Neuklassizismus und Moderne im frühen 20. Jahrhundert

Eine Einführung und Materialsammlung

1. Irving Babbitt. Der Lehrer und Schriftsteller

Irving Babbitt (1865-1933) galt als
traditionsbewußter Exponent der elitären
Harvard-Universität. Die Aneignung der historisch gewachsenen
Bildung Europas war ihm weit wichtiger als etwa Walt Whitmans
Proklamation einer genuin amerikanischen Literatur. Babbitt hatte
den Lehrstuhl für französische Literatur inne, zeichnete
sich aber nicht minder durch universelle Bildung aus. Zudem war er
ein anerkannter Experte für östliche Kultur und
Lebensweisheit, der buddhistische Schriften im Original zu lesen
verstand. – Entsprechend weit und eigenwillig interpretierte
Babbitt seinen Begriff von "Humanismus". Er empfahl neben Cicero,
Aristoteles und Sokrates Denker wie Konfuzius und vor allem Buddha
als klassische Vorbilder.
Babbitt erwies sich nicht nur als energischer akademischer Lehrer,
sondern trat auch als selbstbewußter Autor hervor. In
"Literature and the American College" (1908) entwickelt er eine
konservative Kulturkritik, der er in der Folge eisern treu bleibt.
Er wendet sich entschieden gegen die modern ideas in
Amerika und erblickt insbesondere in der romantischen Bewegung den
entscheidenden Bruch mit der Tradition ("Rousseau and Romanticism"
(1919)). Seit dem 18. Jahrhundert mache sich zunehmend der von
Rousseau inspirierte "emotional naturalism" bemerkbar, der die
"imagination" einseitig über den Verstand erhebe.
Relativismus, zügellose Subjektivität und
anthropologische Naivität seien die unvermeidlichen Folgen.
Der klassische Humanismus hingegen wird von Babbitt in seinem Wesen
als aristokratische Disziplin aufgefaßt, die nichts mit
demokratischer Mediokrität zu schaffen hat.
Aus diesem Ansatz resultieren bestimmte Begriffsfelder, die
Babbitts Werk leitmotivisch durchziehen. Humanität erscheint
vor allem als ein Ausdruck konsequenter Selbstdisziplin, die er als
"inner check" oder "self-control" beschreibt. "Doctrine" und
"discipline" seien notwendig, um das "human law" gegen das "natural
law" zu bewahren und durchzusetzen. Babbitts Weltsicht ist somit
dualistisch. Kultur stellt per definitionem eine Gegenbewegung zur
Natur dar. Rousseaus einheitlicher und gutartiger Mensch dagegen
entspringt einer einseitigen Hypostasierung der Natur. Liberale
Fortschrittsideen scheitern an einer viel zu optimistisch gedachten
Anthropologie, deren Ethik sich bequem den Instinkten verschreibt.
Selbst große Humanisten, obenan Schiller, hätten ein zu
harmonisches und utopisches Weltbild entwickelt. Babbitt nennt
diese allzu naiv auf Befreiung und gesellschaftliche
Veränderung zielenden Menschheitstheorien
"Humanitarianism".
Wahre Humanität orientiert sich am großen und seltenen
Individuum, das einen klassischen und universellen Deutungshorizont
eröffnet. In ihm erst gelangen Imagination und Verstand zu
einem wirklichen Ausgleich. Babbitts vornehm distanzierter
Humanismus lehnt die einseitige Betonung des Primitiven,
Instinktiven und selbst Genialen ab. Entscheidend bleibt die
anthropologische Annahme, daß Bildung mühsam errungen
werden muß, daß jeder Schritt in Richtung Kultur einen
Schritt über die Natur hinausführt. Dieses asketische
Bildungsverständnis richtet sich gegen Halbwissen und liberale
Bequemlichkeit und hat, unter anderem, Babbitts Schüler T.S.
Eliot stark beeinflußt. Eliot wie Babbitt verkörpern die
puritanische Variante klassischer Humanität, die zuweilen die
antike Freizügigkeit und Heiterkeit missen
läßt.
Die recht verstandene "Moderne" stellt somit für Babbitt keine
veränderte Anthropologie dar. Er definiert sie zwar als
Verlust äußerer Autoritäten; aber die condition
humaine bleibt unentrinnbar klassisch: es gilt, mittels
höchster Individualität nach universeller Ordnung zu
streben. Äußere Autorität muß durch innere
Disziplinierung ersetzt werden. Relativität und Verzeitlichung
sollen auf zentrale Konstanten bezogen bleiben. Die falsch
verstandene romantische Moderne dagegen hat den Fluß der Zeit
verabsolutiert. Sie hat die Lektionen Platos und Buddhas ignoriert,
das Eine über das Viele vergessen. Derart rückt
statisches Denken in die Position eines notwendigen Korrektivs, das
der entfesselten Dynamik einer – jetzt negierten –
Moderne entgegengehalten wird. Diese Dynamik spiegelt sich in einer
flexiblen Wassermetaphorik wieder, die Babbitt häufig
inszeniert, wenn er das Gegenbild einer konstanten Ordnung zu
entwerfen versucht. Ein regelrechtes Schulbeispiel für diesen
Sachverhalt bietet die "Introduction" zu "Rousseau and
Romanticism", die ich entsprechend intensiv nachzeichnen will.

2. Rousseau and Romanticism (1919)

a) Der dualistische Ansatz

Babbitt benutzt ein charakteristisches Zitat (1),
um die Argumentationsformen seines Buches zu entwickeln:

There are two laws discrete
Not reconciled, –
Law for man, and law for thing;
The last builds town and fleet,
But it runs wild,
And doth the man unking. (x)

Charakteristisch sind diese Emerson entlehnten
Zeilen vor allem deshalb, weil sie von Anfang an Babbitts
dualistische Position bekräftigen. Zwischen dem "law for
thing" und dem "law for man" besteht offenkundig ein
antagonistisches Verhältnis. Und aus diesem Widerspruch leiten
sich die wesentlichen Tendenzen des Buches her: "On its negative
side my argument is directed against this undue emphasis on the
"law for thing", against the attempt to erect on naturalistic
foundations a complete philosophy of life." (Ebd.) Dabei ist zu
beachten, was Babbitt unter "naturalistic foundations" versteht.
Zum einen benennt er damit den neuzeitlichen wissenschaftlichen
Rationalismus, der mit seinen effektiven Gesetzen das "law for
thing" festlegt. Zum anderen sieht er in der romantischen Bewegung
einen "emotional naturalism" am Werk, der gleichfalls die Natur zur
einzigen schöpferischen Instanz hypostasiert: "I define two
main forms of naturalism – on the one hand, utilitarian and
scientific and, on the other, emotional naturalism." (Ebd.) Mit dem
Oberbegriff "naturalism" unterläuft Babbitt demnach das
Selbstverständnis der Romantik, die sich ja gerade als
Gegenbewegung zur mechanischen Naturwissenschaft konstituieren
will. Er sieht in ihr die nämlichen Prinzipien
verkörpert, wenn auch unter dem Vorzeichen des Gefühls.
Was dies für die Ästhetik bedeutet, erhellt eine Passage
aus dem zweiten Kapitel ("Romantic Genius"):

The Rousseauist is, like the scientist, a
specialist, – he specializes in his own sensations. He goes
in quest of emotional thrills for their own sake (...). The vivid
images and picturesque details are therefore not sufficiently
structural; each one tends to thrust itself forward without
reference to the whole and to demand attention for its own sake.
(S. 58)

„Emotional naturalism" ist demnach
gleichbedeutend mit Formverlust. Impressionistische Vereinzelung
und Gefühlsintensität lösen die Ganzheit auf.
Ästhetische Einheit geht hier ebenso verloren wie die Einheit
und Ordnung der Spekulation im hochspezialisierten "scientific
naturalism".
Freilich leugnet damit Babbitt die organisch geschlossene Form etwa
der romantischen Lyrik. Und auch die maßgebenden Theorien
eines Coleridge lassen sich schwerlich mit der Konzeption des
"emotional naturalism" vereinbaren. (Ganz im Gegenteil finden sich
in der "Biographia Literaria" (1817) zahlreiche Parallelen zu
Babbitts eigenen Ausführungen.) Die ästhetischen
Beispiele schließlich, die er für die innere
Gleichsetzung von Wissenschaft und Romantik mobilisiert, u.a.
Balzac und Zola, sind häufig realistischen und
naturalistischen Ursprungs, Formen der Literatur also, die ohnehin
die Nähe zur Wissenschaft bewußt anstreben. Dennoch ist
nicht zu leugnen, daß Babbitt die Unterschiede zwischen
„scientific“ und „emotional naturalism“
deutlich hervorhebt. Im ersten Kapitel ("The Terms Classic and
Romantic") zeigt er, daß romantisches Bewußtsein vor
allem als Reaktion auf die trockene Regelpoetik einer formalistisch
erstarrten Neoklassik entstanden ist. Es richtet sich
außerdem gezielt gegen den wissenschaftlichen Vernunftkult
der Neuzeit. Babbitt vertritt nun die Position, daß die
Romantik in diese Gegnerschaft unentrinnbar verstrickt bleibt. Sie
ist, wenn auch unbewußt, eine Fortsetzung der Wissenschaft
mit emotionalen Mitteln. Und Babbitt zögert keineswegs, der
romantischen Reaktion auf dogmatische Neoklassizisten eine
historisch bedingte Notwendigkeit beizulegen. Selbst Alexander Pope
und Dr. Johnson hätten sich einer Überbewertung des
Verstandes und einer zu sklavischen Imitation antiker Vorbilder
schuldig gemacht. Ein Extrem (romantische Subjektivität)
korrigiert deshalb das andere (steriler Neoklassizismus). Aber die
Wahrheit liegt für Babbitt in der aristotelischen Mitte.
"Naturalism" bedeutet auch, daß sich beide, Wissenschaft wie
Romantik, der dualistischen Anthropologie entziehen. Sie huldigen
einem monistischen Weltbild, dessen immanente Geschlossenheit von
der empirischen oder emotionellen "Natur" regiert wird. Die Rolle
der Kultur, ihre Eigengesetzlichkeit, wie sie sich in der
humanistischen und religiösen Tradition niederschlägt,
wird dabei verkannt. Das "law for man" begründet deshalb die
positive Tendenz des Buches: "On the positive side, my argument
aims to reassert the ‘law for man’, and its special
discipline against the various forms of naturalistic excess. At the
very mention of the word discipline I shall be set down in certain
quarters as reactionary." (x) Wer mit "certain quarters" gemeint
ist, dürfte nicht schwer zu erraten sein: Liberale,
Demokraten, Sozialisten und Marxisten. Was bei der politischen
Polemik gegen Babbitt und übrigens auch Eliot häufig
außer acht gelassen wird, ist die anthropologische Differenz
der Denkformen, die beiderseits zu erheblichen
Mißverständnissen führt: Konservatives Denken
stützt sich meist auf eine in sich gebrochene, nicht eben
optimistische Anthropologie; wohingegen Sozialreformer sich
über dialektische, letztlich utopische Vorstellungen
definieren. Babbitts dualistische Grundannahmen betonen den
Gegensatz der Kultur zur Natur. Wer diesen Gegensatz leugnet,
verschreibt sich dem "naturalism" und favorisiert unhaltbare
Fortschrittsideen. Derlei Theoretiker mißachten den wahren
Geist positiven und kritischen Denkens. Besonders der Begriff der
Moderne verdeutlicht für Babbitt diesen Sachverhalt:

It may (...) turn out that the true difficulty with
our young radicals is not that they are too modern but that they
are not modern enough. For, though the word modern is often and no
doubt inevitably used to describe the more recent or the most
recent thing, this is not its sole use. It is not in this sense
alone that the word is used by writers like Goethe and Saint-Beuve
and Renan and Arnold. What all these writers mean by the modern
spirit is the positive and critical spirit, the spirit that refuses
to take things on authority. (xi)

Die Konsequenzen sind weitreichend. Die Modernen
sind nicht modern genug. Ein vollständiger Positivismus darf
die Differenz zwischen Kultur und Natur nicht leugnen. Das
kulturkonservative Argument erhebt die Tradition, die wir als
Klassik und Humanismus bezeichnen, zum Forschungsgegenstand, der
mit der nämlichen Unvoreingenommenheit betrachtet werden
muß wie die Natur:

I hold that one should not only welcome the efforts
of the man of science at his best to put the natural law on a
positive and critical basis, but that one should strive to emulate
him in one's dealings with the human law; and so become a complete
positivist. My main objection to the movement I am studying is that
it has failed to produce complete positivists. Instead of facing
honestly the emergency created by its break with the past the
leaders of this movement have inclined to ''deny the duality of
human nature'', and then sought to dissimulate this mutilation
of man under a mass of intellectual and emotional sophistry. (Ebd.,
Hervorh. von G.B.)

Der Zusammenhang zwischen Anthropologie und
Kulturverständnis tritt hier deutlich ins Bewußtsein.
Und ebenso die Vorstellung eines "complete positivism", der die
ursprünglich wissenschaftliche Methode des Experiments und der
Erfahrung auf Kultur, Kunst und Tradition gewissenhaft anwenden
soll. T. S. Eliots Reagenzglasmetaphorik zur Illustration des
"impersonal artist" ("Tradition and the Individual Talent" (1917))
sowie seine systemorientierte Beschreibung der Literaturgeschichte
werden bei Berücksichtigung Babbitts verständlicher;
wenigstens unter dem Aspekt der Genese und Herkunft. (2)
Worum es dem complete positivist allerdings geht, ist im
Unterschied zum Wissenschaftler das ethische Telos. Parallel zum
anthropologischen Dualismus (law for things/law for man) wiederholt
sich hier eine Zweiteilung, die entscheidende Aspekte der Moderne
aufgreift: die Relativierung, Auflösung und Verflüssigung
der Fundamente aller bislang bekannten Kulturformen. Nie war es
für das Individuum schwieriger, Maß, Ziel und Ordnung
aus sich zu entwickeln als in der Moderne. Denn die
äußeren Autoritäten haben sich im Fluß der
Dinge verloren. Ethische Wertsetzung ist gleichbedeutend mit einer
statischen Fixierung, die der modernistischen Strömung
standhält. Das „law for man“ tendiert somit zur
Konstanz und Statik. Es etabliert sich gegen die Dynamik und den
permanenten Fließzustand des „law for things“.
Hier tritt auffällig die Wassermetaphorik im Diskurs Babbitts
hervor. Es lohnt sich deshalb, einen längeren Auszug zu
zitieren, der die Dichotomie Statik/Dynamik zu schildern
versucht:

What prevails in the region of the natural law is
endless change and relativity; therefore the naturalistic
positivist attacks all the traditional creeds and dogmas for the
very reason that they aspire to fixity. Now all the ethical values
of civilization have been associated with these fixed beliefs; and
so it has come to pass that with their undermining by naturalism
the ethical values themselves are in danger of being swept away in
the everlasting flux. Because the individual who views life
positively must give up unvarying creeds and dogmas "anterior,
exterior, and superior" to himself, it has been assumed that he
must also give up standards. For standards imply an element of
oneness somewhere, with reference to which it is possible to
measure the mere manifoldness and change. The naturalistic
individualist, however, refuses to recognize any such element of
oneness. His own private and personal self is to be the measure of
all things and this measure itself, he adds, is constantly
changing. But to stop at this stage is to be satisfied with the
most dangerous of half-truths. Thus Bergson's assertion that "live
is a perpetual gushing forth of novelties" is in itself only a
dangerous half-truth of this kind. The constant element in life is,
no less than the element of novelty and change, a matter of
observation and experience. As the French have it, the more life
changes the more it is the same thing.
If, then, one is to be a sound individualist, an individualist
with human standards – and in an age like this that has cut
loose from its traditional moorings, the very survival of
civilization would seem to hinge on its power to produce such a
type of individualist – one must grapple with what Plato
terms the problem of the One and the Many. My own solution of this
problem, it may be well to point out, is not purely Platonic.
Because one can perceive immediately an element of unity in things,
it does not follow that one is justified in establishing a world of
essences or entities or "ideas" above the flux. To do this is to
fall away from a positive and critical into a more or less
speculative attitude; it is to risk setting up a metaphysic of the
One. Those who put exclusive emphasis on the element of change in
things are in no less obvious danger of falling away from the
positive and critical attitude into a metaphysic of the Many. This
for example is the error one finds in the contemporary thinkers who
seem to have the cry, thinkers like James and Bergson and Dewey and
Croce. They are very far from satisfying the requirements of a
complete positivism; they are seeking rather to build up their own
intoxication with the element of change into a complete view of
life, and so are turning their backs on one whole side of
experience in a way that often reminds one of the ancient Greek
sophists. The history of philosophy since the Greecs is to a great
extent the history of the clashes of the metaphysicians of the One
and the metaphysicians of the Many.(xii/xiii)

Zwei Wortfelder werden hier exemplarisch sichtbar,
deren Bezug zur Dichotomie Statik/Dynamik offenkundig ist. Positiv
besetzt ist die Statik, die als "fixity, fixed beliefs, standards,
oneness, measure" und "human standards" Werte bezeichnen. Sie sind
"unvarying" und "constant", und damit Ausdruck einer Einheit
("unity"). Dem steht die Dynamik der Moderne gegenüber, die
als "endless change and relativity", und damit als Vielheit
("Many", "manifoldness") beschrieben wird. Nicht zu übersehen
ist die Wassermetaphorik. Die Werte laufen Gefahr, im ewigen
Fluß der Dinge hinweggespült zu werden ("swept away in
the everlasting flux"), wie überhaupt der "flux" in der
Rhetorik Babbitts als Gegenbild zum klassischen Ideal erscheint.
Charakteristisch ist auch das Bergson-Zitat, demzufolge die Moderne
durch ein unablässiges Hervorsprudeln von Neuigkeiten
("perpetual gushing forth of novelties") gekennzeichnet sei. Und
die integrierende Kraft der Tradition, ihre Einheit und Konstanz
erscheint als "moorings" (Haltetaue oder Ankerplatz), von denen
sich die ziellos bewegte Moderne losgerissen hat.
Die Betonung des Gegensatzes Kultur/Natur soll offensichtlich den
ethischen Kern der Lebensführung bewahren. Babbitt sieht
bereits im Deismus der Aufklärung den Versuch, die Natur von
der klassischen Kontrolle durch Maß und Form zu emanzipieren.
Von Anfang an bereitet die neuzeitliche Naturauffassung dem
"Romantic Genius" (Kapitel 2) den Weg, indem sie zum einheitlichen
Erklärungsmodell aufgewertet wird. Auf der Gefühlsebene
führt das zum Kult des Instinkts und des Primitiven; und
zugleich wird damit die Kultur als künstliche Konvention im
Sinne Rousseaus herabgesetzt. Der Natur werden verharmlosende
Eigenschaften wie "goodness and loveliness" (S. 44) zugesprochen.
Die notwendige Disziplinierung des egoistischen Individuums durch
das "decorum" der Gesellschaft wird nur noch als Zwang
interpretiert. Und deshalb läßt sich, angefangen von den
Gefühlsethikern Shaftesbury und Hutcheson bis hin zu Rousseau,
eine zunehmende "emotional expansion" beobachten: "Man begins to
discover harmonies instead of discords in himself and outer nature.
He not only sees virtue in instinct but inclines to turn virtue
itself into a "sense", or instinct. And this means in practice to
put emotional expansion in the place of spiritual concentration at
the basis of life and morals." (Ebd.) – Hierdurch aber wird
die entscheidende Tendenz zu einer "aesthetic or sentimental
morality" (ebd.) geschaffen, eine Tendenz, die schließlich im
fin de siècle und in der Dekadenz endet. Babbitts
Dualismus spricht sich hier deutlich in der Gegenüberstellung
von "emotional expansion" und "spiritual concentration" aus.
Die naheliegende Schlußfolgerung allerdings, daß
Babbitt sich mit der Negation der subjektiv und romantisch
begründeten Moderne bescheidet, griffe zu kurz. Er arbeitet
mit Differenzierungen, die sich nicht im kulturkritischen
Klassizismus erschöpfen. So gesteht er der Romantik ohne
weiteres zu, daß sie mit ihrem Hang zur Gefühlsdynamik
die Vitalität und Energie schöpferischer Prozesse wieder
freigelegt hat: "No conventions are final, no rules can set
arbitrary limits to creation. Reality cannot be locked up in any
set of formulae. The element of change and novelty in things, as
the romanticists are never tired of repeating, is at once vital and
inexhaustable." (S. 44) Der Fluß der Dinge und die
Relativität des Seienden bilden für Babbitt einen
wichtigen Aspekt der Wirklichkeitserfahrung, der sich kein Mensch
entziehen kann. Die romantische Wertschätzung der
"imagination" hat ihre kulturelle Berechtigung: "Reason needs some
driving power behind it, a driving power that, when working in
allience with the imagination, it gets from insight." (S. 42) Das
aber bedeutet, daß Babbitt seinen streng dualistischen Ansatz
kritisch revidieren und das Verhältnis von Statik und Dynamik
aufeinander beziehen muß. Sobald er die Rolle des Ethikers
verläßt und sich erkenntnistheoretischen und
ästhetischen Fragen zuwendet, neigt er stark zu dialektischen
Überlegungen, die dynamische Prozesse im Verhältnis zu
einem kreativen Zentrum untersuchen. (Der "klassische"
Ästhetiker Babbitt bewegt sich hierbei in verdächtiger
Nähe zu Coleridge und Schelling.) Ausgangspunkt für
unsere Darstellung ist erneut die "Introduction", die ich nur zum
Zweck notwendiger Illustrationen verlasse.

b) Der dialektische Ansatz

Für die dialektische Einheit von Statik und
Dynamik postuliert Babbitt keine idealistische Philosophie des
Absoluten. Essentialismus im Sinne Platos lehnt er als "speculative
attitude" (xiii, vgl. den Textauszug oben) entschieden ab. Vielmehr
bewahrt er die "positive and critical" (ebd.) Haltung des
complete positivism. Wer den naturalistischen Fluß
der Dinge und das humanistische Streben des Menschen nach Einheit
gleichermaßen ernst nimmt, muß zu folgender Einsicht
gelangen:

Life does not give here an element of oneness and
there an element of change. It gives a ''oneness that is always
changing.'' The oneness and the change are inseperable. Now if
what is stable and permanent is felt as real, the side of life that
is always slipping over into something else or vanishing away
entirely is, as every student of psychology knows, associated
rather with the feeling of illusion. If a man attends solely to
this side of life he will finaly come (...) to look upon it as a
"torrent of mobile chimeras", as an endless whirl of vain
appearances. To admit that the oneness of life and the change are
inseperable is therefore to admit that such reality as man can know
positively is inextricably mixed up with illusion. (xiii/xiv,
Hervorh. von Babbitt.)

Der kritische und positive Standpunkt im Sinne
Babbitts führt zur Formel "a oneness that is always changing".
Interessant ist die wahrnehmungspsychologische Implikation, wonach
der Statik ("what is stable and permanent") das Gefühl solider
Realität zugesprochen wird. Die Dynamik dagegen führt zu
einer Erfahrung, die als "Sturzbach beweglicher Chimären" (3)
das Realitätsgefühl entgrenzt und aufhebt. Die Folgerung
aus dem untrennbaren Zusammenhang zwischen Einheit und Vielheit
entfernt sich weit von der versöhnlichen Dialektik, wie sie
vor allem Hegel begründet hat. Die Entzweiungen werden nicht
etwa überwunden. Erkenntnis ist kein listiges Werkzeug der
Vernunft. Sie ist unentrinnbar mit dem Makel der Illusion behaftet,
von der sie sich nicht befreien kann. Die reine Statik führt
zu Fixierungen, die sich auf die Dauer nur dogmatisch gegen die
Dynamik abgrenzen können. Vitale Prozesse wiederum lösen
im Zuge ihrer ungebremsten Dynamik die Realität überhaupt
auf. Babbitts Dialektik besteht auf dieser Ambivalenz. Sie ist am
ehesten noch als buddhistisch (xx) zu charakterisieren, indem sie
die Substanz in den illusionären Schleier der Maya hüllt.
Es gibt auch keine theoretische Lösung dieses Problems im
metaphysischen Sinn. Die Illusion ist unmittelbarer Ausdruck der
Lebensdynamik selber. Es verbleibt nur die Möglichkeit
künstlerischer und ethischer Praxis, d.h. Imagination und
Telos als Organisation von Ordnung. Aus theoretischer Sicht ist
Babbitts Dialektik ahistorisch und zeitlos; ein klassisches und
unaufhebbares Erkenntnisproblem ohne Ausblick auf Erlösung.
Dialektik bedeutet hier ausschließlich den untrennbaren
Komplex des One und Many:

There is always the unity at the heart of the
change; it is possible, however, to get at this real and abiding
element and so at the standards with reference to which the dream
of life may be rightly managed only through a veil of illusion. The
problem of the One and Many, the ultimate problem of thought, can
therefore be solved only by a right use of illusion. In close
relation to illusion and the questions that arise in connection
with it is all that we have come to sum up in the word imagination.
(XIV/XV)

Die Imagination wäre somit die
ästhetische Reaktion auf das klassische Erkenntnisproblem. Und
sie soll selber klassischen Ursprungs sein. Zum einen durch den
"right use of illusion", der sie von der "emotional expansion" der
labilen Romantiker befreien soll; und zum andern durch den Bezug
auf das Feste und Bleibende, das die Möglichkeit von
Realität und Orientierung überhaupt erst schafft:

Man is cut off from immediate contact with anything
abiding and therefore worthy to be called real, and condemned to
live in an element of fiction or illusion, but he may, I have tried
to show, lay hold with the aid of the imagination on the element of
oneness that is inextricably blended with the manifoldness and
change and to just that extent may build up a sound model for
imitation. (xv)

Die ästhetische Lösung eines logisch
unüberbrückbaren Gegensatzes führt bei Babbitt zur
konkreten Begriffsbestimmung der "Klassik", die er im ersten
Kapitel – immer in Abgrenzung zur dynamischen und
illusionären Romantik – unverzüglich
durchführt.
Bevor ich dieses Thema aufgreife, ist allerdings eine kritische
Zwischenbemerkung angebracht. Ganz so "positive" und "critical" wie
Babbitt glaubt, ist seine Methode mit Sicherheit nicht. Er trifft
eine Vorentscheidung, die alle Erkenntnis ursprünglich auf
Erfahrung zurückführen zu können glaubt: "...
everything in man is a matter of experience". (xii) Sein
complete positivism, der statische wie dynamische Elemente
mit faktischer Unparteilichkeit feststellen will, beruft sich allzu
vereinfachend auf "observation and experience". (Ebd.) Die
implizite Methodologie, die jeder Erfahrung und Beobachtung
zugrunde liegt, ist jedoch niemals aus der Erfahrung allein
ableitbar; es sei denn tautologisch. Das Subjekt und seine
Erkenntnisleistung muß mindestens reflektiert werden. Man
kann sagen, daß Babbitt die philosophische Diskussion
zwischen Locke, Hume und Kant vollständig außer acht
läßt. Also just jene philosophiegeschichtliche Zeit, die
die Konstituierung des subjektiven emotional naturalism
begleitet hat: das gesamte 17. und 18. Jahrhundert. Wichtiger aber
scheint mir, was sich hinter diesem naiven Empirizismus und
Pragmatismus verbirgt: Die Vorstellung einer "immediate
perception": "...this oneness in things is, no less than the
otherwiseness, a matter of immediate perception." (S. 46) Dies
erinnert stark an einen Terminus Francis Herbert Bradleys, des
Philosophielehrers von T. S. Eliot: "immediate experience". Babbitt
allerdings gelangt nicht zu dessen idealistischen
Schlußfolgerungen, weil er die Illusion für ein
positives Merkmal aller Erfahrung ansieht. Ganzheit entsteht erst
durch das Medium und die Vermittlung der Imagination: "...genius
may be defined as imaginative perception of the universal." (S.
41). Und erst die imaginative Wahrnehmung führt zum
"supersensuous insight" (S. 42), der sich über das Eine und
Viele erhebt ("a reality that is set above them both" (ebd.)). Die
durch Dynamik erzeugte Illusionserfahrung, die Babbitt immer wieder
herausstellt, bewahrt ihn vor idealistischen Theoriebildungen.
Dieser inhaltliche Grund rückt ihn erneut in die Nähe
seines Schülers Eliot. Denn der widerlegte Bradley mit dem
(allerdings methodologischen) Hinweis, daß unmittelbare
Erfahrung nicht möglich ist. Als "Gegebenes" ist sie immer in
Subjekt-Objekt-Relationen befangen, also ein Widerspruch in sich
selbst. Und Eliots Aufwertung der Imagination, die Entwicklung
einer "imaginativen Logik", deren Beweglichkeit um ein
schöpferisches Zentrum geordnet sein soll, stimmt im Ansatz
erstaunlich weitgehend mit den Theorien Babbitts
überein.
In der "Introduction" führt Babbitt einige Belege an, die das
"Faktum" statischer Einheit empirisch stützen sollen. Er
bedient sich dabei des Arguments der vergleichenden
Kulturwissenschaft, die auf Konstanten und Parallelen in
unterschiedlichen Kulturentwicklungen hinweist. Wenn sich der
Mensch gegen den Fluß der Zeit behaupten will, so Babbitt,
dann muß er in den großen abendländischen und
östlichen Überlieferungen das Universelle und Zeitlose
suchen. Von daher definiert sich der überragende Stellenwert
der Tradition für den Klassiker. Er ist auf der Suche nach der
Repräsentation des Besten ("what is best and most
representative"(xix)). Sein Vorgehen ist positiv und kritisch, sein
Blickfeld weit, vergleichend und tolerant, "bearing witness to the
element of oneness, the constant element in human experience." (xx)
Die an Rousseau orientierte Romantik jedoch hat weder Maß
noch Ziel. Sie begibt sich auf die "dangerous quest of the
absolute", sie ist der "extremist and foe of compromise" und
versuche, sich mittels "anarchy" und "social despotism" zu
verwirklichen. (xviii) Dies verdeutlicht, wie sehr Babbitt, bei
aller Suche nach dem Universellen, unter dem Bann des ersten
Weltkriegs und der Oktoberrevolution steht. Sonst hätte er die
romantische Bewegung nicht so reibungslos mit modernistischen
Exzessen technischer und sozialer Dynamik identifizieren
können. Verstand sie sich doch selber als universalpoetisch,
war sie doch selber auf der Suche nach organischer Einheit und
traditioneller Bindung, wandte sie sich doch selber gegen eine
immer aggressivere Beschleunigung moderner Entfremdung. –
Entsprechend dünn und unzureichend wird Babbitts Argumentation
auch folgerichtig dann, wenn er sich um eine klassische
Neudefinition der Imagination bemüht. Seine Zeitkritik
ermangelt der Schärfe und Konkretheit. Sie verkennt die
kulturkritische Leistung der Romantik und des Ästhetizismus,
die nicht ungestraft ignoriert werden kann.
Babbitts Sprache wird dementsprechend abstrakt und formelhaft, wenn
er die synthetische Leistung der Imagination beschreiben will. Er
greift im wesentlichen auf den Gegensatz zwischen klassischer
Statik und moderner Dynamik zurück und leitet daraus seine
Begriffe ab. Der Leser erfährt nichts über den konkreten
Vermittlungsvorgang zwischen dem "One" und dem "Many". Er wird
permanent mit Postulaten strapaziert: Kunst wie Leben, so Babbitt,
müßten ein "adequate end" (S. 33) haben. Es gehöre
zu den ästhetischen Perversionen der Romantiker, daß sie
den "masculine purpose" (und damit die Ethik) von der Kunst
entfernen wollten (S. 43). Derlei Thesen vermag der gelehrte Autor
zwar reich zu illustrieren. Aber die Begründung gelangt
über die schmale begriffliche Basis, die er in der
"Introduction" gelegt hat, nicht hinaus. Statik, assoziiert mit
Realität, ist positiv besetzt. Statik innerhalb eines
Prozesses bedeutet Telos, d.h. zielgerichtete Bewegung; und also
muß die Imagination teleologisch ordnend sein. Diese Ordnung
wiederum wird auf klassische Definitionen festgelegt, deren
Eigenschaften problematisch sind: "To follow nature in the
classical sense is to imitate what is normal and representative in
man and so to become decorous." (S. 38). Babbitt ist sich
bewußt, daß seine zeitlose Dialektik, überhaupt
die zur Zeitlosigkeit neigende Klassik vor allem gegen das explizit
historische Bewußtsein der Moderne sprechen. Er verweist, in
Übereinstimmung mit seiner dualistischen Begrifflichkeit, auf
den Relativismus und den Realitätsverlust der "historical
method":

This is a truth that we scarcely need to have
preached to us; for with the growth of the historical method we
have come to fix our attention almost exclusively on these local
and relative elements. The complete critic will accept the
historical method but be on his guard against its excess. He will
see an element in man that is set above the local and the relative;
he will learn to detect this abiding element through all the flux
of circumstance; in Platonic language, he will perceive the One in
the Many." (S. 15)

Damit ist die Ausgangslage (Wassermetaphorik
inklusive) wiederhergestellt.
Zur Erörterung der imagination ist wichtig, daß
sich Babbitt über die Begriffsgeschichte natürlich im
klaren ist. In der Psychologie des Aristoteles bezeichnet
Imagination (phantasia) eine Gedächtnisleistung, die über
Bilder, Assoziationen und Vorstellungsinhalte verfügt. Das
eigentlich kreative Moment der Psyche lokalisiert er im
vernunftgeleiteten "nous poetikos" (xv, Fn.). In der Neuzeit
verkehrt sich dieses Verhältnis in sein Gegenteil: Bereits der
"wit" der Elisabethaner und vollends der "conceit" der Metaphysical
Poets bezeichne eine Phase des "intellectual romanticism". (S.
11f.) Das Verhältnis zwischen Ratio und Imaginatio wird ab dem
17. Jahrhundert brüchig und ruft einseitige Reaktionen
zugunsten der einen wie der anderen Partei hervor: Neoklassizismus
wie Romantik sind die entscheidenden historischen Bewegungsmomente
dieses Bruchs. In letzterer kommt es schließlich zur
Verabsolutierung der Imagination im Zuge der ''emotional
expansion''. Professor Babbitt kritisiert beide Bewegungsmomente
als überzogen und beruft sich auf die wahre antike Bedeutung
künstlerischer Produktion in der klassischen Antike:

Aristotle, one should observe, does not establish any hard and
fast opposition between judgement and imagination, an opposition
that pervades not only the neo-classical movement but
also the romantic revolt from it. He simply affirms a supersensuous
order which one can perceive only with the help of fiction. The
best art, says Goethe in the true spirit of Aristotle, gives us the
"illusion of a higher reality”. (S. 19)

Außerdem ist zu beachten, daß der
"nous" im Verständnis des Aristoteles und Platon ein
intuitives Element enthält (S. 29), also nicht unbesehen mit
der neuzeitlichen Ratio des Descartes gleichgesetzt werden darf:
"In fact one may ask if any doctrine has ever appeared so fatal to
every form of tradition – not merely literary but also
religious and political – as Cartesianism." (S. 27f.) Die
Romantik verkennt den Verstandesgebrauch großer klassischer
Vorbilder. Ihr Generalangriff auf Descartes' mechanistische Ratio
läßt sich auch mit klassischen Mitteln
durchführen.
Die Arbeitsweise richtig angewandter Imagination ("right use of
illusion") ist für Babbitt untrennbar mit dem Begriff des
Klassischen verbunden. Die "general nature", die der Klassiker
anstrebt, bestehe nicht einfach in einer formalistischen Mimesis:
"He is not, says Aristotle, to imitate things as they are, but as
they ought to be. Thus conceived imitation is a creative act." (S.
17) In Kunst und Leben wendet sich das, was sein soll, gegen das,
was ist. Und dieser Akt ist ein Ordnungsprozeß. Der
chaotische Fluß der Dinge muß durchdrungen werden,
muß Maß und Proportion erhalten: "Through all the
welter of the actual one penetrates to the real and so succeeds
without ceasing to be individual in suggesting the universal."
(Ebd.) Der Schaffensprozeß des Künstlers impliziert die
antagonistische Spannung, wie sie überhaupt das
Verhältnis von Natur und Kultur bestimmt. Die ewig sich
wandelnde Einheit (oneness that is always changing) tritt in der
Kunst als Dialektik zwischen individueller Gestaltung und
universeller Aussage wieder hervor. Kunst ist ein konkretes
Absolutum, ganz im Sinne Schellings. In ihr findet Babbitts
dualistisches Denken eine punktuelle Lösung. Sie ist eine der
Dynamik abgerungene Statik. Die ordnende Imagination ist exakt das
vermittelnde Moment jenes Widerstreits der Prinzipien, die in der
"Introduction" ausgiebig beschrieben werden.
Von daher wird die Notwendigkeit des Telos erneut unterstrichen.
Kunst konstituiert ein "Zentrum". Und um den Begriff des Zentrums
lagern sich all die Kriterien an, die Babbitt als Eigenschaften
klassischer Imagination beschreiben will: "...the imagination that
works concentric with the human law." (S. 48) Ihre Aufgabe lautet:
"... to establish orderly sequences and relationships and to work
out a kingdom of ends". (S. 51) Und worum es bei dem Streit
zwischen Klassiker und Romantiker letztendlich geht, ist folgendes:
"... to set up some such centre, to oppose a unifying and
centralizing principle to expansive impulse". (S. 53) Dieses
Zentrieren ist gleichermaßen ethisch wie ästhetisch zu
verstehen. Das Verlangen des Klassikers nach künstlerischer
"total symmetry" (S. 54), "design" und "structure" (S. 55)
entspringt seinem anthropologischen Kulturverständnis. Seine
Konzeption der Klassik richtet sich gegen die Dynamik der
Moderne schlechthin. In dieser Gegenbewegung stimmt sie freilich
mehr mit der Romantik überein, als er sich bewußt
ist.
Ein fundamentaler Unterschied jedoch besteht in der utopischen
Dimension dieser Diskursformen. In ihren Ursprüngen war die
romantische Bewegung zweifellos von der französischen
Revolution inspiriert. Das "Älteste Systemprogramm des
deutschen Idealismus" (1795), Friedrich Schlegels "Rede über
die Mythologie" (1800), Wordsworths, Shelleys und Byrons
Enthusiasmus lassen keinen Zweifel daran. Anfänglich dachten
die Romantiker an eine dialektische Synthese, die eine neue,
universell geschlossene Kultur und Gesellschaft stiften
könnte. Diese Vorstellung lehnt Babbitt grundsätzlich ab.
Er glaubt wie Hegel und Goethe, daß Freiheit untrennbar an
Disziplin und an Einsicht in die Notwendigkeit gebunden ist.
Anarchistische Freiheit schlägt – hier spricht der
Aristoteliker – unweigerlich in Despotie um: "The
transformation of the Arcadian dreamer into the Utopist is a
veritable menace to civilization." Notwendig sei der "firm grip on
the ascertained facts of human nature" und nicht etwa die "feeble
idealities of the romantic imagination." (S. 377) Wie oben
angedeutet, entscheidet hier die Interpretation der "human nature"
über die politische Haltung. Denn Babbitt gesteht durchaus zu:
"The ends that the Utopist proposes are often in themselves
desirable and the evils that he denounces are real". (Ebd.) Aber
realistische Menschenkenntnis, die sich zeitlos und klassisch
verfestigt, verweist diese Träume in das Reich nicht
realisierbarer Illusionen. Babbitt sieht in der hemmungslosen
Dynamik einer durch und durch materialistischen Moderne nurmehr
eine "prodigious peripheral richness joined to a great central
void." (S. 366)
Am Ende stellt sich die Frage, inwieweit Babbitt überhaupt der
von den Romantikern geschaffenen Gefühlskultur etwas Positives
abgewinnen kann. Sein Kommentar ist ironisch und bedient sich einer
gemäßigten Wassermetaphorik: "There is no reason why in
recreative moods one should not imagine one's soul an enchanted
boat and float away in a musical rapture with the ideal dream
companion towards Arcady. But to suppose that revery of this kind
has anything to do with the faith of Plato and of Christ, is to
fall from illusion into dangerous delusion." (S. 359f.) –
Hinter dieser Ironie verbirgt sich allerdings ein durchaus
ernstzunehmender common sense. Für Babbitt gibt es
nur drei grundlegende Lebenserfahrungen: "...the naturalistic, the
humanistic, and the religious". (xix) Die humanistische scheint
für ihn die annehmbarste: "It is much easier for a man to
deceive himself and others regarding his supernatural lights than
it is regarding the degree to which he is moderate and sensible and
decent." (xxi) Mit dieser Haltung provozierte er vor allem die
Kritik seines berühmten Schülers T.S Eliot.

2. T.S. Eliot

a) "The Humanism of Irving Babbitt"

T.S. Eliot hat sich in dem Essay "The Humanism of
Irving Babbitt" (1927) deutlich von seinem ehemaligen Lehrer
abgegrenzt. Diese Abgrenzung war aus zwei Gründen notwendig
geworden: zum einen favorisierte Eliot mit der Konversion zum
Anglokatholizismus das relogiöse gegenüber dem bloß
humanistischen Element; zum andern stimmte er mit Babbitt in so
vielen Punkten überein, daß eine Klärung der
eigenen Position wohl dringend erforderlich schien. Auffällig
ist auch, daß Eliot erst nach seiner religiösen Wende
(1927/28) die Klassik explizit zum Gegenstand seiner Essayistik
macht. Das läßt die Vermutung zu, daß er seine
klassizistische Orientierung in Babbitts aristokratischem und
individualistischem Denken recht lange und ausreichend
repräsentiert sah. Das religiöse Moment jedenfalls ist
mit Eliots eigenen Definitionsversuchen der "Klassik"
verknüpft. Die berühmte Äußerung im Vorwort zu
"For Lancelot Andrewes" (1928) markiert also auch für meine
Erörterung den entscheidenden Ausgangspunkt: "The general
point of view may be described as classicist in literature,
royalist in politics, and anglo-catholic in religion“.
(4)
Die Distanzierung von Babbitt ist somit ein sinnvoller Einstieg,
weil sie die Neuorientierung Eliots programmatisch aufzeigt.
Anschließend möchte ich jene drei Essays aufgreifen, die
sich ausdrücklich der Klassik zuwenden, nämlich: "Modern
Education and the Classics" (1933), "The Classics and the Man of
Letters" (1942) und schließlich "What is a Classic?"
(1944).
An Wertschätzung hat Babbitt in den Augen Eliots während
und nach der religiösen Wende durchaus nicht verloren. Er
bezeichnet ihn als "stout upholder of tradition and continuity".
(5) Sogleich aber wird die neue Komponente sichtbar: Babbitt wisse
auch, "that the Christian religion is an essential part of the
history of our race". (Ebd.) Daran knüpft die erste leise
Kritik an. Babbitts Humanismus sei längst nicht so stark im
Leben der Menschen verwurzelt wie die Religion: "The religious
habits of the race are still very strong, in all places, at all
times, and for all people. There is no humanistic habit: humanism
is, I think, merely the state of mind of a few persons in a few
places at a few times". (Ebd.) Nicht zufällig kleidet Eliot
die "religious habit" in das Vokabular der Zeitlosigkeit und
Universalität. Damit behält er die klassischen
Definitionskriterien Babbitts bei, verschiebt den Akzent aber
eindeutig auf das Religiöse. Der Humanismus erscheint
plötzlich als historisch relativiertes Randphänomen einer
intellektuellen Minderheit. Wahrhaft traditionsbildend hingegen ist
die Religion, weil sie Gewohnheiten entwickelt, die sich in der
Rasse ("race") kulturell verfestigen. Eliots Rassenbegriff ist
nicht national besetzt. Er bezeichnet offensichtlich eine
kulturelle Tiefenschicht, die sich dem bloß intellektuellen
Humanismus entzieht: "...it is always the human reason, not the
revelation of the supernatural, upon which Mr. Babbitt insists."
(S. 81) Humanismus ist für Eliot demnach keine ernstzunehmende
Alternative zur Religion. Der hochgelehrte Babbitt hätte
längst schon feststellen können, daß selbst Buddha
und Konfuzius nur aufgrund ihrer religiösen Konsequenzen
wirklich dauerhaft gewirkt haben, "...recognizing a dependence of
the human upon the divine." (Ebd.)
Verkürzt gesagt besteht Eliots Argumentationstechnik
wesentlich in einer gezielten religiösen Unterwanderung jener
Denkformen, die Babbitt verwendet hat. So kritisiert er die
humanistischen Vorstellungen seines Lehrers exakt mit jener
relativierenden Methode der "historical method", die Babbitt gerade
nicht auf die klassischen Humanisten anwenden wollte. Und er kann
diese Kritik vor allem deshalb so effektiv durchführen, weil
er dem Humanismus im gleichen Atemzug die klassischen Kriterien der
Zeitlosigkeit und Universalität entzieht und sie auf die
Religion überträgt:

The great men whom he holds up for our admiration
and example are torn from their contexts of race, place and time.
(...) His humanism is really something quite different from that of
his exemplars, but (to my mind) alarmingly like very liberal
Protestant theology of the nineteenth century: it is, in fact, a
product – a by-product – of Protestant theology in its
last agonies. (S. 82/83)

Humanismus ist in den Augen Eliots also nicht
bloß Ausdruck einer Minorität. Auch seine großen
Vorbilder müssen unter historisch gebundenen Gesichtspunkten
vergegenwärtigt werden. Ihnen kommt nur relative Bedeutung zu,
da sie der kulturstiftenden Kraft und Dauer der Religion ermangeln.
Babbitts klassische Interpretation des Humanismus ist
schließlich selber nur ein historisch und lokal zu
interpretierendes Phänomen: ein Nebenprodukt und Auslaufmodell
der protestantischen Theologie des 19. Jahrhunderts. Es ist
letztendlich Eliots "klassischer" Religionsbegriff, der zu einer
Abwertung des Humanismus, d.h. zu seiner historischen Relativierung
führt. – Was aber versteht dann Eliot unter Humanismus?
Jedenfalls keinen Religionsersatz: "Humanism is either an
alternative to religion, or ancillary to it. To my mind, it always
flourishes most when religion has been strong (...)." (S. 83)
Humanismus im Sinne Eliots ist vor allem eine kritische Instanz,
die religiöse Erstarrungen korrigiert, also eine notwendig
negierende Leistung des menschlichen Geistes: "Any religion, of
course, is for ever in danger of petrification into mere ritual and
habit, though ritual and habit be essential to religion." (S.
83/84) Der konzessive Nebensatz signalisiert hier natürlich,
daß sich der Humanismus in kritischer Negation erschöpft
und das eigentliche Wesen der Religion niemals konstruktiv zu
erfassen vermag. Für Eliot bedeutet humanistische
Säkularisierung vor allem Säkularisierung, und damit
Abfall von der wahren Religion: "You cannot make humanism itself
into religion." (S. 84) Das utopische Modell einer "Religion of
Humanity" hätte in diesem Denken gewiß keinen
Platz.
Babbitt unternimmt dagegen den (laut Eliot) aussichtslosen Versuch,
einen Humanismus ohne religiöse Bindung zu errichten: "For
otherwise, I cannot see the significance of his doctrine of
self-control. This doctrine runs throughout his work, and sometimes
appears as the "inner check". It appears as an alternative to both
political and religious anarchy." (Ebd.) Zwar liege Babbitt
richtig, wenn er glaube, daß der Mangel an äußerer
Autorität durch Selbstdisziplin ersetzt werden müsse.
Doch ließe sich wahre Religion keineswegs als
äußere Autorität begreifen. Vielmehr appelliere sie
gerade an den inneren Menschen. Babbitts Privilegierung des
Humanismus gegenüber der Religion wird schließlich
kulturpsychologisch motiviert: "By tradition an individualist, and
jealous of the independence of individual thought, he is struggling
to make something that will be valid for the nation, the race, the
world." (S. 84/85)
Natürlich unterschlägt hier Eliot den Ursprung des
Babbittschen Humanismus: die ethische Ableitung aus dem ''common
sense'' (s.o.). Und wenn er schon kulturpsychologisch
argumentieren will, dann wäre die Sehnsucht nach
Universalität viel zwingender aus der bedrohlichen Dynamik der
Moderne abzuleiten, die Babbitt immer wieder als "flux" evoziert.
Sein Hang zu statischer Gültigkeit erscheint als Kompensation
gegen modernistische Auflösung und sicher nicht als Neurose
eines überspannten Individualisten. Zuletzt stellt sich
übrigens die Frage, ob die Religion als inneres Erlebnis und
innere Autorität nicht ihrerseits nur in wenigen Individuen
verkörpert ist; und ob sie nicht ihrerseits von einer
elitären Minorität überliefert wird, die sich
gleichfalls unendlich weit von der "race" entfernt; und
schließlich, ob das Volk sich nicht höchst unreflektiert
und mechanisch an das Ritual hält – und also unbedingt
kritische Aufklärung nötig hat? Damit aber nicht genug:
Befindet über den universellen Anspruch einer Wahrheit etwa
die Fundierung oder auch nur Fundierbarkeit dieser Wahrheit in der
Allgemeinheit? Anders gefragt: War das Allgemeine jemals Sache der
Allgemeinheit? Die religiöse Kehrtwende sowie die Legitimation
dieser Kehrtwende geht eindeutig zu Lasten kulturkritischer
Tiefenschärfe. (Übrigens nicht nur bei Eliot.)
Ein echter, d.h. sachlich begründeter Einwand gegen Babbitt
geht allerdings aus Eliots Diskussion des telos hervor.
Selbstkontrolle sei eine gute Sache. Aber wie läßt sich
diese innere Disziplin rein positiv und humanistisch rechtfertigen:
"And what, one asks, are all these millions, even these thousands,
or the remnant of a few intelligent hundreds, going to control
themselves for?" (S. 85/86, Hervorh. von Eliot.) Babbitt
proklamiere zwar die Notwendigkeit eines "enthusiasm", der den
Menschen seines "merely rational self" enthebe. "But it is not
clear that Mr. Babbitt has any other enthusiasm to offer except the
enthusiasm for being lifted out of one's merely rational self by
some enthusiasm. Indeed, if he can infect people with enthusiasm
for getting even up to the level of their rational selves, he will
accomplish a good deal." (S. 86) Eliot insistiert auf diesem Mangel
an Teleologie, weil er sich im Gegenzug auf die metaphysische
Sinnstiftung der Religion berufen kann. Natürlich gerät
dabei außer Blick, daß Babbitt seinen "inner check" vor
allem aus dem Gedanken traditioneller Bindungen herleitet, eine
Position, die Eliot ohne Zweifel teilt. Auch unternimmt Eliot nicht
ernsthaft den Versuch, etwa eine positive Metaphysik zu
formulieren, die er Babbitt entgegenstellt. Die Teleologiekritik,
die er am Humanismus übt, lenkt wohl von seiner eigenen,
wesentlich traditionsgebundenen Geste religiöser Bekehrung ab.
Dennoch wiegt der Gehalt dieser Kritik schwer. Die Fragen, die
Eliot aufwirft, verdeutlichen die Schwierigkeiten, mit denen
säkulare Modelle im 20. Jahrhundert zu kämpfen haben: Die
integrierende teleologische Denkfigur des 19. Jahrhunderts war der
Historismus; entweder in seiner zeitlich-linearen Variante des
liberalen Fortschrittsglaubens oder in seiner idealistischen
Variante im Sinne dialektisch-organischer Bewegung (Hegel, Marx).
Für Babbitt wie Eliot dagegen verbürgt Geschichte keinen
teleologischen Kontext. Sie zeitigt im Gegenteil nur Chaos und
relativierende Aussagen, die einer kulturellen Ordnung
bedürfen. Und in diesem Zusammenhang kann Eliot auf die
ordnende und bindende Kraft des klassischen Humanismus nicht
länger vertrauen: "What is the higher will to will,
if there is nothing either 'anterior, exterior or superior' to the
individual? If this will is to have anything on which to operate it
must be in relation to external objects and to objective values."
(S. 87) Eliots religiöser Ansatz enthält eine Absage an
zeitlich und immanent orientierte Vorstellungen schlechthin. Ganz
gleich, ob sie sich progressiv oder konservativ
gebärden.
Abschließend wendet sich Eliot kurz der vitalistischen
Philosophie zu, die im Begriff des Lebens selber das eigentliche
Ziel sieht. Im Anschluß an Nietzsche und Bergson glaubten
viele seiner Zeitgenossen, jenseits mechanischer Rationalität
eine ursprüngliche Kraft und Dynamik zu entdecken, deren
Ursprünglichkeit und organische Ganzheit freigelegt werden
müsse. Der élan vital könne die kulturelle
Krankheit einer Therapie zuführen, ganz nach dem Vorbild der
Psychoanalyse Freuds. Für Eliot ist auch dieser immanente
Versuch einer Sinnstiftung indiskutabel: "... if life is an act of
faith, in what is it an act of faith? The Life-Forcers, with Mr.
Bernard Shaw at their head, would say I suppose 'in life itself';
but I should not accuse Mr. Babbitt of anything so silly as that."
(S. 88) Im verabsolutierten Fluß der Zeit kann es keine
Zielsetzung geben. Wer Orientierung und Ordnung sucht,
stößt hierin nur auf Tautologien. Eliots Suche nach
einer "dependence of the human upon the divine" strebt nach einem
transzendenten Prinzip, das der Lebensbegriff nicht verbürgen
kann. Auch seine Vervollständigung durch das Unbewußte
und Primitive ändert nichts an der elementaren
Zeitgebundenheit. Demgegenüber ist für Eliot selbst das
positivistische Denken Babbitts unbedingt vorzuziehen. Dessen Hang
zu klassischer Statik, der sich ja der ungehemmten "Life-Force"
dualistisch entgegensetzt, kommt der Gemütsart Eliots sicher
entgegen. Ja er verlagert die Sehnsucht nach Einheit und Zentrum
sogar mit einem Sprung in zeitlose Transzendenz.
Die Teleologie also ist Eliots schärfste kritische Waffe,
womit er seinen ehemaligen Lehrer auf Distanz hält. Und sie
rechtfertigt zugleich seine Konversion, die einer Absage an rein
immanente Denkmodelle gleichkommt. Die Position des "orthodoxen"
Glaubens läßt sich zwar nicht erkenntnistheoretisch
rechtfertigen. Aber sie erlaubt die erkenntnistheoretische
Ablehnung des klassischen Humanismus als Religionsersatz, da sie
ihn des Relativismus überführt. Babbitts Humanismus
scheitert demnach exakt an seinem Anspruch auf Zeitlosigkeit und
Universalität. – Daran ändert auch nichts der
unscharfe Begriff der "Zivilisation", auf deren Vervollkommnung
Babbitt hofft:

... the minds of the individuals who can be said to
'have willed civilization' are minds filled with a great variety of
objects of will, according to place, time, and individual
constitution; (...) And unless by civilization you mean material
progress, cleanliness, etc. – which is not what Mr. Babbitt
means; if you mean a spiritual and intellectual coordination on a
high level, then it is doubtful whether civilization can endure
without religion, and religion without a church. (S. 88/89)

Dieses Zitat belegt noch einmal eindringlich den
orthodoxen Standpunkt Eliots und dessen teleologische
Argumentationsstrategie. Das Ergebnis seines Essays über
Babbitt lautet deshalb ganz folgerichtig: "...the humanistic point
of view is auxiliary to and dependent upon the religious point of
view." (S. 90)
Mit dem Ergebnis schließt Eliot den Aufsatz noch nicht ab. Er
muß seinen Lehrer außerordentlich geschätzt haben.
Denn der Grund, weshalb er keinen religiösen Standpunkt
einnehme, liege in einem Übermaß an Wissen: "Professor
Babbitt knows too much." Der multikulterell gebildete Gelehrte habe
zwangsläufig dem Relativismus erliegen müssen: "I mean
that he knows too many religions and philosophies, has assimilated
their spirit too thoroughly (there is probably no one in England
and America who understands early Buddhism better than he) to be
able to give himself to any. The result is humanism." (S. 91)

b) Die Essays zum Thema "Klassik"

Wie wichtig für Eliot der Telos-Gedanke ist,
zeigt bereits der erste Essay, den er explizit zum Thema "Klassik"
schreibt: "Modern Education and the Classics" (1933).(6) Der
gesellschaftliche Zustand zu Beginn des 20. Jahrhunderts wird als
chaotisch und ungeordnet empfunden. Es bestehe kein "settled and
satisfactory arrangement of society". (S. 161) Und daraus
resultiert für Eliot auch der Verfall der Erziehung, der nur
das Fehlen verbindlicher Maßstäbe widerspiegelt: "...we
must derive our theory of education from our philosophy of life.
The problem turns out to be a religious problem." (S. 161f.)
Gesellschaftliche Ordnung hängt unmittelbar mit dem
religiösen Telos zusammen, d.h. mit den "objective values"
(vgl. oben), die Eliot in der Institution der englischen
Staatskirche verkörpert sehen will. Auf diese Weise bedient
sich der Autor eines Gedankens, der von kulturkonservativen
Klassikern schon seit Ende des 18. Jahrhunderts immer wieder
bemüht wird: Die Moderne zerstört die Einheit der Polis
und der Werte. Kultur aber sei wesentlich eine durchgehende Einheit
in der Form aller Lebensäußerungen eines Volkes (so z.B.
Nietzsche in seinen "Unzeitgemäßen Betrachtungen"
(1871)). Also kann wirkliche Erziehung und Bildung erst wieder
hergestellt werden, wenn eine übergeordnete Ziel- und
Wertsetzung die Gesellschaft durchgängig bestimmt.
Man benötigt ein Äquivalent zum antiken Mythos, um die
Entzweiungen der Moderne aufzuheben. Eliot schließt sich
diesem Denken an, das im deutschen Idealismus und der deutschen
Romantik (Herder, Schelling, Hegel, Hölderlin, F. Schlegel)
verwurzelt ist. Sein mythisches Vorbild ist zwar nicht die Antike,
um so mehr aber das europäische Christentum. Und nur am Rande
sei angemerkt, daß diese konservative Denkform anfällig
für politisch radikales Ordnungsdenken wurde, wie es sich im
Faschismus und Nationalsozialismus verkörperte. (Ezra Pound,
Stefan George, Gottfried Benn u.v.a.)
Was aber hat nach Eliot das Telos außer Kraft gesetzt, die
Ordnung dezentriert und zum Verfall gebracht? Die Antwort ist
eindeutig: Materialismus, ökonomische Effizienz und Egoismus
– die "idea of getting on" (S. 162, Hervorh. v.
Eliot). Diese sei letztendlich für die "crisis of education"
(ebd.) verantwortlich. In der modernen Industriegesellschaft wird
die Erziehung als Waffe zur Erlangung einer besseren sozialen und
materiellen Position eingesetzt. Das allgemeine Bildungsrecht
jedoch relativiert ihren kulturellen Wert und drückt sie auf
das Niveau der bloßen technischen Effizienz und
Funktionalität herab. Eigentliche kulturelle Tätigkeit
verkommt zur "education for leisure". (S. 163) Dieses Konzept aber
kann niemals aufgehen. Wirkliche Aneignung von Bildung ist
mühevoll und musisch begabt sind nur wenige. Eliot knüpft
hier an den aristokratischen Humanismus Babbitts an, der auch in
seinem Fall zu einer nicht eben überschwenglichen
anthropologischen Einschätzung führt: "For deteriorate it
as you may, education is still going to demand a good deal of
drudgery. And the majority of people are incapable of enjoying
leisure (...) in any but pretty simple forms (...)." (S. 163)
Deshalb sei es insgesamt sinnvoller, die Grundschulausbildung auf
breiter Basis zu verbessern und die Zahl der Studenten im Gegenzug
drastisch zu verringern. Allerdings ist sich Eliot darüber im
klaren, daß die Bildungsvoraussetzungen im 20 Jahrhundert mit
dem Phänomen der Massenkultur konfrontiert sind: "We are well
advanced in an age of great social changes." (S. 166) Und in diesem
Kontext versucht er, den Stellenwert der Klassik zu reflektieren:
"It is against this shifting vast background, very important for my
picture, that I would set the question of the place of the classics
in modern education." (S. 166-167)
Insgesamt drei Haltungen zur neuen Bildungssituation arbeitet Eliot
im folgenden heraus: die liberale, die radikale und die orthodoxe
(liberal, radical, orthodox). Das liberale Bildungsverständnis
versucht Kultur und Wissen zu instrumentalisieren ("training of the
mind as an instrument" (S. 167)). Alle Fächer genießen
den gleichen Rang. Sie bilden in sich keinen Zusammenhang. An der
Universität schließlich kommt es zur
Überspezialisierung, wobei sich das Wissen endgültig
fragmentiert. Theorie und Praxis, Denken und Anschauung treten
einander gegenüber. Derart besitzt die Kultur weder Kontext
noch Ordnung. Der moderne Sprachlehrer ohne griechische und
lateinische Kenntnisse sei nur eine von zahlreichen Folgen. Die
marxistischen "radicals" wiederum hätten zwar ein Telos; dies
sei aber einseitig und materialistisch ausgerichtet. Auch sie
bieten keine geschlossene und einheitliche Interpretation des
Lebens an: "By 'scientific knowledge of the world about us' he
(d.h. der Marxist) does not mean understanding of life. By
scientific knowledge of ourselves he does not mean
self-knowledge." (S. 171, Hervorh. von Eliot.) Die Liberalen also
kennen kein Telos, die Radikalen streben das falsche an. Dabei
bringt Eliot der radikalen Bildungsvariante sogar eine gewisse
Sympathie entgegen. Denn sie versucht sich wenigstens an einem
einheitlichen Weltbild:

Radicalism is, however, to be applauded for wanting
something. It is to be applauded for wanting to select and
eliminate, even if it wants to select and eliminate the wrong
things. (...) And we have been too long without an ideal. It is a
commonplace nowadays that Russian communism is a religion. (S.
171)

Dieses Zitat verdeutlicht, wie sehr der Gedanke
einer kulturellen Ordnung dominiert. Die totalitäre Gestaltung
von Staat und Gesellschaft scheint religiös besetzt. Kultur
bestimmt sich immer weniger über ihren Gehalt und immer mehr
über ihre formale Einheit und Geschlossenheit. Nun wäre
es sicher unfair, den stalinistischen Terror gegen Eliot
auszuspielen. Intellektuelle Ernüchterung über das
kommunistische Gesellschaftsideal setzte in Westeuropa erst mit dem
Hitler-Stalin Pakt ein. Doch fällt auf, daß Eliot weder
die Nazis in Deutschland noch die Faschisten in Italien
erwähnt. Deren Barbarei scheint unter dem Deckmantel
konservativer nationalistischer "Ordnung" recht gut verborgen. Wie
sehr sich Eliot, Pound, Benn – alles erstklassige Lyriker
– vom Ordnungsdenken blenden ließen, zeigen Begriffe
wie "select" und "eliminate", die sich aus der Retrospektive an
ihren Autoren rächen.
Freilich schwebt Eliot kein moderner totalitärer Staat vor,
wenn er an kulturelle Erneuerung denkt. Im Kommunismus sieht er vor
allem das materialistisch-ökonomische Prinzip der Moderne
repräsentiert. Und nur im Kommunismus gewinnt diese Moderne
ideele Einheit und Gestalt. Die Säkularisierung wird hier zur
Form und Kultur. Damit wird der Kommunismus zu einem ernsten
Gegenbild, zur Gegenreligion, die sich von allen traditionalen
Bindungen radikal zu lösen versucht. Eliot beschwört
diese Dichotomie Religion/Kommunismus (Materialismus) herauf, weil
sich in ihr der allesentscheidende Kampf zwischen Tradition und
Barbarei vollzieht. Und erst im Spannungsfeld dieser Mächte
wird der Stellenwert einer klassischen Haltung deutlich:

There are two and only two finally tenable
hypotheses about life: the Catholic and the materialistic. The
defence of the study of the classical languages must ultimately
rest upon their association with the former, as must the defence of
the primacy of the contemplative over the active life. (S. 172)

Angesichts dieser Konstellation vermag auch der
philosophische Humanismus keinen Schutz zu gewähren. Der
Totalität und Geschlossenheit der heraufziehenden
materialistischen Kultur muß die Totalität und
Geschlossenheit des religiösen Standpunkts entgegengesetzt
werden:

It is high time that the defence of the classics
should be dissociated from objects which, however excellent under
certain conditions and in a certain environment, are of only
relative importance – a traditional public-school system, a
traditional university system, a decaying social order – and
permanently associated where they belong, with something permanent:
the historical Christian Faith. (S. 172)

Unter dem Druck der Dichotomie gelangt Eliot zu
seiner "orthodoxen" Position. Das liberale Gesellschaftssystem
bleibt für Eliot halbherzig in der allgemeinen
Säkularisierung stecken. In seiner Unentschiedenheit und
Fragmentierung kann es noch nicht einmal mit der materialistischen
Kulturstufe des Kommunismus konkurrieren: "As only the Catholic and
the Communist know, all education must be ultimately
religious education. (...) The universities are too far gone in
secularization, they have too long lost any fundamental assumption
as to what education is for, and they are too big." (S.
173, Hervorh. v. Eliot.) Hier schließt sich der Kreis der
Argumentation, indem sie auf ihren Ausgangspunkt zurückgreift:
die Teleologie.
Ich denke, daß der Argumentationszusammenhang
berücksichtigt werden muß, wenn radikale
Äußerungen dieses Autors allzu eilfertig politisiert
werden – auch wenn das Unpolitische zweifellos politische
Implikationen aufweist (wie oben kurz angesprochen). Eliot sieht
nichts geringeres als den Stand der abendländischen Kultur
bedroht. Forderungen nach "monastic teaching orders" (S. 174)
verlieren demgegenüber ihre "reaktionäre" Aura. Wie ernst
ihn dieser drohende Kulturverlust beschäftigt, verdeutlichen
Bemerkungen wie diese: "If Christianity is not to survive, I shall
not mind if the texts of the Latin and Greec languages become more
obscure and forgotten than those of the language of the Etruscans."
(Ebd.)

---

In "The Classics and the Man of Letters" (1942) (7)
wendet sich Eliot der Literatur und ihrer Geschichte zu. Er
beteuert, daß er nicht in der Rolle des Poeten, Dramatikers
oder Kritikers auftrete, sondern ausschließlich als "man of
letters": "...I present the defence of the classics merely from the
point of view of the man of letters (...)." (S. 146) – Der
"Man of Letters" nimmt von vornherein eine unromantische Haltung
zur Geschichte der Literatur ein. Er ist nicht primär an den
genialen Einzelleistungen großer Dichter ("succession of
great writers") interessiert. Er betont vielmehr den Aspekt eines
"significant whole in itself". (Ebd.) Die Konzentration auf die
Großen verstellt nach Eliot den Blick auf die allgemeinen
Evolutionsbedingungen, deren Kontext die Essenz einer spezifischen
Nationalliteratur bildet. Der organische Zusammenhang dieses
Prozesses ermöglicht überhaupt erst die Einordnung der
Genies und nicht zuletzt die kritische Distanz, die auch ihnen
entgegengebracht werden muß: "The life of a man of genius,
viewed in relation to his writing, comes to take a pattern of
inevitability, and even his disabilities will seem to have stood
him in good stead." (S. 147) Worauf es Eliot demnach ankommt, ist
die Vermeidung kritischer Halbwahrheiten. Entscheidend sei der
"imaginative grasp of a national literature as a whole."
(Ebd.)
Die Vorstellung einer kontinuierlichen, ganzen, in sich
geschlossenen Tradition ist ein wohlbekannter Gedanke schon des
frühen Eliot. Anders als in "Tradition and the Individual
Talent" rückt hier allerdings nicht so sehr die Funktion des
innovativen Kunstwerks und die Arbeitsweise des impersonalen
Künstlers in den Vordergrund. Es scheint, als betone Eliot
stärker die Geschlossenheit der Tradition, die Tradition als
Entität schlechthin. Was er in der Folge bietet, ist im Grunde
eine interne Analyse des "historical sense". Dies ist meines
Erachtens eine wichtige Akzentverschiebung, die der
literarhistorischen Perspektive des "Man of Letters" zugrunde
liegt. Kontinuität wird zum entscheidenden Kriterium
für literarische Größe:

... unless I can suggest to your minds that a great
literature is more than the sum of a number of great writers, that
it has a character of its own, much of my contention will be
misunderstood. It is because I do not want to concentrate your
attention upon the man of genius that I have used the term "man of
letters". This includes men of the second or third, or lower ranks
as well as the greatest; and these secondary writers provide
collectively, and individually in varying degrees, an important
part of the environment of the great writer as well as his first
audience, his first appreciators, his first critical correctors
– and perhaps his first detractors. The continuity of
literature is essential to its greatness; it is very largely the
function of secondary writers to preserve this continuity, and to
provide a body of writings which is not necesserily read by
posterity, but which plays a great part in forming the link between
those writers who continue to be read. This continuity is largely
unconscious, and only visible in historical retrospect (...). (S.
147)

Mit Sätzen wie "The continuity of literature
is essential to its greatness" etabliert Eliot sein
Selbstverständnis als Traditionalist und Klassiker. Allerdings
hat die Behandlung der Literaturgeschichte als essentielle Einheit
auch einen methodologischen Grund: Die Kontinuität wird
natürlich erst in der Retrospektive bewußt. Die
Gegenwart ist weitgehend unbewußte Historie. Unterderhand
freilich stellt Eliot mit der "Continuity" ein
Abhängigkeitsverhältnis der Gegenwart zur Vergangenheit
her. Radikale Brüche mit der Tradition kann sein Modell nicht
ernsthaft reflektieren, es sei denn negativ; d.h. unter
dem Vorzeichen der Barbarei, des Bruchs mit der "greatness" von
Literatur überhaupt. Denn die Größe der Literatur
hängt unaufhebbar vom Theorem der Kontinuität ab.
Revolution und Innovation sind schließlich ja selber nur
Momente innerhalb der historischen Kontinuität; mehr
noch: die Kontinuität macht sie allererst sichtbar: "...we can
see that, among the great, even some of the most formal and correct
have been also innovators and even rebels, and that even some of
the most revolutionary have carried on the work of those from whose
influence they rebelled." (S. 147) Somit gibt es keinen Standpunkt
außerhalb der Tradition und Kontinuität. Ob die
modernistische Revolution der englischen Literatur, zu der Eliot
nicht unwesentlich beigetragen hat, mit diesem Modell beschreibbar
ist, lasse ich dahingestellt. Auch stellt sich die Frage, ob nicht
der Gedanke radikaler und irreversibler Veränderung die
Bewußtseinslage des Menschen im 20. Jahrhundert mehr bestimmt
als je zuvor. Insofern wäre Eliots Traditionsbegriff als eine
Gegenbewegung zur traditionsauflösenden Dynamik der Moderne
aufzufassen: "...there are those who want so new a world that they
even welcome the prospect of a breach of continuity." (S. 160)
Babbitts Gegensatz zwischen Statik und Dynamik kehrt bei Eliot als
Gegensatz zwischen Kontinuität und Traditionsverlust
wieder.
Jedenfalls hat sich Eliot vorerst die radikal diskontinuierliche
Gegenwart argumentativ vom Hals geschafft. Sein Diskurs wendet sich
dem durch den Rückblick herauspräparierten
Traditionsbegriff zu. Da die römische und griechische
Literatur die Fundamente der unity und continuity gelegt haben, ist
klar, daß die Klassik als Entréebillet in die
literarische Kultur Europas anzusehen ist. Die klassische Bildung
mache überdies einen "type of education" (S. 148) sichtbar,
der wesentlich Kontinuität stiftet und selbst so heterogene
Geister wie Milton und Shakespeare gleichermaßen
charakterisiert: "Shalespeare's education, what he had of it,
belongs in the same tradition as that of Milton: it was essentially
a classical education." (Ebd.) Die etwas herablassende Behandlung
Shakespeares ist natürlich ein Seitenhieb gegen die
Romantiker, die ihn erst für die Moderne wiederentdeckten. Die
klassischen "standards" und "values" jedenfalls habe er gehabt:
"The standards and the values were there; and Shakespeare himself
had the ability, which is not native to everyone, to extract the
utmost possible from translations." (S. 149) Überdies, so
Eliot, enthalte die englische Sprache selber ihre "racial strains":
"...Greek for three hundred years, and Latin for longer than that,
have gone to its formation." (S, 149) Nicht zuletzt auch hat die
klassische Antike die allgemeine Basis für die "Man of
Letters" gelegt, die wesentlich die Kontinuität einer
Literatur gewährleisten: "This common basis of education has,
I believe, had a great part in giving English letters of the past
that unity which gives us the right to say that we have not only
produced a succession of great writers, but a literature, and a
literature which is a distinguished part of a recognizable entity
called European Literature." (S. 150) Kontinuität und
Tradition, standards and values, eine gemeinsame Basis und ein
allgemeiner Bildungstyp, schließlich die Literatur als
spezifische Entität – dieses Begriffsfeld beschreibt die
klassische Position Eliots.
Im zweiten Teil seiner Rede beschreibt Eliot die gravierenden
Folgen, die aus einem Bruch mit der klassischen Grundlage der
Kultur hervorgehen. Dieser Bruch wäre gleichbedeutend mit
einem Übergang in eine völlig neue Sprache ("transition
from an old language to a new one" (S. 151)). Die neue Literatur
wäre gänzlich von der alten getrennt. Die mittlere
Schicht literarischer Entwicklung, die für die
Kontinuität lebensnotwendigen "Man of Letters", die kritischen
Standards der Literaturkritik und der gemeinsame
Bildungshintergrund würden mehr und mehr verschwinden. Die
Schriftsteller selber würden sich diese erleichterten
Arbeitsbedingungen opportunistisch oder unbewußt zunutze
machen. Das Publikum spalte sich in Konservative, die blind
für das Neue und fanatische Progressive, die blind für
das Alte seien. Der Schwund verbindlicher klassischer Standards
ende schließlich im isoliert produzierenden Autor und im
isoliert rezipierenden Leser. "Social disintegration" und "critical
decay" beschreibe die Situation am besten. – Natürlich
betreibt hier Eliot weitgehend Gegenwartsanalyse und reflektiert
die zunehmende Verflachung, Kommerzialisierung und Politisierung
von Literatur. Die Schlußfolgerung kann für Eliot nur
lauten, daß geradezu das Überleben der englischen
Literatur von den klassischen Standards abhängt (S. 158f.).
Hier beschwört Eliot wie 1933 eine Dichotomie; diesmal
zwischen "civilization" und "barbarism". Einzig die klassische
Bildung kann dem Kulturverfall entgegentreten. Als großer
Gegner erscheint jetzt nicht mehr der Kommunismus, sondern die
fragmentierende und relativierende Moderne, die sich im 20.
Jahrhundert mit orientieriungslosem Materialismus verbindet. Eine
neue Einheit, so Eliot, kann jedoch nur aus den alten Wurzeln
hervorgehen, und es besteht ein dringender Bedarf an "cultural
unification in diversity of Europe", den einzig der "Christian
Faith" und die "classical languages" zu decken vermögen. (S.
160)
Interessant ist Eliots Klassizismus auch in jenen Elementen, die er
verschweigt. Das Bemühen um "Standards" verdrängt die
positivistische Beschreibung moderner Dynamik, die etwa Babbitt mit
seiner Evokation des "flux" so ausgiebig präsentiert.
Während der Dichter Eliot die explosive, alles relativierende
Energie seiner Gegenwart mit modernistischen Verfahren radikal zur
Darstellung bringt, gefällt sich der Kulturkritiker Eliot in
konservativer Rhetorik. Die destruktive Macht moderner
kinesis bildet allerdings den bedrohlichen Hintergrund
für Eliots traditionale Gesten. So reflektieren die
klassischen Standards des "Man of Letters" z.B. die immer
schnellere und immer massenhaftere Produktion von Literatur im
Zeitalter ihrer technischen Reproduzierbarkeit:

...one function of criticism is to act as a kind of
cog regulating the rate of change of literary taste. When the cog
sticks, and reviewers remain fast in the taste of a previous
generation, the machine needs to be ruthlessly dismantled and
reassembled; when it slips, and the reviewer accepts novelty as a
sufficient criterion of excellence, the machine needs to be stopped
and tightened up. The effect of either fault in the machine is to
cause a division between those who see no good in anything that is
new, and those who see no good in anything else: the antiquation of
the old, and the eccentricity and even charlatanism of the new, are
both thereby accelerated. (S. 152)

Offensichtlich reguliert der durch klassizistische
Vorgaben geschulte Kritiker die Geschwindigkeitsrate literarischer
Rezeption auf eine mittlere Größe. Die Continuity
richtet sich hier gegen die Gefahr einer kommerzialisierten
Überproduktion und gegen die Begrenzung ernsthafter Literatur
auf eine esoterische Minderheit. Zu letzterem freilich hat Eliot
nicht unwesentlich selber beigetragen. Seine Dichtung reflektiert
bereits den Tatbestand der Massenliteratur ex negativo.

---

Eliot hat sich 1944 noch einmal explizit zum Thema
Klassik geäußert. In "What is a Classic?" (8) versucht
er eine inhaltliche Bestimmung des Begriffs zu bilden. Die
Problematik des Telos, aber auch so entscheidende Terme wie
"continuity" und "tradition" werden hier nicht mehr breit
entwickelt. Gleich eingangs bemerkt Eliot, daß er auch
keineswegs an die "antithesis between classic and romantic" (S.
115) anknüpfen wolle. Diese Kontroverse gehört für
ihn zur "literary politics" (ebd.), deren Polemik nach einem festen
Muster verläuft: je nach Parteizugehörigkeit erscheint
die Klassik entweder als "perfection of form" oder als sterile
"frigidity". (S. 116) Eliot dagegen strebt jenseits solcher
Verkürzungen eine Untersuchung der spezifischen Qualität
des Klassikers an. Und seine These lautet: "If there is one word on
which we can fix, which will suggest the maximum of what I mean by
the term "a classic", it is the word maturity." (Ebd,
Hervorh. von Eliot.)
Sogleich weist Eliot auf die Schwierigkeiten einer Definition
dieser "Maturity" hin. Nur der reife Mensch begreife die Reife. Dem
unreifen kann sie nicht verständlich gemacht werden.
Angesichts dieses Zirkels greift er auf den Common Sense und die
positivistische Methode seines Lehrers Babbitt zurück: "... if
we are mature we either recognize maturity immediately, or come to
know it on more intimate acquaintance." (S. 117) Diese
"acquaintance" nun steht in engem Zusammenhang mit dem Gefühl
für Tradition und kontinuierliche Entwicklung, d.h. mit dem
"historical sense", womit Eliot natürlich seine früheren
Äußerungen zur Klassik voraussetzt: "... even a less
developed reader can perceive the rapid developement of Elizabethan
literature and drama as a whole, from early Tudor crudity to the
plays of Shakespeare, and perceive a decline in the work of
Shakespeare's successors." (Ebd.) Ein reifes Urteil also ist
gleichbedeutend mit der Fähigkeit, den Prozeß
literarischer Entwicklung wahrzunehmen und diese Wahrnehmung auf
einzelne Phänomene sicher anzuwenden: "A mature literature,
therefore, has a history behind it: a history, that is not merely a
chronicle, an accumulation of manuscripts and writings of this kind
and that, but an ordered though unconscious progress of a language
to realize its own potentialities within its own limitations."
(Ebd.) Erneut dominiert damit die Vorstellung eines organischen
Prozesses den Traditionsbegriff Eliots.
Demzufolge können klassische Qualitäten in ihrer ganzen
Vielfalt wahrgenommen werden. Sie müssen nicht immer
zeitgleich auftreten. Der Schriftsteller mit klassischer Begabung,
die "maturity of mind", die "maturity of manners" sowie die
"maturity of language" sind Aspekte, die selten in einer Epoche
konvergieren. (S. 121) Der literarhistorisch geschulte Blick
müsse sie häufig erst in der Entwicklung einer
Nationalliteratur zusammensuchen. Im Grunde gebe es in Europa nur
einen wirklichen Klassiker, dessen individuelle Leistung mit einem
optimalen kulturellen und sprachlichen Bildungshintergrund
glücklich zusammenfalle: Vergil. England z.B. habe trotz des
Augestean Age und Pope nichts Vergleichbares dagegenzusetzen.
Vergil nämlich schrieb unter kulturellen Vorzeichen, die
vielleicht am besten das klassische Klima befördern. Eliot
nennt sie "common style" und "community of taste" (S. 118f.) Sie
sind die unabdingbaren Prämissen für klassische
Literatur. Und mit dieser Wendung kommt erneut die klassisch
inspirierte Kulturkritik zum Tragen. Einzig eine geordnete
harmonische Gesellschaft mit klarem Telos ist der Garant für
reife Kunst: "... the age in which we find a common style, will be
an age when society has achieved a moment of order and stability,
of equilibrium and harmony; as the age which manifests the greatest
extremes of individual style will be an age of immaturity or an age
of senility." (S. 119) Die Gegenwart erscheint also Eliot zum einen
als ungeordnet und labil; zum andern krankt sie auch an ihrem
Übermaß historischen Wissens, das in epigonaler
Kulturmüdigkeit Ausdruck findet. So lautet die
(unausgesprochene) Schlußfolgerung.
Über den Zerfall der Polis und dem Verlust des Telos hinaus
macht Eliot in "What is a Classic?" neue Aspekte geltend: zum einen
den der epigonalen Erschöpfung und Sterilität –
womit er meines Erachtens deutlich an Nietzsche ("Vom Nutzen und
Nachteil der Historie für das Leben" (1874)) anknüpft;
zum andern befördert die "senile" bzw. "exzentrische" Kunst
das Ende des historischen Sinns schlechthin. Denn in der Moderne
wird die Weisheit vom Wissen und das Wissen schließlich von
der Information abgelöst:

In our age, when men seem more than ever prone to
confuse wisdom with knowledge, and knowledge with information, and
to try to solve problems of life in terms of engineering, there is
coming into existence a new kind of provincialism, not of space,
but of time; one for which history is merely the chronicle of human
devices which have served their turn and been scrapped, one for
which the world is the property solely of the living, a property in
which the dead hold no shares. (S. 130)

Ein mechanistisches Geschichtsverständnis nach
Vorbild der Naturwissenschaften entsteht. Das Neue löscht das
Alte vollständig aus. Die kulturellen Leistungen der Tradition
verkümmern zur anekdotenhaften Erinnerung an Verfahren, die
als überholt gelten. "Tradition" und "Individual Talent"
treten auseinander und verlieren jene "Continuity", die für
Eliot der Inbegriff von Literatur und Kultur darstellt. "Maturity"
und "Klassik" sind letztlich nur andere Ausdrücke für die
Konzeption einer organischen und offenen Entwicklung, die der
frühe Eliot bereits ausgiebig beschrieben hat.

3. T.E. Hulme (1883-1917)

"Romanticism and Classicism" (1913-14) (9)

a) Kulturkritik und Geschichtsbild

Hulme eröffnet seinen Essay mit der
Ankündigung eines neuen klassischen Zeitalters. "After a
hundred years of romanticism" werde jetzt die "fancy"
gegenüber der "imagination" wieder aufgewertet. (S. 113) Somit
macht er sich zweierlei als Einstieg in seine Argumentation
zunutze: Erstens die Klassik-Romantik-Kontroverse; und zweitens
jenes besonders von Coleridge ins Bewußtsein gerückte
Begriffspaar "fancy" und "imagination", das der Antithese
Klassik/Romantik strukturell zugeordnet wird. Dabei umgeht Hulme
allerdings langwierige historische Explikationen der
Begriffsgeschichte, wie sie etwa Babbitt säuberlich
durchgeführt hat. Ursprünglich seien fancy und
imagination keine Gegensätze gewesen. Erst die deutschen
Ästhetiker des 18. Jahrhunderts hätten diese
Differenzierung eingeführt. Mit solch spärlichen
Hinweisen wird die historische Perspektive recht schnell aus dem
Text ausgeblendet. "Fancy" bedeutet für Hulme zunächst
nur eine stärkere Betonung des Handwerks und der formalen
Technik von Kunst. Der Begriff ist wesentlich ein Ausdruck für
artistische Disziplin, eine produktionsästhetische Kategorie
also, die den klassischen Künstlertypus charakterisieren soll.
Disziplin und Selbstkontrolle sowie besonnene Berücksichtigung
traditioneller Vorgaben sind die Ausgangspunkte und Eckdaten aller
hier vorgestellten Autoren.
Ein weiterer gemeinsamer Aspekt ist ebenfalls unübersehbar:
die skeptische bis pessimistische Anthropologie, die bei Hulme ganz
offen als kulturelle und künstlerische Haltung diskutiert
wird. Der neue Klassiker ist deshalb konservativ, weil er sich die
menschliche Beschränktheit vor Augen hält. Ihm erscheint
sie als Konstante, die weder in der säkularisierten Geschichte
noch in der Metaphysik des Unendlichen Erlösung finden kann.
Der Romantiker hingegen glaubt grundsätzlich an die
Veränderbarkeit und Vervollkommnung, d.h. an das utopische
Potential der Menschheit. Aus Sicht der neuklassischen
Kulturkritiker versteigt er sich in nicht realisierbare Illusionen.
Diese anthropologische Ausgangsposition arbeitet Hulme streng
dualistisch heraus:

Put shortly, these are the two views, then. One,
that man is intrinsically good, spoilt by circumstance; and the
other that he is intrinsically limited, but disciplined by order
and tradition to something fairly decent. To the one party man's
nature is like a well, to the other like a bucket. The view which
regards man as a well, a reservoir full of possibilities, I call
the romantic; the one which regards him as a very finite and fixed
creature, I call the classical. (S. 117)

Die anthropologisch konstante Ausgangslage erweist
sich für den klassischen Kulturkritiker (wie immer) als
außerordentlich fruchtbar. Soziologische und ökonomische
Kräfte, d.h. im Grunde die gesamte materielle
Betrachtungsweise, wird elegant aus der Historie entfernt. Dadurch,
daß die "circumstances" keinerlei Einfluß auf die
statisch gedachte Anthropologie nehmen können, wird Geschichte
entmaterialisiert. Für Hulme wird sie konsequent zur
Ideengeschichte. Und die geschichtsbewegenden Ideen
spiegeln sich in der "Tradition" wieder, deren ordnende und
disziplinierende Funktion eine direkte Antwort auf die
konstante Begrenztheit des Menschen darstellt: "It is only by
tradition and organisation that anything decent can be got out of
him." (S. 116)
Hulme legt also kein dynamisches Modell vor, das Geschichte und
Entwicklung zu reflektieren vermag. Gesellschaftliche Ordnung und
anthropologische Konstanz bleiben funktional aufeinander bezogen.
Sie sind die bestimmenden Kräfte der Tradition, jenseits aller
äußeren Bewegung und Mannigfaltigkeit. Doch Hulme
beabsichtigt mit seinem homogenen Begriff traditionaler
Gesellschaften etwas anderes: Er will vor allem den Bruch mit der
Tradition aufzeigen. Er will die Moderne seit der
Französischen Revolution als illusionären romantischen
Abfall von Ordnung und Konstanz darstellen. Die Gegenwart erscheint
als zutiefst chaotisch und ordnungsbedürftig. Die Idee der
Freiheit, das wesentliche Moment der Französischen Revolution,
sei nur negativ besetzt, so Hulme. Sie muß der Einsicht in
die Notwendigkeit weichen – seit Hegel übrigens ein
Standardeinwand gegen die Romantik. Der Kardinalfehler liberalen
Denkens beruht auf einer falschen Anthropologie, für die
Rousseau verantwortlich zu machen ist. Die chaotische Gegenwart
verdankt sich also keineswegs einer expandierenden industriellen
Entwicklung, sondern einem ideellen Irrtum:

They had been taught by Rousseau that man was by
nature good, that it was only bad laws and customs that had
suppressed him. Remove all these and the infinite possibilities of
man would have a chance. This is what made them think that
something positive could come out of disorder, this is what created
the religious enthusiasm. Here is the root of all romanticism: that
man, the individual, is an infinite reservoir of possibilities; and
if you can so rearrange society by the destruction of oppressive
order then these possibilities will have a chance and you will get
Progress. (S. 116)

Die kulturkritische Diagnose erschöpft sich
auch hier im Ordnungsdenken. Da es anthropologisch fundiert wird,
kann sich modernes Denken nur bei Strafe großer Illusionen
darüber hinwegsetzen.
Das klassische Denken zu Beginn des 20 Jahrhunderts interpretiert
also den Menschen stereotyp als ein Lebewesen, das diszipliniert
werden muß. Ähnlich Eliot sieht Hulme die geistige
Disziplinierung für das Volk vor allem in der Religion
gewährleistet. Die Erbsünde ist für ihn ein "sane
classical dogma" (S. 117), da sie mit der pessimistischen
Anthropologie übereinstimmt. Der klassische Standpunkt sei
"absolutely identical with the normal religious attitude." (Ebd.)
Aus traditioneller Sicht gehöre der Glaube an Gott zur "fixed
nature" des Menschen; so gut wie der Glaube an die Existenz der
Materie und der objektiven Welt. (S. 117f.) In der lebendigen
Tradition sind diese geistigen Prämissen kein
Reflexionsprodukt, sondern "instinct": "It is parallel to appetite,
the instinct of sex, and all the other fixed qualities." (S. 118)
In der Moderne nun wird diese "fixed nature" dezentriert. Der
Verlust metaphysischer Orientierung wird durch romantisierende
Verweltlichung kompensiert: "The instincts that find their right
and proper outlet in religion must come out in some other way. You
don't believe in a God, so you begin to believe that man is a god.
You don't believe in Heaven, so you begin to believe in a heaven on
earth. In other words you get romanticism." (Ebd.) Damit beschreibt
Hulme die Tendenz der Moderne, religiöse Heilserwartungen zu
säkularisieren. Wichtiger scheint aber von Anfang an ein
anderer Aspekt: Die Erfahrung und Wahrnehmung des modernen Menschen
verlieren an Klarheit und Schärfe. Die Konturen verschwimmen
impressionistisch in der romantischen Kategorie des Unendlichen:
"The concepts that are right and proper in their own sphere are
spread over, and so mess up, falsify and blur the clear outlines of
human experience. It is like pouring a pot of treacle over the
dinner table. Romanticism then, and this is the best definition I
can give of it, is spilt religion." (S. 118) Die Beschreibung der
modernen Subjektivität und Säkularisierung führt
somit auch bei Hulme zur Metaphorik des Fließens und
Zerfließens. Besonders dort, wo sich Hulme der Ästhetik
zuwendet, tritt die Wasser-Bildlichkeit deutlich in den
Vordergrund.
Dies wird schon bei der vielleicht wichtigsten Konsequenz, die
Hulme aus seiner Kulturkritik zieht, sichtbar. Der Romantiker endet
zwangsläufig in Melancholie, da seine Vorstellungen allemal an
der dezidiert unromantischen und konstanten Anthropologie
scheitern. Er fällt seiner selbsterschaffenen Kategorie des
Unendlichen zum Opfer: "The romantic, because he thinks man
infinite, must always be talking about the infinite; and as there
is always the bitter contrast between what you think you ought to
be able to do and what man actually can, it always tends, in its
later stages at any rate, to be gloomy." (S. 119) Die Romantik
endet beim "infinite nothing" (S. 120) Über die unvermeidliche
Desillusionierung hinaus hat die Kategorie des Unendlichen freilich
auch ästhetische Konsequenzen: "You are unable to admit the
existence of beauty without the infinite being in some way or
another dragged in." (S. 128) Das Resultat sei eine "bad metaphysic
of art”. (Ebd.) Was Hulme darunter versteht, zeigt das
exemplarische Zitat aus Ruskins "Modern Painters" (1843f.), das er
als Beleg anführt: "There is in every word set down by the
imaginative mind an awful undercurrent of meaning", so Ruskin. (S.
129) Diese Bedeutung sei häufig obskur und undeutlich. Der
imaginative Schriftsteller "may have been impatient of detailed
interpretation"; doch selbst wenn er bei dieser obskuren Bedeutung
verweile, werde sie in jedem Fall zur "metropolis of the soul's
dominion" (S. 129) zurückführen. Gegen diese Vorstellung
einer instinktsicheren Imagination wendet sich Hulme ganz
entschieden. Mit einem "fixed principle" im Rücken glaubt die
romantische Dichtung, daß sie selbst der Klarheit und
Präzision des Ausdrucks entbehren kann. Sie gefällt sich
in ihrer unklaren metaphysischen "seriousness" (S. 128): "Here is
the last refuge of this romantic attitude. It proves itself to be
not an attitude but a deduction from a fixed principle of the
cosmos." (S. 130) – Die Ausgangslage für die
ästhetische Diskussion ist damit geschaffen: "fixed
principles" der Metaphysik sind untauglich, um den "awful
undercurrent of meaning" künstlerisch darzustellen. Ein
dynamisches Konzept ist erforderlich, um den "current" aus dem
obskuren Halbschatten der Romantik herauszuführen. Klarheit
und Deutlichkeit, die "precision" des Ausdrucks wird angestrebt.
Hulme orientiert sich dabei an der Philosophie Henri Bergsons,
dessen oberstes Anliegen gleichfalls die Suche nach einer neuen
"Präzision" (10) war. Es ist bekannt, wie wichtig dieser
Begriff für den Imagismus (Ezra Pound) und die
Dichtungstheorie vor allem Eliots im Anschluß an Hulme
wurde.

b) Die neue Ästhetik

Den Übergang vom kulturkritischen zum
ästhetischen Diskurs bildet die Vorstellung organischer
Entwicklung: "A particular convention or attitude in art has a
strict analogy to the phenomena of organic life." (S. 121) Für
Hulme steht unwiderruflich fest, daß die Romantik in der
"period of exhaustion" (S. 122) sei. Das bedeutet für die
Kunst der Gegenwart, daß sie die zur Konvention erstarrte
Sprache und Form einer absterbenden Vergangenheit radikal
verabschieden muß. Damit propagiert Hulme (unabhängig
vom Russischen Formalismus) die Entautomatisierung eingeschliffener
künstlerischer Verfahren und Wahrnehmungen:

There are then two things to distinguish, first the
particular faculty of mind to see things as they really are, and
apart from the conventional ways in which you have been trained to
see them. This is itself rare enough in all consciousness. Second,
the concentrated state of mind, the grip over oneself which is
necessary in the actual expression of what one sees. To prevent one
falling into the conventional curves of ingrained technique, to
hold on through infinite detail to the exact curve you want.
Wherever you get this sincerity, you get the fundamental quality of
good art without dragging in infinite or serious. (S. 133)

Hier liegt in nuce Hulmes ästhetisches
Programm vor. "To see things as they really are" bedeutet, den
Blick für die Begrenzung von Welt und Mensch festzuhalten, die
klassische Optik, die nüchtern die Endlichkeit in ihr Visier
nimmt. Diese Optik paart sich beim wirklichen Künstler mit der
Tugend der Selbstdisziplin ("the grip over oneself"), die allererst
den selbständigen und unkonventionellen Ausdruck
ermöglicht. "Fancy" ist beim Klassiker also keine
formalistische Nachahmung. Sie ist im Grunde Ausdruck für die
notwendige Selbstbeherrschung, die künstlerische Freiheit
verwirklicht, bindet, legitimiert. "The exact curve you want"
erfordert diese Nüchternheit und Beherrschtheit, die
unendliche Details zu organisieren hat. Allein die
künstlerische Besonnenheit verhindert den Rückfall in
romantische Bequemlichkeit und Vagheit ("ingrained technique",
"conventional curves"). Hulme beendet schließlich seine
Programmatik mit dem Bekenntnis zu einer neuen, dezidiert
unromantischen "sincerity", die wohl im Sinne der disziplinierten
und unpersönlichen Leistung des Künstlers zu
interpretieren ist. Denn einen Absatz weiter bestätigt Hulme,
daß die "excellence" von Dichtung "has nothing to do with
infinity, with mystery or with emotions." (Ebd.) Hulme wird in der
Folge nicht müde, die Charakteristika seiner klassizistischen
Ästhetik zu beschreiben. Sie stehen allesamt im Zeichen der
"Präzision": "I prophesy that a period of dry, hard, classical
verse is coming." (S. 133) Die neue Poesie sei keine "counter
language, but a visual concrete one." (S. 134)
Entscheidend für diese visuelle Präzision wird
abschließend der Begriff der "Intuition", den Hulme der
Philosophie Bergsons entlehnt. In "Romanticism and Classicism"
allerdings wird er nur ansatzweise entwickelt: Hulme unterscheidet
zwischen mechanischer und organischer Komplexität. Erstere ist
analysierbar, weil sie nicht mehr als die Summe ihrer Teile
darstellt. Letztere dagegen ist vom Intellekt nicht
vollständig verstehbar. Die Teile haben ihre Identität
nur innerhalb des Ganzen. Alle Teile stehen miteinander in
Wechselwirkung. Ganzes und Teil sind untrennbar aufeinander
bezogen. Mittel- und Zweckrelationen sind umkehrbar. Auf
undurchschaubare Art repräsentiert der Teil das Ganze, das
Ganze den Teil. Diese organische Komplexität nun sieht Hulme
(mit Bergson) im Kunstwerk verkörpert. Der rein mechanische
und analysierende Intellekt gerät in den Gegensatz zu einer
organisch-vitalistisch gedachten Kunst: "The intellect always
analyses – when there is a synthesis it is baffled. That is
why the artist's work seems mysterious. The intellect can't
represent it". (S. 139) Die organische Komplexität der Kunst
kann letztendlich nur von der Intuition erfaßt werden. Die
Berufung auf Bergson wird an dieser Stelle deutlich
ausgesprochen:

Now this is all worked out in Bergson, the central
feature of his whole Philosophy. It is all based on the clear
conception of these vital complexities which he calls "intensive"
as opposed to the other kind which he calls "extensive", and the
recognition of the fact that the intellect can only deal with the
extensive multiplicity. To deal with the intensive you must use
intuition. (S. 139)

Wie diese Unterscheidung allerdings die angestrebte
visuelle Präzision konkret beschreiben und befördern
soll, bleibt vorerst unklar. Durch ihre Abgrenzung vom mechanischen
Intellekt ist die Intuition natürlich nicht ohne weiteres
analysierbar. Hulme bemüht sich jedoch, im unmittelbar
folgenden Essay "Bergson's Theory of Art" (11) die ästhetische
Funktion seines intuitionistischen Ansatzes zu
erläutern.
Dabei ist von vornherein eine merkwürdige Eigenart des
Hulmeschen Klassizismus festzustellen. Babbitt wandte sich
entschieden gerade gegen die Philosophie Bergsons, weil sie
für ihn den modernen "flux" aller Dinge repräsentiert;
d.h. die für den Klassiker unerträgliche Vorstellung des
Fließens aller Dinge, dem sich die Form und Proportion des
Kunstwerks in seiner Zeitlosigkeit entgegenwirft. In diesem
Streben, der Verzeitlichung zu entgehen, folgte Babbitt auch sein
Schüler Eliot. Wie oben dargestellt, nimmt es bei ihm die Form
eines religiösen und transzendenten Telos an. Wie kommt nun
Hulme dazu, seinen "Klassizismus" ausgerechnet auf das fluide
Modell Bergsons zu gründen? Zum Teil erklärt sich das
sicher daraus, daß er sich an der Form organischer
Einheit orientiert – und weniger an dem bedrohlichen
Fluß aller Dinge. Damit rückt seine intuitionistische
"fancy" verdächtig in die Nähe der romantischen
Imagination, wie sie Coleridge vertreten hat. (12) Zudem
beschränkt sich Hulme wesentlich auf die Erfassung des
Augenblicks, der ästhetisch präzise zu isolieren ist. Er
tendiert also nicht zum totalen Werkganzen und reflektiert eine
lyrische "Ästhetik der Plötzlichkeit" (K.-H. Bohrer).
Drama und Epos klammert er aus seinen Überlegungen weitgehend
aus. Damit entfällt für ihn das wesentliche Problem einer
jeden Interpretation des Seins als permanentes Fließen: die
Frage nach dem Telos. Die produktionsästhetische Obsession der
"Precision", die mit klassischem Ethos aufgeladen wird sowie die
lyrische Interessenlage drängen dieses Problem thematisch ins
Abseits. – Gelöst ist es damit allerdings nicht.
Daraus wird aber verständlich, daß die Wasser-Metaphorik
nicht in der Rolle der Opposition zur klassischen Ästhetik
auftritt. Ihre Voraussetzung ist geradezu das Axiom Bergsons,
wonach die Realität "as a flux of interpenetrated elements
unseizable by the intellect" (S. 146) interpretiert werden
muß. Intuition bedeutet bei Bergson soviel wie ein Eintauchen
in die wesentlich organische Zeitdauer, die nicht mechanisch
zerlegt, sondern nur unmittelbar erfahren und erlebt werden kann:
als ein untrennbares Kontinuum. Das mechanische
Zeitverständnis, daß die Kontinuität in
Vergangenheit und Zukunft zerstückelt, resultiert aus der
grundsätzlichen Handlungsorientiertheit des Intellekts. Der
Handlungszwang konventionalisiert unsere Wahrnehmung, um Effizienz
zu gewährleisten. Zur Kontemplation und ästhetischen
Wahrnehmung ist der Intellekt aufgrund seiner instrumentellen Natur
per definitionem untauglich. (13): "The function of the intellect
is so to present things not that we may most thoroughly understand
them, but that we may successfully act on them." (S. 147) Der
Fluß aller Dinge fungiert also als organisches Substrat des
Lebens schlechthin. Der Intellekt ist selber nur eine Funktion des
élan vital. Was bedeutet das, angewandt auf das
Verständnis von Kunst?
Die Kunst ist unmittelbarer Ausdruck vitaler Intuition. Sie
entspringt der Teilhabe an wahrhafter Dauer, die nur innerhalb des
Produktionsprozesses wirksam ist. Außerhalb dieses Prozesses
gibt es keinen Fixpunkt, der wirklich klären könnte, was
passiert: Konstruktion ist von Produktion niemals ablösbar.
Hulme erklärt den Vorgang anhand der kritischen Betrachtung
eines Porträts:

The finished portrait is explained by the features
of the model, by the nature of the artist, by the colours spread
out of the palatte; but even with the knowledge of what explains
it, no one, not even the artist, could have foreseen exactly what
the portrait would be. For to predict it would be to produce it
before it was produced. (S. 144)

Leben wird somit als Bewegung aufgefaßt, die
dem Auge des Kritikers entgeht: "Our eye perceives the features of
the living being merely as assembled, not as mutually organised.
The intention of life – a simple movement which runs through
the lines and binds them together and gives them significance
– escapes it." (Ebd.)
Der künstlerische Schaffensprozeß wird somit zur Mimesis
der Lebensbewegung selber. Die Intuition des Künstlers kann
sich dabei freilich nur objektivieren, wenn sie den
Lebensfluß in eine konzentrierte Sprache kleidet. Er
muß sich bewußt und präzise der Ausdrucksmittel
seiner Kunst bedienen. Und dieser Gedanke der Präzision wirft
nun das entscheidende Problem der Ästhetik Hulmes auf: Der
subjektivistische Ansatz der Intuition schlägt unvermittelt in
unpersönliche Objektivierung um. Der Künstler ist mehr
Entdecker und Finder als Erfinder. Die objektivierende "fancy" soll
die romantische "imagination", die Leistung subjektiver Imagination
vollständig überlagern. Das romantische Erbe der
Unendlichkeit, die sich im grenzenlosen Fluß aller Dinge
genauso niederschlägt wie die Subjektivität im
Intuitionsbegriff, wird schlechterdings verdrängt (eine
Kritik, die übrigens auch Bergson trifft):

The process of artistic creation would be better
described as a process of discovery and disentanglement. To use the
metaphor which one is by now so familiar with – the stream of
the inner life, and the definite crystallised shapes on the surface
– the big artist, the creative artist, the innovator, leaves
the level where things are crystallised out into these definite
shapes, and, diving down into the inner flux, comes back with a new
shape which he endeavours to fix. He cannot be said to have created
it, but to have discovered it, because when he has definitely
expressed it, we recognise it as true. (S. 149)

Die kontrollierte, disziplinierte und expressive
"fancy" entschärft somit die für Babbitt so bedrohliche
Wassermetaphorik, die sonst als Inbegriff einer antiklassischen und
modernen Dynamik in den Texten der Neuklassiker auftritt. "Diving
down into the inner flux", verliert sich der Künstler nach
Hulme keineswegs in ihm. Er zeichnet die "exact curve" einer jener
Wellenbewegungen nach, die das Leben kennzeichnen und verleiht ihr
objektive Gestalt (a new shape). Der isolierte, expressiv-lyrische
Ansatz verdeckt meines Erachtens die tiefe Gegnerschaft, in der
sich eine statisch orientierte Klassik allemal zum dynamischen
Lebensprozeß der Moderne befindet.
© Günter Bachmann

Anmerkungen

(1) Zitiert wird die Ausgabe: Irving Babbitt, Rousseau and
Romanticism, Boston/NewYork 1919. Seitenzahlen finden sich direkt
im Text.
(2) "The past which as dogma the ethical positivist rejects, as
experience he not only admits but welcomes. He can no more dispense
with it indeed than the naturalistic positivist can dispense with
his laboratory. He insists moreover on including the remoter past
in his survey. Perhaps the most pernicious of all the conceits
fostered by the type of progress we owe to science is the conceit
that we have outgrown this older experience. One should endeavor,
as Goethe says, to oppose to the aberrations of the hour, the
masses of universal history." (xviii)
(3) Ein leider nicht ausgewiesenes Zitat von Leconte de
Lisle.
(4) T.S. Eliot, For Lancelot Andrewes, Garden City/ N.Y 1929,
vii.
(5) Zit. nach: T.S. Eliot, Essays Ancient And Modern, London 1936,
80. Wenn nicht anders vermerkt, beziehen sich die Zitate im
Eliot-Kapitel auf diese Ausgabe.
(6) Ich zitiere erneut "Essays Ancient and Modern", London
1936.
(7) Zitiert nach T.S. Eliot, To Criticize the Critic, London 1965.
Es handelt sich um eine Rede vor der "Classical Association" in
Cambridge.
(8) Zit. nach Frank Kermode (Ed.), Selected Prose of T.S. Eliot,
London 1975.
(9) Alle Zitate Hulmes folgen der Ausgabe: T. E. Hulme,
Speculations. Essays on Humanism and the Philosophy of Art, London
1924.
(10) Vgl. zu Bergson die Aufsatzsammlung "Denken und
schöpferisches Werden" (La pensée et le mouvant, Paris
1946; verfaßt 1934), die beste Einführung in sein
Denken. Der erste Satz seiner Einleitung, in der er sein Denken
zusammenfaßt, lautet: "Was der Philosophie am meisten gefehlt
hat, ist die Präzision." Zit. nach: Henri Bergson, Denken und
schöpferisches Werden, Hamburg 1993, 21.
(11) Der Essay wird nach der gleichen Ausgabe zitiert wie
"Romanticism and Classicism".
(12) Vgl. hierzu die jüngst von Hubert Zapf vorgetragene
Kritik in: Kurze Geschichte der anglo-amerikanischen
Literaturtheorie, München 1991, 140f.
(13) Natürlich ist hier der Einfluß Schopenhauers
unverkennbar. Die Instrumentalität des Gehirns resultiert aus
dem Primat des Willens über den Intellekt. Dieser genuin
psychologische Ansatz inspirierte vor allem Nietzsches
Kulturkritik, die in England nicht ohne Einfluß war.

Materialsammlung

Zitate T.S.Eliot

Aus "Religion and Literature” (1935):

Literary criticism should be completed by criticism
from a definite ethical and theological standpoint.

... moral judgements of literary works are made
only according to the moral code accepted by each generation...

... when the common code is detached from its
theological background, and is consequently more and more merely a
matter of habit, it is exposed both to prejudice and to change. At
such times morals are open to being altered by literature;
(...).

This adaptability to change of moral standarts is
sometimes greeted with satisfaction as an evidence of human
perfectibility: whereas it is only evidence of what unsubstantial
foundations people's moral judgements have.

Those who talk of the bible as a "monument of
English prose" are merely admiring it as a monument over the grave
of Christianity.

What I want is a literature which should be
unconsciously, rather than deliberately and defiantly,
Christian: because the work of Mr. Chesterton has its point from
appearing in a world which is definitely not Christian.

It is the phase of those who have never heard the
Christian Faith spoken of as anything but an anachronism.

The common ground between religion and fiction is
behaviour.

... in the process of being affected by one
powerful personality after another, we cease to be dominated by any
one, or by any small number. The very different views of life,
cohabiting in our minds, affect each other, and our own personality
asserts itself and gives each a place in some arrangement peculiar
to ourself.

But I incline to come to the alarming conclusion
that it is just the literature that we read for "amusement", or
"purely for pleasure" that may have the greatest, and least
suspected influence upon us. It is the literature which we read
with the least effort that can have the easiest and most insidious
influence upon us.

... it affects us as entire human beings; it
affects our moral and religious existence.

... contemporary literature as a whole tends to be
degrading.

A writer like D. H. Lawrence may be in his effect
either beneficial or pernicious. I am not even sure that I have not
had some pernicious influence myself.

Ideas, views of life, they think, issue distinct
from independent heads, and in consequence of their knocking
violently against each other, the fittest survive, and truth rises
triumphant. Any one who dissents from this view must be either a
mediaevalist, wishful only to set back the clock, or else a
fascist, and probably both.

It is not that the world of seperate individuals of
the liberal democrat is undesirable; it is simply that this world
does not exist.

There never was a time, I believe, when those who
read at all, read so many more books by living authors than books
by dead authors; there never was a time so completely parochial, so
shut off from the past. There may be too many publishers; there are
certainly too many books published; and the journals ever incite
the reader to "keep up" with what is being published.
Individualistic democracy has come to high tide: and it is more
difficult today to be an individual than it ever was before.

What I do whish to affirm is that the whole of
modern literature is corrupted by what I call Secularism, that it
is simply unaware of, simply cannot understand the meaning of, the
primacy of the supernatural over the natural life: of something
which I assume to be our primary concern.

For literary judgement we need to be acutely aware
of two things at once: of "What we like", and of "What we
ought to like”.

What I believe to be incumbent upon all Christians
is the duty of maintaining consciously certain standarts and
criteria of criticism over and above those applied by the rest of
the world; and that by these criteria and standarts everything that
we read must be tested.

Aus "Francis Herbert Bradley":

... he replaced a philosophy which was crude and
raw and provincial by one which was, in comparison, catholic,
civilized, and universal. True, he was influenced by Kant and Hegel
and Lotze. But Kant and Hegel and Lotze are not so despicable as
some enthusiastic medievalists would have us believe, and they are,
in comparison with the school of Bentham, catholic and civilized
and universal.

Of wisdom Bradley had a large share; wisdom
consists largely of scepticism and uncynical disillusion; and of
these Bradley had a large share. And scepticism and disillusion are
a useful equipment for religious understanding; and of that Bradley
had a share too.

A system of ethics, if thorough, is explicitly or implicitly a
system of theology; and to attempt to erect a complete theory of
ethics without a religion is none the less to adopt some particular
attitude towards religion.

Common sense does not mean, of course, either the
opinion of the majority or the opinion of the moment; it is not a
thing to be got at without maturity and study and thought. The lack
of it produces those unbalanced philosophies, such as Behaviourism,
of which we hear a great deal. A purely scientific philosophy ends
by denying what we know to be true; and, on the other hand, the
great weakness of Pragmatism is that it ends by being of no
use to anybody.

Zitate zu Irving Babbitt: Rousseau and Romanticism (1919):

If the critical spirit is once allowed to have its
way, it will not rest content until it has dissolved life into a
mist of illusion. (XIV)

I have been struck in my study of the past by the
endless self-deception to which man is subject when he tries to
pass too abruptly from the naturalistic to the religious level. The
world, it is hard to avoid concluding, would have been a better
place if more persons had made sure they were human before setting
out to be superhuman.

As it is, those who call themselves modern have
come to adopt a purely exploratory attitude towards life. "On
desperate seas long wont to roam," they have lost more and more the
sense of what is normal and central in human experience. But to get
away from what is normal and central is to get away from wisdom. My
whole argument on the negative side, if I may venture on a final
summing up, is that the naturalistic movement in the midst of which
we are still living had from the start this taint of eccentricity.
(...) On its constructive side, my argument, if it makes any appeal
at all, will be to those for whom the symbols through which the
past has received its wisdom have become incredible, and who,
seeing at the same time that the break with the past that took
place in the eighteenth century was on unsound lines, hold that the
remedy for the partial positivism that is the source of this
unsoundness, is a more complete positivism. Nothing is more
perilous than to be only half critical. (...) The whole modern
experiment is threatened with breakdown simply because it has not
been sufficiently modern. (XXII/XXIII)

© Günter Bachmann