang erreicht.
Allein im letzten Jahr wurden rund 2000 neue Bücher zu diesem
Thema veröffentlicht. Dieses wahrhaft enzyklopädische
Ausmaß an Informationen belegt zweierlei: Zum einen besteht
ein großes Interesse am Phänomen des
„Leadership“ - ein angloamerikanischer Begriff, der
sowohl Führung als auch Führungsqualitäten umfasst;
zum anderen scheint es aber auch zunehmend notwendig, Orientierung
und Überblick in der Informationsmasse nicht zu verlieren.
Dieser Artikel konzentriert sich deshalb auf zwei Schwerpunkte, die
das komplexe Thema konkretisieren und verdeutlichen sollen:

  1. Die Ausbildung
  2. Das neue Führungsmodell, das dieser Ausbildung zugrunde
    liegt.

Die Ausbildung

Es lässt sich nicht von der Hand weisen: Das MBA-Studium,
der Master of Business Administration, wird mehr und mehr
zur entscheidenden Qualifikation für international arbeitende
Führungskräfte. Der MBA ist ein berufsbegleitendes
Postgraduiertenstudium in Wirtschaftswissenschaften und Management.
Studienvoraussetzung ist ein Äquivalent zum Bachelor’s
Degree, also ein Vordiplom an einer deutschen Universität bzw.
ein Diplom an einer Fachhochschule. Der MBA ist somit die
angloamerikanische Variante des betriebswirtschaftlichen Studiums
in Deutschland. Und exakt an diesem Punkt herrschen immer noch
zahlreiche, kulturell bedingte Vorurteile in der deutschen
Gesellschaft.
Die Ausgabe 2/2000 der CommerceGermany beschreibt sehr
aufschlussreich ein gängiges Klischee wie folgt: Die deutschen
Medien und die konservativen Akademiker betrachten die
MBA-Absolventen als „arrogante geldgierige Twens mit wenig
praktischer Arbeitserfahrung“. In der Geschäftswelt
jedoch scheint sich seit kurzem ein radikaler Wandel in der
Einschätzung der MBA-Ausbildung zu vollziehen. Laut einer
Studie der Kienbaum Consultants International antworteten
750 befragte deutsche Unternehmen ohne Ausnahme, dass sie ein
MBA-Studium der Promotion vorziehen würden. Das
zukünftige Bild eines Top-Managers könne nicht getrennt
von der rapiden Globalisierung der Geschäftsabläufe
betrachtet werden: Internationale Erfahrung,
funktionsübergreifende Kommunikationsfähigkeiten, Fremd-
und Eigenmotivation sowie die Fähigkeit zur Selbstkritik
nehmen den höchsten Rang in der Bewertung einer
Führungskraft ein (CommerceGermany 2/2000). Diese Neubewertung
von „executives“ (Führungskräften) macht das
MBA-Studium in Deutschland attraktiver. Es zielt auf die
Förderung von „General Management Skills“ ab, die
im multikulturellen Business immer wichtiger werden: Also die
Fähigkeit, sich in einem globalen Geschäftsumfeld sicher
und effizient zu bewegen. Beeindruckend scheint außerdem das
Persönlichkeitsprofil der MBA-Absolventen, deren Teamgeist,
Selbstdisziplin und Flexibilität Anerkennung finden.
Dass die Globalisierung ein ständig fortschreitender Prozess
ist und immer mehr die berufliche Alltagserfahrung des Managements
prägt, ist sicher ein wichtiger Grund für diesen Wandel.
Bedeutsam für die noch fortdauernden Vorbehalte scheint in
erster Linie die kulturelle Differenz zwischen der deutschen und
der angloamerikanischen Mentalität. In Deutschland
genießt die Theorie traditionell ein hohes Ansehen.
Zweifellos ist diese Wertschätzung über Jahrhunderte
gewachsen und gründet in der Geistesgeschichte: Abstrakte
Metaphysik und philosophischer Idealismus, eine etwas
modernefeindliche Romantik, vor allem aber die mächtige
Kulturkritik, die von Schiller bis Marx in der Industrialisierung
eine Entfremdung des Menschen zu erkennen glaubte, sind bis heute
wirksam. Gänzlich anders geprägt sind der Empirismus der
englischen, der Pragmatismus der amerikanischen Kultur. Nicht
zufällig haben sich bis weit ins 19. Jahrhundert diese
Gegensätze fast bis zur gegenseitigen Isolation verfestigt.
Und bis heute lassen sie sich mentalitätsgeschichtlich als
Widerspruch zwischen Theorie und Praxis begreifen:
„Deutsch“ steht für hochfliegende abstrakte Ideen,
„amerikanisch“ und „englisch“ für
Erfahrung und zupackendes Handeln. Genau diese kulturelle Differenz
hat auch die Reaktion auf das MBA-Studium in Deutschland lange Zeit
bestimmt.
Das Image vom geldgierigen arroganten Twen trifft auf die
MBA-Studenten schon rein statistisch nicht zu. Sie sind meist
Anfang dreißig und haben durchschnittlich sechs Jahre
Berufserfahrung vorzuweisen. Typisch angloamerikanisch scheint
allerdings die streng praxisorientierte Studienmethode. Sie basiert
auf „case studies“, konkreten Fallstudien, die den
Druck realer Geschäftsbedingungen überzeugend simulieren.
Nicht selten lassen Sponsoren-Firmen ganz reale Fälle
alternativ von den Studenten bearbeiten – oft mit Profit und
Erfolg. Projektarbeit im Team genießt dabei höchste
Priorität, denn diese ist mittlerweile internationaler
Standard. Der Erfahrungsaustausch der Teilnehmer wird gezielt
gefördert, ja es entsteht ein Netzwerk aus Beziehungen, das
auch nach dem Studium Bestand hat und in neuen
Führungspositionen genutzt wird. (vgl. Süddeutsche
Zeitung Nr 52/Seite V1/1). Der Vorwurf mangelhafter Theorie erweist
sich in diesem Zusammenhang ebenfalls als Scheindebatte. Sie wird
in Form von „tools“, d.h. dem unabdingbaren
analytischen Rüstzeug durchaus vermittelt. Der Unterschied zum
deutschen Ansatz liegt anderswo: Die Theorie entfaltet sich nicht
getrennt und unabhängig von der Praxis. Komplexe
betriebswirtschaftliche Probleme lassen sich auch schwerlich ohne
theoretische Voraussetzungen verstehen oder gar lösen. Und
diese Komplexität intensiviert und konkretisiert sich in den
realistischen case studies, die von berufserfahrenen Teams
angegangen werden.
Überhaupt hat die Trennung von Theorie und Praxis etwas
Unwirkliches an sich. Das in der englischsprachigen Welt vielleicht
berüchtigste deutsche Buch, Immanuel Kants „Kritik der
reinen Vernunft“ (1781), spricht das sehr deutlich aus:
„Keine dieser Eigenschaften ist der anderen vorzuziehen. Ohne
Sinnlichkeit würde uns kein Gegenstand gegeben, und ohne
Verstand keiner gedacht werden. Gedanken ohne Inhalt sind leer,
Anschauungen ohne Begriffe sind blind. Daher ist es ebenso
notwendig, seine Begriffe sinnlich zu machen, als seine
Anschauungen sich verständlich zu machen. (...) Der Verstand
vermag nichts anzuschauen, und die Sinne nichts zu denken. Nur
daraus, dass sie sich vereinigen, kann Erkenntnis
entspringen.“ - Wahrscheinlich werden amerikanische Leser
überrascht feststellen, dass ausgerechnet Kant gegen die
Einseitigkeit der Theorie plädiert. Deutsche Leser werden sich
vielleicht wundern, dass er der Erfahrung den gleichen Rang wie der
Theorie zuspricht. So spottet die Kultur nicht selten über
unsere selbstgemachten interkulturellen Probleme. - Was immer
Erkenntnis sein mag, sie ist ein lebendiger und fließender
Austausch von Theorie und Praxis. Und das stärkste Argument
für die Methode der case studies besteht darin, dass
sie diesen Fließzustand konsequent auf die längst nicht
abgeschlossene Globalisierung abgestimmt hat. Die Dezentralisierung
der menschlichen Kommunikation und Arbeit in einem offenen, stets
expandierenden Netzwerk, die dadurch bedingte Flexibilität von
Führungsaufgaben bei gleichzeitig abflachenden Hierarchien,
die zunehmende Bewältigung betrieblicher Abläufe in
permanent wechselnden Teams, die funktions- und
kulturübergreifenden Aufgaben des Managements – in den
Fallstudien wird diese Situation bewusst herbeigeführt. Es
geht also nicht darum, ohne Theorie auszukommen, sondern einfach
darum, dass sie ebenfalls flexibel und dezentralisiert anzuwenden
ist. Gilbert Probst, der MBA-Direktor der Universität Genf,
bringt die Sache auf den Punkt:: „Je höher man in der
Unternehmenshierarchie rückt, desto mehr verliert
Spezialwissen an Bedeutung und das General-Management-Know-How wird
wichtiger.“ (Süddeutsche Zeitung, ebd.)
Der deutsche Vorwurf, diese Ausbildung sei theoretisch
oberflächlich, hätte nur dann Berechtigung, wenn die
Studenten keine Berufserfahrung und gediegene akademische
Ausbildung mitbringen würden. Eben dies gehört jedoch zu
den Zulassungsbedingungen, die durch Empfehlungsschreiben und
Vorstellungsgespräche sinnvoll ergänzt werden. Damit wird
verhindert, dass ein planloses „empirisches“
Herumtappen eintritt. Im Gegenteil wird theoretisches Wissen mit
großer Effizienz an der heutigen Geschäftspraxis
gemessen. So abgegriffen der Begriff der Globalisierung auch sein
mag, sie ist ein fortschreitender Prozess, der alle Lebensbereiche
erfasst und durchdringt. Veränderung ist ihr wesentliches
Bewegungsgesetz. Und der MBA ist eine Form der Ausbildung, die den
immer höheren Stellenwert von Kommunikation, Information und
flexibler Teamarbeit gezielt vermittelt. Wie gesagt: In Deutschland
hat sich die Bewertung dieses Studiums inzwischen nachhaltig
gewandelt: Praxisorientiertes Management und interkulturelle
Kompetenz sind in Handel und Beratung unleugbare Realitäten.
Produktorientierte und konservative Branchen freilich sind noch
etwas zögerlich. Noch.
Doch wie sieht ein MBA-Studium inhaltlich eigentlich aus? Die
Angebote gehen ins Unendliche. Weltweit sind über 1300
Business Schools zu verzeichnen, die mit diesem
Ausbildungsprogramm hervortreten. Eine führende Position
nehmen zweifellos amerikanische Hochschulen ein: „Kleine
Klassen, hoch motivierte Lehrer sowie rigorose Leistungskontrollen
verschaffen ihnen den Ruf begehrter Elite-Schmieden. Die ''Harvard
Business School'' ist eine von ihnen: Sie akzeptiert nur 11%
aller Bewerber.“ (Süddeutsche Zeitung, ebd.) Eine
wichtige Frage ist demnach die Qualität der zahlreichen
Anbieter auf diesem unübersichtlichen Markt. Um zu verstehen,
was ein seriöses MBA-Studium bieten sollte, bediene ich
mich der Technik der case studies. Ein konkretes Beispiel
verschafft mehr Orientierung als die freischwebende Theorie, die zu
viel und vor allem zu uneinheitliches Material über den MBA
berücksichtigen müsste.

Executive MBA

(University of Maryland University College)
Eine Fallstudie

Bereits die Organisation des MBA-Studiums weist erhebliche
Unterschiede auf. In den USA sind die Business Schools meist fester
Bestandteil des universitären Systems. In Deutschland hingegen
bieten vorwiegend unabhängige, von Unternehmen eingerichtete
Privatschulen ein MBA-Programm an. Das amerikanische Modell findet
sich hierzulande nur an zwei Universitäten mit einer deutschen
Niederlassung: Die Duke University of Durham (North Carolina) und
die University of Maryland. Meine case study wendet sich dem
„University of Maryland University College“ (UMUC) zu,
das ich aus eigener Erfahrung kenne. Diese „Graduate School
of Management and Technology“ hat sich auf dem
Universitätsgelände in Schwäbisch Gmünd
etabliert. Am 6. April 2002 startet sie ihren Studiengang
„Executive Master of Business Administration“ (EMBA)
erstmals in Deutschland. Dieses Projekt erfüllt
Voraussetzungen, die äußerst wichtig sind, da die
Qualitätsstandards nicht von allen Anbietern erfüllt
werden: Es ist international anerkannt und akkreditiert. Mehr als
700 globale Führungskräfte haben das Studium absolviert.
Sie arbeiten in Organisationen und Unternehmen wie Marriott,
General Electric, Lockheed Martin, Verizon oder auch im U.S Postal
Service. Die Präsentation des Studienprogramms kann deshalb
als gutes Beispiel für einen seriösen Anbieter
gelten.
Der Ausgangspunkt besteht in der Einsicht, dass im heutigen
Business „Knowledge Workers“, d.h. flexible
Informations- und Wissensvermittler gebraucht werden. Je höher
die Position einer Führungskraft, desto entscheidender wird
diese generelle Management-Kompetenz. Erfolg hängt mehr und
mehr von der Fähigkeit ab, Innovationen zu kreieren und zu
implementieren. Denn permanenter Wandel ist die einzige Konstante
im Prozess der Globalisierung. Erfolg benötigt also weit mehr
als die bloße Anpassung an Veränderungen. Eine gute
Führung wird sie vorwegnehmen und vorantreiben. Information
und Kommunikation werden dergestalt zu Schlüsselkompetenzen,
um diesen Veränderungsprozess an vorderster Front aktiv
mitzugestalten. Der EMBA bildet deshalb knowledge workers in
sechs Bereichen aus, die den Anforderungen des Business
entsprechen: Systemdenken, kritisches Denken und Kreativität,
Ethik und soziale Verantwortung, die Auswirkungen neuer
Technologien, die zukünftige Gestalt von Organisationen und
die speziellen Herausforderungen durch die Globalisierung. Die
Vorteile des Lehrplans werden in der Entwicklung von
„Leadership skills“ gesehen. Die
Führungsfähigkeiten beruhen auf der konkreten Kenntnis
globaler Geschäftsabläufe und Technologien, aber auch auf
analytischen Verfahren und Techniken („tools“). Durch
Projektarbeit in Teams und interaktive Beratungen wird der
Erfahrungshorizont internationalisiert und erweitert. Und durch die
case studies geht die unmittelbare Anwendung theoretischen
Wissens in Fleisch und Blut über.
Die Studiendauer wird auf 21 Monate veranschlagt. Geplant sind 7
Seminare, die jeweils in 3 Monaten zu bewältigen sind. Sie
umfassen „Strategisches Denken“, „Führung
und Personalwesen“, „Marketing und
Unternehmertum“, „Technologie und betriebliche
Abläufe“, „Ökonomie, Finanzen und
Rechnungswesen“, „Internationaler Handel, Gesetzgebung
und globale Institutionen“ und schließlich
„Sponsorengestützte Strategie- oder
Management-Projekte“. Die Seminartitel zeigen recht deutlich,
dass der klassische betriebswirtschaftliche Background keineswegs
vernachlässigt wird. Der Unterschied besteht nur in der
permanenten Anwendung theoretischen Wissens. Die Programmstruktur
ist ebenfalls klar umrissen: 42 Scheine sind in 21 Monaten zu
erwerben. Das Studium erfolgt durch persönlichen Kontakt und
online (bis hin zu einem durchdachten
„Online-Klassenzimmer“). Es wird auf flexibler
Teilzeitbasis an Wochenenden absolviert. Der internationale
Lehrkörper besitzt umfassende Erfahrung in Industrie,
Organisation und Unternehmertum. Er kann sofort und in vollem
Umfang genutzt werden. Unterrichtssprache ist natürlich
Englisch. Die Studenten sind in Großgruppen (25) und kleinen
Studienteams (5) organisiert. Sie bleiben in ihrer
gegenwärtigen Position und Arbeit, weil sie An- und Abreise
ihren Bedürfnissen anpassen können.
Die Präsentation des Projekts umfasst außerdem
zahlreiche Referenzen: Die University of Maryland ist die
zwölftgrößte in den USA. Sie verfügt über
internationale Zweigstellen und ist in 50 Ländern auf 7
Kontinenten vertreten. Seit 1947 verzeichnet sie 2,7 Millionen
Studenten. In der Ausbildung von Führungskräften hat sie
sich eine globale Reputation für gute Qualität erworben.
Das Forbes Magazine führt das UMUC unter den besten 20
„Cyber Universities“ – und als besten
Web-Anbieter für Ausbildungszwecke. 1998 und 1999 erhält
das UMUC die „Peterson’s Awards“ für
innovatives Fernstudium. Und es ist für das
Demonstrationsprogramm „Fernstudium“ vom amerikanischen
Bildungsministerium ausgewählt worden. Das UMUC verweist
außerdem auf 5 Merkmale, womit sich der EMBA-Germany ein
eigenes Profil verschafft: Das Programm verfügt über ein
Beratergremium aus der europäischen Wirtschaft. Darin sind die
Deutsche Bank, DaimlerChrysler, Dow Deutschland, EDS Deutschland,
die Landesbank Baden-Württemberg, Marriott International und
Computer Associates vertreten. Ein weiteres Charakteristikum ist
das der Universität angegliederte „National Leadership
Institute“, das sich der Förderung von
Führungskräften verschrieben hat. Das Institut ist auf
die kompetente Vermittlung von Team-Management spezialisiert und
bildet „executives“ in größeren
amerikanischen Unternehmen aus. Die Schwerpunkte sind Technologie
(Compaq, Intelsat, Verizon), Unternehmensberatung (Booz Allen,
DeLoitte & Touche, Price Waterhouse) und industrielle Fertigung
(Ford, Toyota, Black & Decker). - Über den schon
präsentierten Lehrplan hinaus gibt es ein erweitertes Angebot,
das eine internationale Studienreise umfasst. Hier kann gelernt
werden, wie andere Unternehmen mit den globalen Herausforderungen
umgehen. Betont wird auch generell die ausgereifte
Online-Interaktion der Studenten, die aus unterschiedlichen
Backgrounds, Branchen und Kulturen stammen. Ein dickes Plus sind
sicher auch die sponsorengestützten Projekte. Projektteams
erstellen einen strategischen oder betrieblichen Geschäftsplan
und setzen sich mit Problemen wie „Neuer
Markteintritt“, „Produktentwicklung“,
„Einschätzung und Neugestaltung von
Organisationen“ und „Plänen zur konkreten
Implementierung“ auseinander.
Sehr positiv zu vermerken ist, dass das UMUC die Lehrmethode des
EMBA-Studiums deutlich präsentiert. Es handelt sich um ein
„Multiple Teaching“. Obenan steht natürlich die
Fallstudie. Es folgen Vorlesungen und Diskussion,
Präsentationen im Stil einer Führungskraft und das
Management von Projekt-Teams und Führungsaufgaben. Die
Leistung wird an Eigendynamik und Gruppendynamik gemessen.
Besondere Aufmerksamkeit wird außerdem den
Online-Fertigkeiten gewidmet. Sie werden zur Förderung des
Schreibens und der Analyse eingesetzt. Der persönliche Kontakt
wiederum stärkt die Fähigkeit des Sprechens und des
Präsentierens. Beide Kommunikationsformen folgen der
Zielsetzung, die Schlüsselkompetenz des Team-Managements zu
entwickeln. Abschließend werden die Zulassungsbedingungen
klar definiert: Eine drei- bis fünfjährige Berufspraxis
mit Führungserfahrung ist unabdingbar. Ebenso Sprach- und
Eignungstests wie TOEFL (580) und TWE (5). Ferner ein
Äquivalent zum U.S. Bachelor’s Degree oder ein Diplom
von einer Universität bzw. Fachhochschule, nebst einem
persönlichen Vorstellungsgespräch und zwei
Empfehlungsschreiben.

Die auf das Wesentliche reduzierte Wiedergabe der bloßen
Fakten ist ein ganz brauchbarer Gradmesser für die
Qualität der MBA-Programme. Sie sollten in jedem Fall zwei
Kriterien erfüllen: Gute Referenzen (inklusive Akkreditierung)
und ein eigenes Profil. Im Optimalfall zielen Lehrplan und
Programmstruktur auf eine kohärente Vermittlung
internationaler Standards und Schlüsselkompetenzen ab –
und bewahren gleichzeitig ihre unverwechselbare Identität. Die
Fallstudie UMUC ist ein gutes Beispiel dafür.
(Die Informationen bezog ich aus einer Veranstaltung des University
of Maryland University College in Schwäbisch Gmünd, wo am
18.09. 20001 das Projekt vorgestellt wurde.)

Ein neues Führungsmodell

Abschließend bleibt noch die Frage zu klären, ob es
ein einigermaßen verbindliches, international anerkanntes
Führungsmodell gibt. Somit komme ich also zum zweiten
Schwerpunkt dieses kleinen Leadership-Essays.
Ein weit verbreitetes, außerordentlich gut fundiertes
Führungsmodell wurde von den Leadership-Forschern James M.
Kouzes und Barry Z. Posner entwickelt. Sie befassen sich seit 1983
mit dem Profil von executives, haben Tausende von
Führungskräften befragt und unzählige Fallstudien
durchgeführt. Dabei geht es weniger um prominente Top-Manager,
sondern um ein sehr breit gestreutes und damit repräsentatives
Führungsverhalten im Alltagsgeschäft. Das Modell
konzentriert sich auf fünf Kernpraktiken des Leadership, die
lehrbar und lernbar sind. Es integriert z.B. das EMBA-Programm des
UMUC in einen größeren gesellschaftlichen Zusammenhang
und wurde bei der oben erwähnten Veranstaltung von Dr. Carol
Dell’Amore vorgestellt. Sie ist Direktorin des UMUC National
Leadership Institute und bestätigt die internationale
Tragfähigkeit der Arbeiten von Kouzes und Posner.
Das erste Merkmal des globalen Leadership bezeichnen Kouzes und
Posner als Challenge the Process. Gute
Führungskräfte fordern Innovationen heraus. Sie stellen
den Status Quo in Frage und versuchen, ihre Organisation oder Firma
permanent zu verbessern. Dieses Verhalten entspricht dem fluiden
prozesshaften Charakter der Globalisierung, die Veränderung
nicht als Ausnahme, sondern als Regel begreift. Die Bereitschaft
zum Risiko und zum Experimentieren gehört somit untrennbar zum
Anforderungsprofil des heutigen Managements. Da Experimente auch
scheitern können, sollten Fehler durchaus als normale
Größe im Business akzeptiert werden. Allerdings nur
unter der Voraussetzung, dass man aus ihnen lernt und sie als
Chance zur Verbesserung aktiv nutzt.
Die zweite Kernkompetenz des Modells lautet ''Inspire a Shared
Vision.'' Das heißt: Visionen haben ist wichtig, aber nicht
genug. Es kommt entschieden darauf an, andere für diese
Visionen zu begeistern. Gute Führungskräfte entwerfen ein
ideales und einzigartiges Bild, wie ihr Unternehmen sein
könnte. Sie gewinnen ihre Mitarbeiter/Innen durch ruhige
beharrliche Überzeugung und durch die Ausstrahlung ihrer
Persönlichkeit. Dr. Dell’Amore macht hier noch eine
sinnvolle Anmerkung: Motivation bedeutet nicht nur, andere für
einen Kampf um gemeinsame Ziele zu mobilisieren. Wichtig ist, dass
die Mitarbeiter für die Ziele kämpfen wollen und
die Ziele als eigene Motivation verstehen.
Das dritte Element heißt Enable Others to Act.
Führungskräfte sollen anderen auch bewusst die
Möglichkeit zum Handeln geben. Sie fördern aktiv die
Zusammenarbeit und bauen begeisterte Teams auf. Sie
unterstützen Selbständigkeit und Selbstbewusstsein und
können Aufgaben delegieren. Und sie fühlen sich
verantwortlich für eine Atmosphäre gegenseitigen Respekts
und Vertrauens, die eine unverzichtbare Basis für erfolgreiche
Kooperation sind.
Model the Way, den Weg aufzeigen und vorgeben ist die
vierte Kernpraxis des Modells. Führungskräfte etablieren
gemeinsame Normen und Prinzipien, wie Ziele zu erreichen sind. Eine
Organisation braucht verbindliche Richtlinien für das
Verhalten gegenüber Kunden und Kollegen. Und sie bedarf klarer
Leistungsstandards, die am besten durch eigenes vorbildliches
Verhalten vermittelt werden. Da die globale Kultur des Wandels und
der Innovationen heutzutage immer komplexer wird, ist es wichtig,
dass die Führungskraft auch Zwischenziele vorgibt und kleine
Erfolgsgefühle ermöglicht. Denn große Ziele sind
oft fern, oft von Rückschlägen begleitet und können
sehr leicht frustrieren. Gute Executives schrecken auch nicht davor
zurück, unbequeme Wege in der eigenen Firma zu gehen. Sie
beseitigen bürokratische Hindernisse und entwickeln ein
Gespür für Stagnation. Tritt diese ein, sind sie ganz
besonders gefragt, weil sie den Mitarbeitern wieder die Richtung
vorgeben müssen. Dabei gilt es, erneut Gelegenheiten für
Erfolgsgefühle zu schaffen.
Das fünfte Element – Encourage the Heart
ist ein weiterer Beleg dafür, dass im globalen Business den
sogenannten soft skills eine große Bedeutung zukommt.
Der ständige Zwang zu Veränderungen bedingt emotionalen
Stress, der keineswegs leicht zu bewältigen ist. Kommunikative
Fähigkeiten, Empathie und Fürsorge gehören zum
unerlässlichen Rüstzeug für executives. Es
gilt, neben dem Vertrauen und einer guten Arbeitsatmosphäre,
Hoffnung und Entschlossenheit aufrechtzuerhalten. Das Mittel hierzu
klingt zwar simpel, erfordert in der Praxis aber große
Selbstdisziplin: Man sollte nie versäumen, die Leistungen und
Beiträge der anderen deutlich anzuerkennen. Diese Haltung
breitet sich im Idealfall in der gesamten Organisation aus.
Mitglieder von Top-Teams haben das Gefühl, dass sie am Erfolg
ihrer Anstrengungen fair beteiligt sind. Gute Chefs verstehen es,
erreichte Ziele als gemeinsame Leistung überzeugend zu
zelebrieren. Sie vermitteln den Menschen das Gefühl, wahre
Helden zu sein.

Hiermit schließe ich meinen Essay über das
Phänomen des Leadership. „Essay“
heißt auf Deutsch „Versuch“. Das Experiment
bestand in einer literarischen Nachahmung der case studies.
Sollte der Leser durch die Konzentration auf konkrete
Einzelfälle einige Umrisse des komplexen Themas jetzt etwas
besser verstehen, dann betrachte ich den Versuch als gelungen.

Mehr Informationen zu den hier präsentierten Fallbeispielen
gibt es unter:
//www.umuc.edu/grad/exec/europe
und
//www.theleadershipchallenge.com/index.html