Mehr zum Thema "Emotionale Intelligenz" finden Sie in:

Günter Bachmann
Literatur und Management
Kulturelle Dimensionen der Emotionalen Intelligenz
Artislife Press Hamburg 2005. ISBN 3-938378-05-0

Bestellungen sind unter Artislife Press Hamburg möglich. Natürlich ist der Titel auch über den Buchhandel oder Amazon erhältlich.

Emotionale Intelligenz: Konzepte

Das Konzept der Emotionalen Intelligenz wurde von dem Harvard-Psychologen Daniel Goleman erstmals einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Er systematisierte Vorarbeiten von US-amerikanischen Kollegen und landete einen internationalen Bestseller: „Emotional Intelligence. Why it can matter more than IQ“ (1995). Die Arbeit wurde noch im selben Jahr in das Deutsche übersetzt („Emotionale Intelligenz“). Dieses Buch führte einen Paradigmenwechsel in der Beurteilung des klassischen Leistungsgedankens herbei: Die rationalen Fähigkeiten machen nur rund ein Drittel des persönlichen Erfolgs im Leben aus. Zwei Drittel dagegen hängen von Emotionaler Intelligenz ab. Goleman gelang es, diesen Tatbestand in lebendig dargestellten Fallstudien überzeugend zu verdeutlichen. Er widmete sich zunächst Themen wie der zunehmenden Aggressivität bei Kindern, allgemeinen Erziehungsfragen, Eheproblemen – und machte die Relevanz der Emotionalen Intelligenz für das Alltagsleben erst richtig sichtbar. Die berufliche Karriere und das Geschäftsleben nahm dabei vorerst nur ein schmales Kapitel ein. Zahlreiche Anfragen aus dem Management bewogen ihn dazu,
später in dieser Richtung weiterzuarbeiten.
Aber schon in seiner ersten Arbeit über Emotionale Intelligenz formulierte Goleman ein Modell, das auch künftig Bestand haben sollte. Entscheidend für emotional intelligentes Verhalten ist der Standpunkt eines neutralen Beobachters, der eine Position außerhalb der eigenen Gefühle einnimmt. Die bewusste und distanzierte Wahrnehmung der persönlichen Emotionen „macht den entscheidenden Unterschied deutlich, ob man in seinem Gefühl befangen ist oder ob man erkennt, dass man von ihm fortgerissen wird.“ (Goleman (2001), S. 67) „Selbstreflexives Wahrnehmen“ aus der Perspektive eines „unbeteiligten Zeugen“, „eine neutrale
Einstellung“, „ein unbeteiligtes, nicht urteilendes Wahrnehmen innerer Zustände“ (Ebd., S. 67ff.) definieren die Basis für Emotionale Intelligenz: „Achtsamkeit im Hinblick auf die Emotionen ist die grundlegende emotionale
Kompetenz, auf der andere wie etwa die emotionale Selbstkontrolle aufbauen.“ (Ebd., S. 68)
Die Selbstkontrolle ist der zweite wichtige Schritt in Golemans Modell. Wer lernt, durch Selbstwahrnehmung seine Emotionen zu beobachten, der gewinnt auch ein Potenzial der Selbstregulierung. Eben weil der Beobachterstandpunkt außerhalb der irrationalen Gewalt der Gefühlswelt steht. Das Reflektieren der eigenen Emotionen objektiviert und distanziert sie. Sie werden zur Sprache gebracht und reflektiert. Stärken und Schwächen lassen sich analysieren. Die Kompetenz der Selbstregulierung, die mit der ersten untrennbar verbunden ist, folgt einem alten psychologischen Schema: Das Besprechen von Emotionen bricht ihre absolute Gewalt. Die Beobachter-Position obliegt im psychologischen Gespräch dem Analytiker, während das entspannte Erzählen des Patienten auf der Couch bereits einen Objektivierungsprozess einleitet.
Damit ist die nächste Phase erreicht: Die selbstdisziplinierte Beobachtung der eigenen Gefühle und die Kontrollmöglichkeit, die diese Beobachtung gewährleistet, führen zu einer starken Eigen-Motivation (Schritt 3), die auf die Änderung unseres emotionalen Verhaltens abzielt. Denn schnell wird erkennbar, dass Realitätssinn, positives Denken und Freude an der Arbeit die Auslöser für ein
befriedigendes Dasein sind: „In dem Maße, wie die
Emotionen unsere Fähigkeit, zu denken und zu planen, für
ein fernes Ziel zu üben, Probleme zu lösen und
dergleichen, beeinträchtigen oder fördern, bestimmen sie
die Grenzen unserer Fähigkeit, unsere angeborenen geistigen
Fähigkeiten zu nutzen, und damit entscheiden sie über
unseren Lebenserfolg.“ (Goleman (2001), S. 108.)
Die angestrebten Verhaltensänderungen können aber nur
durch unausgesetzte Übung und Automatisierung neuer
emotionaler Reaktionsmechanismen erreicht werden. Am besten
vollzieht sich dieser Wandel in einem emotional bewussteren Umgang
mit zwischenmenschlichen Beziehungen. Auf dem Weg zur Emotionalen
Intelligenz genügt es nicht, bloß persönliche
Kompetenz zu entwickeln. Die soziale Kompetenz ist
gleichermaßen zu schulen. Das geschieht durch Einfühlung
in andere, durch Empathie (Schritt 4). Die Empathie stellt, analog
zur besonnenen Selbstwahrnehmung, eine beobachtende Identifikation
mit dem fremden Gefühlsleben her. Und erst jetzt können
wir Emotionale Intelligenz tatsächlich erfolgreich anwenden:
Indem wir lernen, nicht nur uns selbst, sondern auch unser soziales
Umfeld emotional intelligent zu beeinflussen. Goleman nennt das
soziales Geschick bzw. soziale Kompetenz (Schritt 5).
Golemans Modell der Emotionalen Intelligenz übte eine enorme
Anziehungskraft auf das Management aus. Die computergestützten
Forschungsdaten aus Verhaltensforschung, Psychologie und Neurologie
hatten mit dem alten Weltbild aufgeräumt, dass ein gutes
Zeugnis und rationale Kompetenzen die allein messbaren und allein
wichtigen Erfolgsfaktoren sind. Das Konzept, aber auch das
Schlagwort selbst, die Vorstellung also, dass
„Intelligenz“ und Gefühlsleben systematisch
zusammengeführt werden können, traf in der zweiten
Hälfte der neunziger Jahre den Nerv der Zeit. Denn auch in den
Geschäftsabläufen selbst hatte sich die Erkenntnis
durchgesetzt, dass die alten Kompetenzmuster tatsächlich
veraltet sind. Die Management-Forschung wird bis heute nicht
müde zu beweisen, dass reibungsloser Informationsfluss und
funktionsübergreifendes Teamwork die größten
Profit-Treiber im Informationszeitalter sind.
Kommunikationsfähigkeit ist deshalb eine
Schlüsselkompetenz. Im persönlichen Umgang mit
Mitarbeitern und Geschäftspartnern nicht minder als auf der
Ebene betrieblicher Organisation. Nicht zufällig hat sich ein
neuer Begriff in der Sprache der Führungskräfte
durchgesetzt: Soft Skills, „weiche
Fähigkeiten“ - im Unterschied zu harten Zahlen und
Fakten oder bloß technischer Kompetenz. Dazu gehören
offenes und wechselseitiges Feedback,
Einfühlungsvermögen, flache Hierarchien, Zuhören,
der flexible Aufbau informeller Netzwerke, die motivierende
Anerkennung aller Teammitglieder. Kurzum: Ein produktives
Management von Information und Emotion. Die Idee der Emotionalen
Intelligenz bestimmt seither nachhaltig die Bewertung von
Mitarbeitern und seriöse Trainingstechniken für
Führungskräfte.
Auf Grund der überwältigenden Resonanz, die sein Konzept
im Geschäftsleben gefunden hatte, schrieb Goleman 1998 ein
zweites Buch zum Thema Emotionale Intelligenz: „Working with
Emotional Intelligence“ (in Deutschland unter dem Titel:
„EQ2. Der Erfolgsquotient“ ebenfalls 1998 erschienen).
Hier untersucht Goleman intensiv die Frage, welchen Stellenwert
Emotionale Intelligenz am Arbeitsplatz einnimmt. Sein Konzept wird
dabei wesentlich detaillierter, obwohl es sich an den gleichen
Grundlagen orientiert. Im Berufsleben wird Emotionale Intelligenz
als eine spezifische Kompetenz erfahrbar. Und auch diese gliedert
sich grundsätzlich in eine persönliche und soziale
Sphäre, die von Selbstwahrnehmung und Empathie getragen
werden. Dann folgt eine Beschreibung von emotionalen
Fähigkeiten, die im Informationszeitalter einen
Wettbewerbsvorteil gewähren und zur persönlichen
Befriedigung und Weiterentwicklung am Arbeitsplatz verhelfen. Das
Modell der emotionalen Kompetenz sieht im Überblick wie folgt
aus:

1. Persönliche Kompetenzen
Selbstwahrnehmung, Selbstregulierung und Motivation sind die
Basis.
Darauf bauen bestimmte emotionale Qualitäten auf:
-Emotionales Bewusstsein, zutreffende Selbsteinschätzung und
Selbstvertrauen resultieren aus der beobachtenden Aufmerksamkeit,
die wir unseren Gefühlen entgegenbringen.
-Selbstkontrolle, Vertrauenswürdigkeit, Gewissenhaftigkeit,
Anpassungsfähigkeit und Innovationsfreude sind wertvolle
emotionale Konsequenzen, die aus der Regulierung der
persönlichen Gefühle hervorgehen.
-Leistungsdrang und Engagement beruhen auf emotionaler
Eigenmotivation.

2. Soziale Kompetenzen
Die Basis bilden Empathie und soziales Geschick.
-Einfühlungsvermögen gewährleistet das
Verständnis der anderen, führt zu einer Förderung
und Entwicklung von Mitarbeitern, garantiert Service- bzw.
Kundenorientierung und schärft das „politische“
Bewusstsein für emotionale Gruppendynamik.
-Soziale Fähigkeiten erstrecken sich auf emotionale
Kompetenzen wie Einflussnahme, Kommunikation, Führung,
Initiative, den Aufbau von Beziehungen, Zusammenarbeit und
Teamfähigkeit.

Im besten anglo-amerikanischen Stil stützt sich Goleman
erneut auf Fallstudien und wissenschaftlich fundierte Ergebnisse
aus der Managementforschung, Psychologie, Neurologie und
Verhaltensforschung. So sollte zum Beispiel einem gesunden
Selbstvertrauen die Selbstkritik vorausgehen. Ein positives
Selbstwertgefühl orientiert sich an unseren Stärken, ohne
die Schwächen zu verdrängen. Motivation und Engagement
wiederum gedeihen nur in einem Arbeitsklima, das eine
Identifikation mit klaren Zielsetzungen erlaubt. Einfluss auf
Mitarbeiter und Kunden gewinnen wir erst dann, wenn wir mittels
Empathie einen psychischen Kontakt hergestellt haben. –
Derlei zusammenfassende, auf den ersten Blick unspektakuläre
Einblicke in Gefühlsmechanismen werden ausführlich mit
Beispielen aus der Praxis illustriert und wissenschaftlich
begründet. Eine wichtige Erkenntnis ist die Tatsache, dass im
Geschäftsalltag emotionale Prozesse meist
außerordentlich sublim und unbewusst ablaufen. Sie haben eine
eminent praktische Dimension, die regelmäßig
unterschätzt wird. Ohne Selbstwahrnehmung und Empathie, die
ständige Übung verlangen, entziehen sich die Emotionen
unserem Verständnis und werden leicht zum Sand im Getriebe
auch des rationalsten Betriebs. Mit dramatischen Auswirkungen auf
die Ertragslage, die unbestreitbar von einer positiven
Arbeitsumgebung abhängt. Golemans zweites Buch über das
Phänomen der Emotionalen Intelligenz ist eine wertvolle Quelle
für Organisationen und die Menschen, die in ihnen tätig
sind.
Erwähnenswert ist auch die lerntheoretisch
außerordentlich durchdachte, auf langfristige und
grundlegende Verhaltensänderung abzielende Trainingsmethode,
die Goleman dem Management empfiehlt. Er hat eigens Richtlinien
für die Schulung der emotionalen Kompetenz entworfen und in
der Praxis gründlich getestet.

<p align="center">---

<p align="center">''Richtlinien für die Schulung der
emotionalen Kompetenz''

1. Die Stelle beurteilen
Nur ein detailliertes Verständnis der spezifischen
Anforderungen verhindert, dass keine Kompetenzen vermittelt werden,
die für die angestrebte Position gar nicht gebraucht werden.
Wichtig sind insbesondere die Kompetenzen, die man
Spitzenleistungen in einem bestimmten Geschäftsbereich
entnehmen kann und den entscheidenden Unterschied zu einer
bloß durchschnittlichen Leistung ausmachen. Diese
Orientierung an der tatsächlichen Praxis sollte zu einem
Weiterbildungsprogramm führen, das auf einer systematischen
Bedarfsanalyse aufbaut.

2. Das Individuum beurteilen
Erst jetzt folgt die Erstellung eines Persönlichkeitsprofils,
das Stärken und Schwächen des Kursteilnehmers offen legt.
Der Schwerpunkt liegt auf der Verbesserung klar bestimmter Aspekte,
die für die zukünftige Tätigkeit wichtig sind. Dabei
soll nicht nur das Training für Kompetenzen vermieden werden,
die gar nicht erforderlich sind. Ebenso bedeutsam ist, dass keine
Kompetenzen zum Lernziel erhoben werden, über die der
Teilnehmer bereits ausreichend verfügt. Gefragt ist vielmehr
ein Coaching, das auf die Stelle und die persönliche
Individualität des Bewerbers zugeschnitten ist.

3. Beurteilungen mit Fingerspitzengefühl mitteilen
Der Trainer sollte nicht vergessen, dass ein Feedback über die
Stärken und Schwächen einer Person starke Emotionen des
Teilnehmers aufrührt. Empathie wird hier zu einer
unerlässlichen Voraussetzung. Ohne Einfühlsamkeit wird
die Motivation des Teilnehmers leicht frustriert bzw. blockiert.
Wer Emotionale Intelligenz unterrichten will, muss sie selbst
praktizieren, insbesondere bei den grundlegenden Bewertungen, die
dabei vorzunehmen sind.

4. Die Lernbereitschaft beurteilen
Dies ist ein wichtiger Punkt. Trotz des pekuniären
Eigeninteresses, das der Anbieter eines Trainings verfolgt, darf er
nicht der Illusion verfallen, dass Lernbereitschaft immer eine
selbstverständliche Gegebenheit ist. Die Menschen zeigen ein
unterschiedliches Maß an Begeisterungsfähigkeit,
Kooperation, Motivation - und damit Lernwilligkeit. Wenn die
Bereitschaft zum Lernen fehlt, sollte das Eingeständnis, dass
in diesem Fall die Weiterbildungsmaßnahme sinnlos ist, nicht
ignoriert werden. Deshalb ist zunächst auch die
Lernbereitschaft zu beurteilen. Liegt sie nicht vor, dann gibt es
immer noch die Möglichkeit, diese mangelhafte Motivation
selbst zum Gegenstand eines fördernden Trainings zu
machen.

5. Motivieren
Motivation bildet den Maßstab für das Lernen. Das setzt
die Erkenntnis der Teilnehmer voraus, dass Emotionale Kompetenzen
für ihre Leistungsfähigkeit von größter
Bedeutung sind. Klassische Anreize wie eine bessere Laufbahn,
befriedigendere Arbeit, mehr Ansehen und besseres Einkommen sind
hier durchaus am Platze. Auch die universelle Dimension der
Emotionalen Intelligenz, vor allem ein verbesserter Umgang mit uns
selbst und den anderen, kann motivierend wirken. Wichtig ist, dass
der Teilnehmer diese Kompetenz bewusst zu einem persönlichen
Ziel erklärt.

6. Die Mitarbeiter sollen Veränderungen selbst
steuern
Wenn die Teilnehmer auf ihr Lernprogramm selbst Einfluss nehmen
können, steigert das den Lernerfolg. Sie kennen ihre
Bedürfnisse, ihre Motivation und ihre Lebensumstände am
besten. Deshalb sind sie gestalterisch bei der Formulierung der
Lernziele einzubinden, besonders bei der Auswahl der Kompetenzen.
Der Trainer dagegen konzentriert sich vor allem auf eine gemeinsame
Ausarbeitung des Umsetzungsplanes. – Zu oft wird vergessen,
dass standardisierte Trainingsprogramme nicht die
Individualität des Lernenden angemessen
berücksichtigen.

7.Sich auf klare, erreichbare Ziele konzentrieren
Notwendig ist eine klare Beschreibung der Ziel-Kompetenzen,
verbunden mit einer deutlichen Konzeption der einzelnen konkreten
Schritte, die zu einer Verbesserung führen können. Ein
praktizierbarer Plan ist unerlässlich und wird sich ebenfalls
an den individuellen Gegebenheiten des Teilnehmers orientieren.

8. Rückschläge vermeiden
Alte Gewohnheiten ändern sich nur langsam und neue
Verhaltensweisen bedürfen der ständigen Einübung.
Das beweisen neurologische und verhaltenstheoretische Forschungen
mehr als genügend. Rückschläge sind kein Versagen,
sondern notwendig. Hier ist gelegentlichen Frustrationen der
Teilnehmer entgegenzuwirken. Versäumnisse und Fehler sind
Lehren – wenn wir sie als Bestandteil des Lernprozesses
begreifen.

9. Leistungsfeedback geben
Unklare Feedback-Regeln sind Gift für den Lernerfolg. Im
konkreten Änderungsplan sind Feedbacks von Vorgesetzten und
Kollegen regelmäßig zu berücksichtigen. Das wirkt
motivationssteigernd, weil Kritik als natürlicher Teil des
Lernprozesses erfahren wird.

10. Zu praktischen Erfahrungen ermuntern
Nur dauerhaftes Training schafft dauerhafte Veränderungen.
Innerhalb wie außerhalb der beruflichen Praxis gibt es
unausgesetzt Möglichkeiten, neue emotionale Kompetenzen zu
erproben. Die zentrale emotionale Fähigkeit der
Selbstwahrnehmung wird gestärkt, wenn der Coach darauf
hinwirkt, den Alltag im Büro und Privatleben als ständige
Herausforderung zu begreifen, Veränderungen einzuüben.
Neue Verhaltensweisen werden am besten greifen, wenn wir sie
über Monate hinweg konsequent ausprobieren.

11. Für Unterstützung sorgen
Wer auf sich allein gestellt ist, tut sich mit
Veränderungsprozessen schwerer. Gleichgesinnte Kollegen, aber
auch das soziale Umfeld wirken sich positiv aus. Der Teilnehmer
baut sich am besten ein motivierendes persönliches Netzwerk
aus Kontakten auf. Hilfreich sind auch nahestehende
Vertrauenspersonen, die in der Lage sind, informelle
Coaching-Funktionen wahrzunehmen.

12. Vorbilder bereitstellen
Leistungsasse in der zu erlernenden Kompetenz sind gute Vorbilder,
die den Lerneifer anstacheln. Hier ist natürlich auch die
Firmenleitung gefragt. Wenn sie um Emotionale Intelligenz
bemüht ist, wird sie Veränderungsprozesse nachhaltig
stärken. Vorgesetzte und firmeninterne Ausbilder sollten
emotionale Kompetenzen auch würdigen, das Bewusstsein für
sie wecken – am besten vorleben.

13. Ein unterstützendes Umfeld schaffen
Das betriebsinterne Klima sollte Veränderungsbereitschaft
bewusst und engagiert unterstützen. Dazu benötigt die
Firma klare Wertvorstellungen des Unternehmens, die mit
verbesserten emotionalen Kompetenzen in Einklang zu bringen sind.
Nicht nur das Training, vor allem das Arbeitsklima, das wesentlich
von der Geschäftsleitung bestimmt wird, tragen zum Lernerfolg
bei. Standardprozesse wie Stellenzuweisung, Beförderung und
Leistungsbewertung sollten unter Beweis stellen, dass emotionale
Kompetenzen tatsächlich relevant sind.

14. Die Veränderungsbereitschaft stärken
Hier kommt ein ebenso klassischer wie entscheidender
Motivationsfaktor zum Tragen: Anerkennung. Bei schwierigen
Veränderungsprozessen, die sich auf unser emotionales
Verhaltensmuster beziehen, sollte mit Lob nicht gegeizt werden.

15. Bewertung
Der größte Fehler bei herkömmlichen
Weiterbildungsmaßnahmen besteht erstaunlicherweise darin,
dass ihr Erfolg schlicht nicht gemessen wird. Leistungsbezogene
Bewertungskriterien sind notwendig, und zwar vor wie nach dem
Trainingsprogramm. Um Nachhaltigkeit zu ermitteln, sollte auch noch
einmal ein oder zwei Jahre später überprüft werden,
ob das Coaching positive Ergebnisse gebracht hat. Sonst wird man
auch weiterhin sehr teure Trainings mit vagen Kriterien buchen,
deren Erfolg ein Rätsel bleibt. You can’t manage what
you can’t measure. Diese alte Manager-Wahrheit gilt auch
für weiche Fähigkeiten wie die emotionale Kompetenz, die
ja nachweisbar die Ertragslage und Wertentwicklung der Firma
steigern.

<p align="center">---

Die jüngste Buch-Publikation von Daniel Goleman wendet sich
einem Bereich zu, der für die Emotionale Intelligenz eines
Unternehmens höchste Priorität genießt: der
Geschäftsleitung. Statistische Erhebungen haben zweifelsfrei
erwiesen, dass die Stimmung und das Verhalten des Chefs –
oder auch seiner direkten Mitarbeiter, deren Stimmung und Verhalten
vom Chef entscheidend geprägt werden – in einer
Größenordnung von 50 bis 70% das Arbeitsklima
beeinflussen. Da das Arbeitsklima wiederum in einer messbaren
Bandbreite von etwa 20-30% die Ertragslage positiv oder negativ
beeinflusst, rückt die Führungskraft in den Fokus der
neuen Analyse. Der Titel des Buches lautet: „Primal
Leadership. Realizing the Power of Emotional Intelligence“
(2002). Die deutsche Fassung trägt den sinnigen und
kürzeren Titel: “Emotionale Führung” (2002).
Die Entwicklungsgeschichte der Emotionalen Intelligenz begann also
mit allgemeinen psychologischen Problemen, griff auf den
Arbeitsplatz über und schreitet von dort aus fort zur
Unternehmensführung.
In seinen neusten Studien, die Goleman zusammen mit dem
Organisations- und Verhaltenstheoretiker Richard Boyatzis und der
Management-Forscherin Annie McKee erarbeitet hat, wird eine gerade
in ihrer Einfachheit äußerst verblüffende These
aufgestellt: Der Chef bildet den entscheidenden Anfang einer
emotionalen Kettenreaktion, die das Arbeitsklima mehr als alles
andere bestimmt. Da unser emotionales Zentrum im limbischen System
unseres Gehirns seinen Sitz hat, funktioniert es wie eine offene
Schleife. Wann immer und mit wem immer wir sozial interagieren,
übertragen wir Stimmungen und Verhaltensmuster. Rein
körperlich scheinen wir voneinander abgegrenzt. Doch unsere
Gefühle gehen ineinander über und funktionieren in
Gesellschaft wie ein ansteckender Virus. Das hießt konkret:
Entgegen dem bloßen Augenschein vermischt sich unsere Physis
ständig mit der Physis der anderen. Körper sind
eigentlich nicht begrenzt. Soziale Begegnungen beeinflussen
nachweisbar den Blutdruck, den Fettsäurengehalt, den
Hormonspiegel, die Funktionen der Herzkrampfgefäße, ja
sogar den Schlafrhythmus und das Immunsystem. Ein gutes soziales
Umfeld verringert die Todesrate und den Stress. Eine gelungene
Konversation führt zu einem synchronen Herzschlag. In einer
Gruppe aus Unbekannten bestimmt der emotional
Ausdrucksstärkste die Gesamtstimmung, selbst dann, wenn kein
Wort geredet wird. Und in Meetings findet nach etwa zwei Stunden
automatisch eine Stimmungsangleichung statt. Andere Leute, so viel
steht klinisch fest, verändern tatsächlich unsere Physis
und damit auch unsere Emotionen.
Da insbesondere der Chef die Richtung einer emotionalen
Kettenreaktion im Betrieb bestimmt, so ist die Entwicklung eines
emotional intelligenten Führungsstils seine erste und
wesentliche Aufgabe („Primal Leadership“). Emotionale
Führungsqualität erzeugt ein hohes organisatorisches
Niveau Emotionaler Intelligenz. Auf diese Weise entsteht der
überlebenswichtige reibungsfreie Informationsaustausch und
eine Firmenkultur, die von Vertrauen, gesunder Risikobereitschaft
und Lernwilligkeit inspiriert ist. Ein entsprechend niedriges
Niveau löst nur Angst und Sorge aus, die zwar kurzfristig die
Effizienz steigern, langfristig aber zum Niedergang des
Unternehmens führen. Aus diesem Grund ist besonders die
reflexive emotionale Selbstwahrnehmung des Chefs dringend
gefordert.
Doch genau hier liegen zahlreiche Probleme. Untersuchungen haben
eindeutig gezeigt: Je höher die Position, desto schwieriger
die Selbsteinschätzung. Einmal, weil die Komplexität der
Aufgaben natürlich zunimmt. Zum anderen aber auch deshalb,
weil es immer schwieriger wird, ein ehrliches Feedback zu erhalten.
Im Falle des Chefs kann dieses ja nur von unten kommen. Viele
Mitarbeiter fürchten, dass der Überbringer schlechter
Nachrichten geköpft wird. Viele Meinungen, bevorzugt die
negativen, werden gar nicht erst formuliert. Das könnte der
Karriere schaden. Zudem haben wir noch keine emotionale
Firmenkultur verinnerlicht: Persönliche Gefühle gelten
als privat und werden noch nicht gewohnheitsmäßig als
Bewertungsmaßstab für Kompetenz herangezogen. Dergestalt
leiden die meisten Chefs an der so genannten
„CEO-Disease“: Die Selbsteinschätzung der eigenen
Fähigkeiten unterscheidet sich erheblich von der
Einschätzung durch andere. Dem Chef geht die Möglichkeit
verloren, durch offenes Feedback an der Verbesserung seiner
Emotionalen Intelligenz konsequent zu arbeiten. Mit zum Teil
verheerenden Folgen, die sich in den Geschäftszahlen
niederschlagen.
Um der „Chef-Krankheit“ abzuhelfen, hat Golemans
Co-Autor Richard Boyatzis eine „Theorie des selbstbestimmten
Lernens“ entwickelt. Der praktisch erfahrene
Unternehmensberater und Management-Forscher Boyatzis benutzt dieses
Lernmodell seit 1989 mit großem Erfolg. Es dient der
emotional intelligenten Entwicklung von Führungskompetenzen.
Der Lernprozess gliedert sich in fünf Schritte:

1. Mein ideales Selbst. Wer möchte ich sein?
Aufgabe des Teilnehmers ist es, sein eignes Ich imaginär in
die Zukunft zu projizieren. Er lenkt die Aufmerksamkeit auf seine
tiefsten Werte und hochfliegendsten Träume. Er soll sein
ideales Selbst aber nicht bloß abstrakt ausmalen. Vielmehr
beschreibt er es in konkreten Alltagszenarien und erstellt typische
Tagesabläufe. Mit dieser Matrix kann man feststellen, was
gegenwärtig schief läuft. Denn die fehlenden Elemente im
eigenen emotionalen Stil werden durch die Folie des
präzisierten Ideals erst jetzt richtig sichtbar.

2. Mein reales Selbst. Wer bin ich? Welche Stärken und
Schwächen habe ich?
Große Offenheit gegenüber negativem Feedback ernsthaft
praktizieren, die Wahrheit aktiv suchen, gerade Kritiker regelrecht
kultivieren – das ist die nächste, zugegeben unangenehme
Aufgabe. Als geeignet erweist sich das 360 Grad-Feedback. Kollegen
und Untergebene sagen erwiesenermaßen die erwartete Effizienz
einer Führungskraft sehr präzise voraus (bis zu sieben
Jahren).
Optimismus und Zuversicht sind zwar wichtig – auch
gegenüber den anderen, weil sie die Leistung verbessern. Sogar
Lebenslügen können produktiv sein. Selbsttäuschungen
jedoch nicht. Es ist wichtig, Schwächen festzustellen und
weitgehend abzustellen. Erfolg verspricht aber die Konzentration
auf Stärken, die sich mit ihrem idealen Ich
überschneiden.

3. Mein Lehrplan: Wie kann ich meine Stärken ausbauen und
meine Schwächen verringern?
Der Teilnehmer braucht einen detaillierten Aktionsplan. Er sollte
in regelmäßigen, nicht zu langen Abständen Feedback
einholen. Mündlich und schriftlich. Einen Teil seines Alltags
widmet er der klaren Konzentration auf seinen Soll- und
Ist-Zustand, auf seine Fort- und Rückschritte, z.B. durch eine
Stunde Selbstreflexion oder Tagebuchschreiben. Das ist zweifellos
die härteste Forderung an gestresste Manager. Aber das Modell
geht von wissenschaftlichen Erkenntnissen aus: Lernen erfolgt in
Wiederholungsschleifen. Besonders emotionale Verhaltensweisen sind
tief verwurzelte Kreisläufe, die nur durch gegenläufige
Gewohnheiten langsam verändert werden können. Zur
Unterstützung empfiehlt sich auch ein vertrauter Kollege als
informeller Coach. Wichtig ist die regelmäßige, inner-
wie außerberufliche Pflege von sozialen Kontakten: Sie sind
das beste Experimentierfeld, auf dem sich neue Verhaltensmuster
testen, üben und befestigen lassen. Ein klarer Aktionsplan und
die Automatisierung emotionaler Kompetenzen sind absolut
unerlässlich.

4. Mit neuen Verhaltensweisen, Gedanken und Gefühlen
experimentieren und sie in der Praxis anwenden.
Eine gute Vorbereitung auf Gespräche, Meetings, Verhandlungen
usw. erfolgt durch Inszenierung und Visualisierung des Ernstfalles,
vereinfacht gesagt: durch die regelmäßige Probe jener
Auftritte, die dem Teilnehmer bevorstehen.

5. Beziehungen entwickeln, die die Veränderung
unterstützen und fördern.
Hilfe von anderen ist unverzichtbar, wenn wir unsere
Lernfortschritte realistisch einschätzen wollen. Das
persönliche Netzwerk, dessen Pflege und Aufbau empfohlen wird,
erweist sich als unverzichtbares und wertvolles Hilfsmittel. Auf
der Ebene betrieblicher Organisation sollten informelle Lerngruppen
ermöglicht werden, in denen künftige
Führungskräfte ihre Erfahrungen austauschen und sich
gegenseitig unterstützen können.

Das Modell des selbstbestimmten Lernens ist rekursiv: Es
nötigt zu einer präzisen Beschreibung eines idealen Ich,
erlaubt die konkrete Erfassung von Schwächen und Stärken
– und erspart nicht die harte Konfrontation mit der
Wirklichkeit. Der konkrete Aktionsplan wiederum hält uns dazu
an, unser ideales Ich mit der widerständigen Realität zu
vermitteln. In dieser dynamischen Angleichung können erneut
Lernprozesse entstehen, die wieder auf unser Ideal
zurückwirken, das dann immer konkreter und flexibler mit der
komplexen Lebenswirklichkeit zu vermitteln ist. Die Idee, die dem
Modell zugrunde liegt, interpretiert Lernen als einen unendlich
fortschreitenden Prozess der Verbesserung, in dem reales wie
ideales Ich immer in lebendigem Austausch stehen. Ein weiterer
wichtiger Punkt ist, dass selbstbestimmtes Lernen auf
Diskontinuität und Brüche unserer Selbst- und
Fremdwahrnehmung aufbaut. Die Frage, wer wir sein wollen –
und wer wir tatsächlich sind, erfordert genau den
selbstreflexiven Abstand, der die Entwicklung emotionaler
Kompetenzen überhaupt erst möglich macht. Emotionale
Intelligenz beginnt mit dem Ausstieg aus besinnungslos ablaufenden
Gefühlsmechanismen, die wir durch Selbstwahrnehmung und
Empathie wortwörtlich zu durchbrechen haben.
Allerdings hat Goleman das bisherige Modell der Emotionalen
Intelligenz in seinem neuen Buch leicht modifiziert. Die Motivation
bildet keine eigenständige Domäne mehr. Sie wird jetzt,
ebenso wie die Selbstregulierung, in dem Begriff
„Selbstmanagement“ zusammengefasst. Anstelle der
gewohnten fünf Elemente finden wir jetzt also nur noch vier:
„Selbstwahrnehmung“, „Selbstmanagement“,
„Soziales Bewusstsein“ und schließlich
„Beziehungsmanagement“. Nach wie vor sind
persönliche und soziale Kompetenzen die übergeordneten
Sphären, die auf Selbstreflexivität und Empathie
zurückzuführen sind. Goleman beruft sich zwar auf neue
Forschungsdaten, die das Vier-Punkte-Modell nötig machten.
Aber er expliziert diese Daten nicht. Warum er die Motivation als
selbständiges Element gestrichen hat, beruht meines Erachtens
weniger auf Forschungsdaten, sondern auf empirischen und
psychologischen Gründen. Speziell ambitionierte
Führungskräfte, für die er das Buch geschrieben hat,
werden kaum unter Motivationsmangel leiden. Für diese Klientel
ist vor allem die Richtung, die man seinen Bestrebungen gibt, nicht
aber die Bestrebung an sich das Problem. In der Harvard Business
Review nennt Goleman sein neues emotionales Führungs-Modell
„Emotional Intelligence in Action“; es geht also bei
Leadership-Fragen um Emotionale Intelligenz in der Praxis, genauer:
Führungspraxis. Und dort lokalisiert er auch die Begriffe
self-awareness – self-management – social awareness
– relationship-management (Harvard Business Review, Special
Issue, December 2001, S. 49). Die vormals getrennten Elemente
“Selbstregulierung” und “Motivation” lassen
sich aber auch deshalb im neuen Begriff
„Selbstmanagement“ zusammenfassen, weil der Ursprung
der Emotionalen Intelligenz, die Fähigkeit zur
Selbstwahrnehmung, auf das engste mit der Selbstkontrolle
zusammenhängt – und damit auch mit der Motivation. Denn
ohne eine gewünschte Zielrichtung, in die ich mich entwickeln
möchte, wäre die Selbstkontrolle ein leeres Ritual.
Ziellose Kontrolle ist, abgesehen von pathologischer Pedanterie,
psychologisch schwer vorstellbar. Dennoch lag es nahe, die
Motivation als besonderes und gesondertes Problem zu begreifen, wo
Erfolgstechniken an ein allgemeines Publikum oder allgemeine
Arbeitswelten adressiert waren. Denn dort ist Motivation
tatsächlich eine entscheidende emotionale Problematik.
Werfen wir einen Blick auf das modifizierte Modell einer
Emotionalen Intelligenz, die sich also gezielt praktischen
Führungskompetenzen zuwendet:

Persönliche Kompetenzen:

-Selbstwahrnehmung: Sie betont hier, neben der üblichen
Selbstreflexivität, auch den Stellenwert der Intuition.
Stärken und Schwächen erkennen und ein gesundes
Selbstbewusstsein aufbauen – das ist ebenfalls nicht neu,
aber von bleibender Bedeutung auch für die
Führungskraft.

-Selbstmanagement: Es beginnt natürlich mit der
Impuls-Kontrolle. Besonderen Stellenwert erhält dabei die
Transparenz: Integrität und Vertrauen lässt sich
nachhaltig nur durch Offenheit und klar definierte, vor allem
praktizierte Werte erreichen. Selbstregulierung befördert
außerdem Anpassungsfähigkeit, Flexibilität,
Leistung, Initiative und Optimismus.

Soziale Kompetenzen:

-Soziales Bewusstsein: Beruht natürlich auf Empathie.
Betont wird auch der Erwerb eines Organisationsbewusstseins, d.h.
ein Gefühl für Interessengruppen, ihre Struktur und
Vernetzungen. Die Wahrnehmung von Bedürfnissen der Kunden und
Mitarbeiter zählen ebenfalls zu den wichtigen Kompetenzen.

-Beziehungsmanagement: Umfasst inspirierende Führung, d.h.
nicht nur Visionen entwickeln, sondern mit Visionen Mitarbeiter
lenken und motivieren. Weitere Kernkompetenzen sind: Einfluss
ausüben, Überzeugungsarbeit leisten, Mitarbeiter durch
Anleitung und Feedback fördern, Veränderungen
durchsetzen, Meinungsverschiedenheiten lösen, Bindungen und
Teams aufbauen und die Zusammenarbeit verbessern.

Eine erfolgreiche emotionale Kettenreaktion, die das
Arbeitsklima langfristig verbessert, beginnt beim Chef. Deshalb ist
es seine vordringliche Aufgabe, eine emotional intelligente
Resonanz im Unternehmen zu finden. Gelingt ihm das nicht, bewegt er
sich in Dissonanzen, die das Klima verschlechtern und die Effizienz
reduzieren. Goleman beschreibt insgesamt sechs verschiede
Führungsstile, die bei richtiger Anwendung die emotionale
Kompetenz des Unternehmens steigern:

1. Der visionäre Führungsstil
Nur zu empfehlen, wenn es dem Unternehmen an einer klaren Richtung
fehlt oder dramatische Veränderungen neue Zielsetzungen
verlangen.
Sehr wichtig ist dabei die Überzeugung und Einbindung der
Mitarbeiter. Visionen haben dann die beste Chance, wenn sie zu
einem gemeinsamen und verbindlichen Traum der Mitarbeiter gemacht
werden.

2. Der coachende Führungsstil
Ist erforderlich, um individuelle Ziele mit den Zielen der
Organisation in Übereinstimmung zu bringen. Das erfordert
ausgiebiges Coaching von Mitarbeitern, auch und vor allem durch die
Geschäftsleitung. Wer Leute auf seine Seite ziehen kann, die
über ihre Netzwerke beträchtliche Resonanz im Unternehmen
finden, befindet sich auf dem richtigen Weg. Zudem ist der Chef
selbst der größte und wichtigste Resonanzfaktor.

3. Der gefühlsorientierte Stil
Menschen verbinden und Harmonie herstellen sind wichtige
Kompetenzen. So können zerstrittene Teams zusammengeführt
werden. In Stresszeiten ist dieser Stil besonders wirksam, weil er
sein emotionales Kapital ausspielen kann und für Motivation
und Kooperation auch unter erschwerten Bedingungen zu sorgen
versteht.

4. Der demokratische Führungsstil
Typisches Merkmal ist die Anerkennung und Wertschätzung von
Mitarbeitern. Diese werden durch offene Diskussion in
Entscheidungen einbezogen, was ihr Engagement erhöht. Sinnvoll
ist der Stil dort, wo es um Konsens, Zustimmung und neue Ideen
geht.

5. Der fordernde Führungsstil
Er erreicht nur dann Resonanz, wenn er interessante und
herausfordernde Zielsetzungen anstrebt. Voraussetzung ist ein sehr
selbstständiges, motiviertes und hochqualifiziertes
Mitarbeiter-Profil (wie etwa bei Microsoft). Der Stil wird
häufig falsch eingesetzt, überfordert die Umgebung und
überträgt erhebliche Dissonanzen auf das
Arbeitsklima.

6. Der befehlende Führungsstil
Angebracht vor allem in Notsituationen voller Angst und Unruhe, wo
es auf schnelles Handeln ankommt. Zum Beispiel bei
überlebenswichtigen Sanierungsmaßnahmen oder nicht
integrierbaren Mitarbeitern. Klare Vorgaben schaffen hier eine
dringend benötigte Orientierung, die durchaus befreiend wirken
kann. Dennoch ist sehr viel Vorsicht bei der Anwendung geboten:
Dieser Stil wird am häufigsten missbraucht und kann das
Arbeitsklima nachhaltig zerstören. Wer ihn unabhängig von
der Situation pflegt, mutiert zum emotional vertrottelten Tyrannen.
Jack Welch wird zwar oft als anerkanntes Vorbild genannt. Doch
seine Teamfähigkeit und Mitarbeiter-Entwicklung wird in der
Presse allzu oft vernachlässigt. Gerade darin aber brillierte
er nach der harten und notwendigen Neuausrichtung von General
Electric.

Dieses Modell sollte also nur situativ zur Anwendung gelangen.
Gute Führungskräfte verfügen über ein Register
unterschiedlicher Stilformen. Und letztlich ist es Ausdruck ihrer
emotionalen Kompetenz, wann sie welchen Stil einsetzen.

©2003 Günter Bachmann