Das älteste Systemprogramm des deutschen Idealismus

1. Die Verfasserfrage

Ein experimentelles Plädoyer für Schelling

1917 erwarb die Königlich Preußische Bibliothek ein
Textfragment ohne Verfasserangabe. Franz Rosenzweig, der Entdecker
des geheimnisvollen Dokuments, erkannte in ihm die Handschrift des
jungen Hegel wieder. (1) Nach sorgfältiger Vergleichsstudie
der Schriftzüge datierte er den Text auf die Jahre 1796 bis
Ende 1797. Und wenigstens dies scheint bis heute
unumstrit­ten.
Anders die Frage nach dem eigentlichen Verfasser, die nach wie vor
ungeklärt ist. So plä­dierte Rosenzweig für
Schelling als Autor und wertete das Schriftstück als
bloße Abschrift He­gels. Dies mobilisierte bald schon die
Befürworter Hölderlins, der angeblich die
Originalvorla­ge geschrieben haben sollte. Mitte der zwanziger
Jahre wiederum schien Ludwig Strauss (2) den Streit beizulegen
– erneut zugunsten Schellings. Bis schließlich 1964
Otto Pöggeler (3) darauf verwies, daß philologisch eine
Urschrift nicht zu beweisen und auch niemals aufgefunden worden
sei. Nichts berechtige dazu, Hegel als Autor unbesehen zu
verleugnen. Pöggelers These setzte sich 1969 mehrheitlich auf
der Hegel-Tagung in Villigst durch. Doch damit scheint die
Diskussion längst nicht abgeschlossen. Selbst ein vierter, bis
dato unbekannter Autor wird ernsthaft diskutiert. (4) Und Hans Timm
schließlich überraschte mit der kreativen Hypothese,
daß die Anonymität des Verfassers womöglich gewollt
sei. Denn dieser berufe sich schließlich am Ende des
Fragments ausdrücklich auf einen "höheren Geist vom
Himmel", ganz in der Nach­folge des Johannes... (5)
Wer immer der Verfasser gewesen sein mag: der Text ging unter der
Bezeichnung "Das älteste Systemprogramm des deutschen
Idealismus" in den Textkorpus Schellings, Hölderlins und
Hegels ein. Letztendlich wird man sich mit der lapidaren
Feststellung von Manfred Frank und Gerhard Kurz begnügen
müssen: "Der Ausgang der Kontroverse ist aufgrund des
Quellenbestands offen." (6)
Damit soll freilich die Verfasserfrage nicht bagatellisiert werden.
Je nachdem, welchem Textkorpus das Dokument zugeordnet wird,
erscheint es in einem anderen Licht – und rückwirkend
natürlich auch die Philosophie des hypothetischen Autors. Auch
scheint klar, daß eine bruch- und fugenlose Zuordnung in
keinem Fall möglich ist: Trotz der Unterschiede zwischen dem
jungen und alten Hegel fällt es einigermaßen schwer, ihn
als enthusiastischen Schwärmer vor­zustellen, der das
"Aufhören" des Staates postuliert; wahr ist aber auch,
daß sich insbesondere Hegel intensiv mit der Postulaten-Lehre
Kants auseinandergesetzt hat, die das Fragment argu­mentativ
eröffnet. (7) Für Hölderlin wiederum spricht
deutlich das Primat der Schönheit und Kunst, worin sich
"Wahrheit und Güte" vereinigen, nicht minder auch der
spürbare Einfluß Schillers, den er intensiv rezipiert
hatte. Eine "beflügelte", spekulative Physik freilich wird
kaum sein Anliegen gewesen sein. Diese spricht genuin für
Schelling, ebenso der Gedanke ei­ner "Mythologie der Vernunft".
Zur Zeit des "ältesten Systemprogramms" allerdings hatte
Schelling die Synthese des Mythologie-Gedankens mit der Kunst
längst noch nicht so konse­quent vollzogen wie zum
Beispiel Hölderlin oder gar Schiller, der bereits über
utopisch-politi­sche Konsequenzen dieses Denkens
reflektierte.
Wenn der Text also keinem der drei berühmten Tübinger
Stiftler problemlos zugeordnet werden kann, was spricht dann
dagegen, das Dokument als paradigmatischen Ausdruck des Zeitgeists
zu interpretieren? Otto Pöggeler, der so dezidiert für
Hegel votiert hatte, merkte zu einem späteren Zeitpunkt an,
daß der Text "in einer begrifflich unscharfen Weise
Gemeinplätze der damaligen Situation" zusammenfasse. (8) Eine
durchaus plausible These, die freilich das Mo­ment der
Spekulation nur verschiebt: "Gemeinplätze" einer vergangenen
Epoche sind Kon­struktionen der interpretierenden Gegenwart,
die der Vergangenheit übergestülpt werden. Be­reits
die bloße Vorstellung einer Epoche, die zu einer "Situation"
vereinheitlicht wird, verdankt sich lediglich einer bestimmten
Manier der Textauslegung, die übrigens hegelianischen
Ur­sprungs ist.
Die Auskunft, daß der Text nahezu von jedermann hätte
geschrieben werden können, befriedigt noch von einer anderen
Seite recht wenig: Wenn wir das Fragment keinem bestimmten
Textkorpus zuordnen wollen, dann ordnen wir es zwangsläufig
einem unbestimmten Textkor­pus zu. Die Zeichen zerfasern sich
im Allgemeinen und werden zu anonymen Floskeln eines
fragwürdigen Epochenautors, der schlechthin alle Texte bis zum
Ende des 18. Jahrhunderts po­tentiell umfaßt. Damit
multipliziert sich die Interpretation ins Unendliche und wird
nichts­sagend – einfach deshalb, weil sie alles sagen
könnte. Die experimentelle Spannung dagegen nimmt fraglos zu,
wenn wir den Text mit einem bestimmten Korpus verknüpfen,
zumal wir in beiden Fällen, bestimmter oder unbestimmter
Autor, ohnehin nur Zeichen mit Zeichen verknüpfen. Dabei fragt
sich allerdings, ob sich hinter dem Lob experimenteller Spannung
nicht der unverbindliche Zeichenfatalismus des postmodernistischen
Spieltriebs verbirgt. Und aus dieser Sicht wäre die
Verknüpfung des umstrittenen Systemfragments mit Schelling
eben eine Interpretationsarabeske mehr.
Doch bietet das kritische Potential der Postmoderne auch die
Möglichkeit, die Legitimität unseres Ansatzes zu
stützen. Der Blick auf Textränder, die von der Tradition
meist vernachlässigt werden, die Ablehnung eines "Zentrums"
(9) im Werkganzen eines Autors, das allzu vor­schnell als
organische Einheit interpretiert wird – all diese
Einwände können nicht einfach übergangen werden.
Zumal der kritische Gestus der Postmoderne sich gezielt gegen
Hegel, d.h gegen den deutschen Hochidealismus und seine hermetisch
geschlossene Systematik richtet. Was liegt also näher, als das
Spiel der Zeichen mitzuspielen? Der ernsthafte Gelehrtenstreit um
die Verfasserschaft des "Ältesten Systemprogramms" bietet
mehrere Varianten der zugehörigen Spielregeln an:
"Hölderlin", "Hegel", "Schelling" würden somit zu
Variablen einer textuellen Gleichung jenseits aller
schweißtreibenden Fragen nach Autor und
Authentizität.
Die postmoderne Kritik vergreift sich freilich in ihrer
Zielsetzung. Denn die Ablehnung des metaphysischen Zentrums ist
eine altbekannte Position der philosophischen Skepsis, des
philosophischen Agnostizismus, erst recht des philosophischen
Nihilismus und Existentialismus. Nur wer die Philosophie als
einheitliche geschichtliche Entfaltung des Weltgeistes und somit a
priori hegelianisch denkt, wird glauben, daß er mit Hegel die
Philosophie beseitigt hat. Die postmo­dernen Denker (Derrida,
Lyotard, P. de Man u.a.) sind in ihrer Dekonstruktion Hegels
hegelianischer, als ihnen offenbar bewußt ist. Im Grunde
benutzen sie die sprachlichen Zeichen als neue transzendentale
Idealität, und zwar durchaus im kritischen Sinne Kants. Das
"Ding an sich" hat einen neuen Namen, keine neue Dimension
bekommen. Es heißt jetzt Abwesenheit. Es heißt jetzt
Differänz. Der Newtonsche Sternenhimmel Kants ist zur
Computerwelt ver-zeichnet worden. An der Substanz der
philosophischen Skepsis jedoch hat sich leider nichts
geändert. Und diese Überschätzung des rein
Historischen (hier die informations- und zei­chentheoretische
Jetztzeit) verdankt sich wiederum – Hegel. Aus streng
philosophischer Sicht ist Postmoderne mehr Mode als Methode. Die
sprachkritischen Anleihen bei Nietzsche täu­schen nur
notdürftig darüber hinweg. Das philosophische Problem
entscheidet sich nicht an der sprachlichen Organisation eines
metaphysischen Zentrums. Denn innerhalb eines solchen
Systems, von vielen immer noch nicht bemerkt, hat bereits
Schopenhauer den Idealismus radikal dekonstruiert.
Worum es meines Erachtens geht, ist vielmehr der deutliche Verfall
des Hegelianismus und seiner genuin ''totalitären
Denkform'' der Dialektik. Soll sie nicht im Nichts
zerfließen, benötigt sie als Zentrum allemal das
Absolute. Und dieses wurde seit dem deutschen Idealismus
äußerst flexibel besetzt: materialistisch bei Marx,
anthropologisch bei Feuerbach, mythologisch bei den Spät- und
Neuromantikern. Bis schließlich die Herren Hitler und Stalin
die Geschichte zur Of­fenbarung ihres "Ganzen" machen wollten,
das längst nicht mehr die Philosophie, sondern die
zügelloseste Barbarei war. Das Zerbrechen dieser mythologisch
beziehungsweise materia­listisch inspirierten Dialektik
führte erst zur ernsthaften philosophischen Renaissance
Nietzsches und Schopenhauers in der zweiten Hälfte unseres
Jahrhunderts. Und nirgendwo läßt sich in nuce diese Form
des Denkens konzentrierter entwickeln als anhand des frühen
"Systemprogramms"
Doch damit ist die Postmoderne nicht einfach außer Kraft
gesetzt. Ihr epigonales Verhältnis zu Nietzsche desavouiert
nicht ihren originellen sprachkritischen Impetus. Die beinahe
schulbildende Fruchtbarkeit ihres Verfahrens in der
Literaturwissenschaft hat in vielen Texten gera­de den Hang zur
Totalität kritisch aufgedeckt. (10) Und überhaupt: welche
Kulturkritik befindet sich heute nicht in einem epigonalem
Verhältnis zu Nietzsche? Die Postmoderne ist das Post-Mortem
radikaler und gefährlicher Idealisierungen. Und dennoch
scheint es notwendig, außer­halb (und selbst innerhalb)
der Sprachwissenschaft philosophische Fragestellungen nicht
aufzu­geben. Der methodologische Kern totalitären Denkens,
so die These dieses Essays, ist der aus dem deutschen Idealismus
abgeleitete Hang zu unreflektierter Dialektik. Deshalb unernehme
ich hier den Versuch, die Dialektik selbst zum Gegenstand
philosophischer Kritik zu erheben. Es grenzte allerdings an
intellektueller Hochstapelei, würde ich dabei mehr als eine
analytische Klärung und Verdeutlichung des Problems in
Aussicht stellen. Von einer "Lösung", wenn es denn eine gibt,
sind wir allesamt himmelweit entfernt.
Ich verwende also in diesem Aufsatz, der eine philosophische
Fragestellung verfolgt, die Postmoderne pragmatisch, nicht
dogmatisch. Gerade die oft gestellte Frage nach dem Verfasser des
"Ältesten Systemprogramm des deutschen Idealismus" sollte dem
kritischen Potential poststrukturalistischer Ansätze
geöffnet werden. Die zeichentheoretische Reflexion und
Dekonstruktion von Texten in den Literaturwissenschaften verweist
mich dabei auf zwei Ge­sichtspunkte: Erstens ist es
möglich, prinzipiell jeden Text mit jedem Text zu
verknüpfen, nicht nur intertextuell, sondern auch immanent.
Ein Papierschnipselchen Nietzsches kann sein ge­samtes "Werk"
dekonstruieren. Es gibt keine Mitte mehr, keine Ränder, kein
Ganzes. Anything goes, sofern es mit Zeichenverknüpfung
plausibel gemacht werden kann. Diese Beliebigkeit, ja Anarchie der
Bedeutungen mag beanstandet werden. Sie öffnet aber –
und dies ist der zweite, entscheidende Gesichtspunkt – den
Blick für die Autonomie des Textes. So hat man in der
Diskussion um das "älteste Systemprogramm" über der Frage
nach der Authentizität des Tex­tes genau diese Autonomie
verdrängt. Der Grund dafür ist verblüffend einfach:
Die Kategorie der Widerspruchsfreiheit hat alle anderen
Kategorien überlagert. Ganz gleich, wer erörtert wurde,
Schelling, Hegel oder Hölderlin. Das simple Eigenleben des
Textes, seine Unabhängig­keit auch vom Autor, vor allem
aber sein Recht auf Widerspruch wurde sträflich
übersehen. Kein Text sollte a priori auf Widerspruchsfreiheit
gegenüber dem sogenannten Werkganzen verpflichtet werden. Er
kann die Manuskripte, die ihm vorausgehen oder nachfolgen, durchaus
negieren. Demnach ist es zutiefst sinnlos, über den Autor zu
streiten. Wichtiger ist es zu sehen, was genau bei welcher
Verknüpfung geschieht. Sinnvoller ist es, die anarchistische
Substanz, die der Text qua Text besitzt, beizubehalten. Befindet er
sich in Widerspruch zu Hegel? Nun gut, dann dokumentiert er
auch einen Widerspruch Hegels, sofern wir ihn als
Autor annehmen. Selbst Hegel war einmal jung, selbst er kann anders
und anderes gedacht haben als er später und selbst früher
dachte. Wer unbedingt den authentischen Autor braucht, der
möge getrost Otto Pöggeler folgen, der zurecht darauf
verwies, daß Hegel in der Tat den Text geschrieben hat. Mir
selbst bereitet diese Frage keine schlaflosen Nächte, in denen
ohnehin alle Kühe schwarz sind. In der Literaturwissenschaft
ist es längst eine Binsenwahrheit, daß eine
unauf­hebbare Differenz zwischen Autor und Text besteht, auch
wenn sein Name zweifelsfrei bekannt ist.
Folgenlos freilich bleibt der Gelehrtenstreit um den Verfasser auch
für den hier verfolgten Ansatz nicht. Er hat traditionelle
Vorlagen für die experimentelle Einbettung des Textes in die
jeweilige Philosophie erstellt. So läßt sich auch recht
bündig begründen, weshalb ich Schelling dem Text
zugrundelege. Die enge Verknüpfung von Mythologie, Kunst,
Kultur und Dialektik läßt sich besonders einleuchtend
mittels dieser Variante erhellen. Und ich muß einräumen,
daß genau dieser Kontext den Absichten meines Essays
außerordentlich entgegenkommt. Auch dann, wenn die
Autorschaft Schellings als experimentelle Arbeitshypothese
zugrundegelegt wird, darf sich der Interpret freilich dem in der
Literaturwissenschaft gängigen close reading nicht
entziehen. Dabei geht es vorrangig um das immanent ermittelte
Eigenleben des Textes. Dem traditionellen Streit um den
authentischen Autor lassen sich vielleicht auf diese Weise neue
inhaltliche Aspekte abgewinnen. Das textimmanente close-reading
soll darüber hinaus mit einer – zugegeben schwierigen
und mühsamen – philosophischen Basisarbeit verbunden
wer­den. Viele Bezüge, die dem Fachphilosophen zweifellos
vertraut sind, sind noch einmal zu entwickeln. Der neue und damit
immer auch zunächst naive Blick auf den Text soll systematisch
ergänzt werden durch den ebenfalls erneuerten Blick auf den
Kon-Text idealistischen Philosophierens. Mit Absicht setze ich
demnach weniger voraus, als ich voraussetzen darf. Denn vielleicht
liegt in der bloßen Denkform der Dialektik noch das ein oder
andere echte Problem verborgen, das eine essayistische, d.h.
wenigstens versuchsweise Erörterung verdient. Damit kehre ich
am Ende dieser Arbeit zur oben umrissenen These zurück.
Die Anmaßung der Beweisbarkeit eines bestimmten Autors einmal
beiseite gesetzt, gibt es natürlich eine stattliche Reihe von
Gründen, die für Schelling als Urheber des
"Systemprogramms" sprechen: Mitte der neunziger Jahre war er
unzweifelhaft nicht nur der frühreifste, sondern auch der
philosophisch führende Kopf der drei berühmten Stiftler.
Er erkannte mit si­cherem Blick die überragende Bedeutung
der Philosophie Fichtes. Er hatte sich außerdem als explizit
philosophischer Autor bereits einen Namen gemacht (vor allem mit:
"Vom Ich als Prinzip der Philosophie" (1795)). Nicht zuletzt finden
sich auch die meisten sprachlichen Refe­renzpunkte des
"ältesten Systemprogramms" in Schellings Texten, die Xavier
Tilliette tabella­risch aufgelistet hat. In seinem Aufsatz
"Schelling als Verfasser des Systemprogramms?" be­merkt er
sicher nicht ganz zu Unrecht: "Vor allem aber erinnern der lebhafte
Ton der Heraus­forderung, der Klang der Sätze, das
verblüffende Selbstvertrauen und die herrscherliche
Zu­versicht an das erste Auftreten Schellings (...)." (11) So
wenig mentalitätspsychologische Argu­mente die
philologische Beweislast auch tragen können, erwägenswert
sind sie allemal dann, wenn nach einer bestimmten Person gefahndet
wird. Die Frage nach einem unbekannten Autor ist letztinstanzlich
immer ein argumentum ad hominem.
Wer sich diese Frage stellt, akzeptiert außerdem weitgehend
die Kategorie der "Widerspruchsfreiheit", die ich eben selbst noch
gerügt habe. Der "experimentelle" Anspruch ist also keineswegs
frei von Ironien. Denn methodologisch verursacht die hier
gewählte Perspektive unwillkürlich die subjektive
Zwangsvorstellung, das (zugegeben anonyme) "Systemprogramm" so weit
wie möglich auf Schelling zu beziehen. Entscheidend dabei ist
die Überlegung, inwiefern der Text diese Bezüge
zuläßt und welche Schlußfolgerungen aus ihnen zu
ziehen sind. Der Leser ahnt es schon: ohne Reflexion des geistigen
Klimas, in dem Schelling sich bewegte, lassen sich dabei schwerlich
Zusammenhänge mit unserer Gegenwart herstellen. Auf diesem
Umweg (eine weitere Ironie) kehre ich durchaus zur klugen These
Otto Pöggelers zurück, der dem Text paradigmatische
Bedeutung für den deutschen Idealismus zuschreibt.

2. Close Reading

...eine Ethik. Da die ganze Metaphysik künftig in
die Moral fällt – wovon Kant mit seinen beiden
praktischen Postulaten nur ein Beispiel gegeben, nichts
erschöpft hat, so wird diese Ethik nichts andres als
ein vollständiges System aller Ideen, oder, was dasselbe ist,
aller praktischen Postulate seyn. Die erste Idee ist natürlich
die Vorstellung von mir selbst, als ei­nem absolut
freien Wesen. Mit dem freyen, selbstbewußten Wesen tritt
zugleich eine ganze Welt – aus dem Nichts hervor
– die einzig wahre und gedenkbare '''Schöpfung aus
Nichts'''. (12)

Bereits der erste Abschnitt verdeutlicht die Dichte dieses Textes,
der ja nicht selbst ein System darstellt, sondern lediglich das
Programm eines Systems geben will. Die konzentrierte Skizze ist
entsprechend abstrakt. Sie strotzt vor Selbstbewußtsein, das
sich deutlich in den prognostischen und futuristischen Wendungen
(die ganze Metaphysik falle "künftig" in die Moral und "wird"
ein System aller Ideen sein) niederschlägt. Entscheidender
für die Komplexi­tät des Textes aber ist die
philosophische Qualität: Nichts Geringeres als die
Postulatenlehre Kants sowie die idealistische Weiterbildung der
praktischen Vernunft durch Fichte kommt in diesem Absatz zur
Sprache. Und das ist außerordentlich viel.
Was bedeutet also die Aussage, wonach "die ganze Metaphysik
künftig in die Moral" falle? Sie bezeichnet, erstens, exakt
den Übergang von Kants "Kritik der reinen Vernunft" (1781) zur
"Kritik der praktischen Vernunft" (1788), und damit die sich
anbahnende Trennung der Philosophie in eine theoretische und
praktische; sie bedeutet, zweitens, den insbesondere von Fichte
unternommenen Versuch, diese Trennung wieder aufzuheben durch die
Tathandlung eines ab­soluten Ich, wodurch die Idealisten
über Kant hinausgehen und alle Philosophie praktisch
ma­chen wollten. Der radikale Bruch mit der herkömmlichen
Metaphysik läßt sich tatsächlich sehr einleuchtend
anhand der Postulatenlehre Kants erläutern. Die theoretischen
Gegenstände tradi­tioneller Metaphysik lassen sich ihr
zufolge in "drei Ideen der spekulativen Vernunft" (13)
zu­sammenfassen: Freiheit, Gott und Unsterblichkeit. (14) Die
Kritik der reinen Vernunft kam zu dem folgenschweren Schluß,
daß diese Ideen rein erkenntnistheoretisch als transzendent
und somit unerkennbar zu betrachten sind. Sie können weder
durch die transzendentalen Formen der Anschauung (Zeit und Raum)
noch durch die Kategorien der reinen Verstandesbegriffe
er­faßt werden. Damit "überfliegen" sie, wie Kant
sich gerne ausdrückt, die Bedingungen der Möglichkeit von
Erfahrung und Erkennbarkeit schlechthin. Sind damit jedoch die
Spekulationen über Freiheit, Gott und Unsterblichkeit ein
sinnloses Unterfangen? Keineswegs, so jedenfalls Kant: Gerade weil
unsere Erkenntnis transzendental beschränkt ist, erkennen wir
die objektive Welt nur am Leitfaden der konstitutiven Gesetze, die
wir ihr selber beilegen. Un­sere Erkenntnis hat es demnach
lediglich mit Erscheinungen zu tun, nie mit den Dingen an sich
selbst. Welche "Gesetze" – hier hört jede Sprache, jede
Benennung eigentlich auf – jenseits von Zeit, Raum und
Kausalität herrschen mögen, entzieht sich unserer
Einsicht, die ja eben durch diese Kategorien subjektiv
beschränkt ist. Freiheit, Gott und Unsterblichkeit sind somit
wider­spruchsfrei "denkbar", wenn auch niemals beweisbar. (15)
Indem Kant das Wissen negiert, ver­schafft er sich Platz zum
Glauben (16), und er postuliert die traditionellen Ideen als
praktische Regulative des Handelns. Tatsächlich fordert der
Mensch in seiner moralischen Praxis ja auch Willensfreiheit und
Autonomie ein, wenn der Begriff der Moral nicht überhaupt
seinen Sinn verlieren soll. Die Erkenntnis der ersten Prinzipien,
die ehemals theoretische Disziplin der Metaphysik, schafft bei Kant
nur noch den möglichen, nicht mehr beweisbaren
Begründungs­zusammenhang sittlichen Handelns.
Und nicht nur des sittlichen Handelns. Spekulative Ideen sind
allein schon für die Forschungspraxis unentbehrlich: Die
Systematik und Einheit unserer theoretischen Erkenntnisse kann nur
gedacht werden, wenn ich sie regulativ auf eine planvolle
und schöpferische Intelligenz beziehe, obgleich Gott ein
transzendentes, nicht erweisbares, nicht konstitutives Etwas
darstellt. Der Erforschung der Natur muß ich zum Beispiel ein
teleologisches Prinzip als Forschungsleitfaden zugrunde legen, wenn
ich Erkenntniszusammenhänge formulieren will (Kant nennt das
eine Maxime der reflektierenden Urteilskraft). Die ''praktische
Vernunft'' hinge­gen bedarf der spekulativen Ideen in Form
ethisch begründeter Postulate, "worunter", so Kant, "ich einen
theoretischen, als solchen aber nicht erweislichen Satz
verstehe, sofern er einem a priori unbedingt geltenden
praktischen Gesetze unzertrennlich anhängt." (17)
Bezüglich des "ältesten Systemprogramms" erhebt sich
zunächst die Frage, weshalb nur von zwei Postulaten die
Rede ist. In Kants praktischer Philosophie wird das Postulat der
Freiheit eng mit der Autonomie der Vernunft und dem kategorischen
Imperativ verknüpft. Das Freiheitspostulat gehört also in
den Kontext einer Begründung von Moral überhaupt. Wenn es
dagegen um die praktische Realisierbarkeit ethischen Handelns geht,
hebt Kant die zwei übrigen Postulate entschieden hervor: die
"Unsterblichkeit der Seele" und das "Dasein Gottes". Im Abschnitt
IV und V des zweiten Teils der "Kritik der praktischen Vernunft"
widmet Kant ihnen explizit ein eigenes Kapitel. Und diese sind wohl
auch im "Systemprogramm" gemeint.(18)
Die Unsterblichkeit der Seele, verstanden als praktisches Postulat,
erfüllt bei Kant die Funktion einer Balance zwischen endlichem
Willen und höchstem Gut. Denn diese unterscheiden sich in der
Lebenspraxis deutlich: "Die völlige Angemessenheit des Willens
(...) zum morali­schen Gesetze ist Heiligkeit, eine
Vollkommenheit, deren kein vernünftiges Wesen der
Sin­nenwelt, in keinem Zeitpunkte seines Daseins, fähig
ist." (19) Gefordert, d.h. "postuliert" wird eine unendliche
Annäherung an das Gesetz: "Dieser unendliche Progressus ist
aber nur unter Voraussetzung einer ins Unendliche
fortdauernden Existenz und Persönlichkeit desselben
ver­nünftigen Wesens (...) möglich." (20) – Das
zweite Postulat steht mit dem ersten in engem Zu­sammenhang:
Laut Kant verbürgt nur die Existenz Gottes "die
Übereinstimmung der Glückse­ligkeit mit der
Sittlichkeit." (21) Der endliche Mensch in einer gottlosen Welt
bliebe sonst immer dem Widerstreit zwischen Pflicht und Neigung,
zwischen autonomer Vernunft und heterogener Sinnlichkeit
ausgesetzt. Nur die wenigstens denkbare Forderung der Existenz
Gottes gleicht letztendlich die mangelhafte Proportion aus, die
zwischen Sittlichkeit und Glückseligkeit wohl unstreitig
besteht.
Dieser immens dichte und weitausholende Kontext verbirgt sich
hinter der unscheinbaren Formel des "Systemprogramms", wonach
künftig die ganze Metaphysik in die Moral falle. Sie ist eine
idealistische Bestandsaufnahme der Kantischen Philosophie. Die
angesprochene "Ethik", heißt es weiter, sei durch Kant auch
keineswegs "erschöpft". Vielmehr müsse diese "nichts
andres als als ein vollständiges System aller Ideen" sein. Wie
ist das zu interpretieren? Das Kantische System ist nach Meinung
der Idealisten darin unvollständig, als es uneinheitlich in
praktische und theoretische Philosophie zerfällt. Fichte
distanzierte sich schon früh in seiner Schrift "Über den
Begriff der Wissenschaftslehre" (1794) von dem dualistischen Denken
Kants. Wissenschaft sei als einheitliches und durchgängiges
Ganzes zu verstehen. Und dieses Ganze benötige ''einen
gewissen'' Satz als Prinzip. (22) Über diese monistische
Form des Philosophierens stimmt auch Schelling mit Fichte
völlig überein. Danach steht das eine, unbedingte Prinzip
im absoluten Zentrum alles Wissens, das nur als Einheit begreifbar
ist. Im "Ich als Prinzip der Philosophie oder über das
Unbedingte im menschlichen Wissen" (1795) schreibt er: "Gibt es
überhaupt ein Wissen, so muß es ein Wissen geben, zu dem
ich nicht wieder durch ein anderes gelange, und durch welches
allein alles andere Wissen Wissen ist." (23) – Dieses
einheitliche Wis­sen wurzelt laut Fichte in der Autonomie des
absoluten Ich. Dem Ursprung des Wissens liegt somit eine
"Tathandlung" zugrunde, womit auch das Primat des Praktischen in
der Philosophie erneut unterstrichen wird: "Die erste Idee ist die
Vorstellung von mir selbst, als einem absolut freien Wesen."
Im Verhältnis zur Philosophie Kants wird auf diese Weise eine
Umkehrung vollzogen. Was bei ihm erst nach der kritischen
Erörterung der theoretischen Vernunft erfolgt, nämlich
die Aufstellung praktischer Postulate, die eine Einheit des Wissens
wenigstens denkbar machen, genau das bildet den absoluten,
synthetischen und einheitlichen Ausgangspunkt des deutschen
Idealismus.
Eine Stelle aus Schellings "Philosophischen Briefen über
Dogmatismus und Kritizismus" (1795) verdeutlicht meines Erachtens
schlagend den revolutionären Geist der Praxis, der
insbesondere dem "Ältesten Systemprogramm" zugrunde liegt. Im
5. Brief wirft Schelling die Frage auf, weshalb Spinoza "seine
Philosophie in einem System der Ethik" vorgetragen habe. Und er
antwortet:

...gewiß dacht' er sich mehr darunter, als
nur ein theoretisches Luftgebäude (...). Ein System des
Wis­sens ist notwendig entweder Kunststück, Gedankenspiel
(...) oder es muß Realität erhalten, nicht durch
ein theoretisches, sondern durch ein praktisches, nicht durch ein
erkennendes, sondern durch ein ''pro­duktives,
realisierendes Vermögen, nicht durch Wissen,''
sondern durch Handeln. (24)

Dies unterstreicht unmißverständlich den
Enthusiasmus der deutschen Philosophie kurz vor der Wende zum 19.
Jahrhundert. Die Philosophie muß praktisch werden, will sie
nicht zum kunstvollen Gedankenspiel erstarren. Die
Produktivität des Denkens soll vor allem die Realisierbarkeit
des Denkens in die Wege leiten. Und es gehört zu einer der
ganz großen Ironien der Philo­sophiegeschichte, daß
der Idealismus der deutschen Philosophen gerade als
ästhetisches Spiel und Gedankenkunst in der Moderne
uminterpretiert wurde. (25) Die ursprüngliche Tendenz zur
Praxis ist vom materialistischen Ansatz marxistischer Philosophie
später überdeckt und ver­drängt worden. Denn
nicht nur Schelling, sondern auch Hegel und Hölderlin waren
anfänglich vom Primat der Praxis überzeugt. Man erwartete
allenthalben eine Revolution des Geistes, die analog zur
politischen Revolution in Frankreich erfolgen sollte. Die Briefe
der drei berühmten Tübinger Stiftler legen ein beredtes
Zeugnis für diese Stimmung ab.
Immer noch nicht ist der erste Abschnitt des "Systemprogramms"
kommentiert. Die Schöpfung aus Nichts (creatio ex
nihilo) war fester Bestandteil der theologischen Dogmatik am
Tübinger Stift. Das "Systemprogramm" wendet sich radikal gegen
diesen orthodoxen Begriff der Schöpfungslehre. Die Welt
wird im Sinne Fichtes als Nicht-Ich begriffen, als ein
schöpferi­sches Produkt der ursprünglichen
Tathandlung eines absolut freien Ich. Erst hieraus wird die
später angeführte These des Programms verständlich,
wonach ''die absolute Freiheit aller Geister, die die
intellektuelle Welt in sich tragen, weder Gott noch
Unsterblichkeit ausser sich suchen'' dürften. (S.111)
Auch dies betrifft theologische Interna im Stift: Schelling vor
al­lem hatte sich deutlich über den Mißbrauch
ausgelassen, den die Tübinger Theologen mit Kants
Postulatenlehre trieben. Sie wurde als angebliche
Vernunftschwäche interpretiert, um die alten Dogmen erneut zu
etablieren. In einem Brief an Hegel (vom 6.1. 1795) schreibt
Schelling: "Es ist eine Lust anzusehen, wie sie den moralischen
Beweis an der Schnur zu ziehen wis­sen. Eh' man sich's
versieht, springt der deus ex machina hervor, – das
persönliche individuelle Wesen, das da oben im Himmel sitzt."
(26)
Über diesen polemischen Aspekt hinaus verweist die ''absolute
Freiheit aller Geister'' im "Systemprogramm" mit seltener
Radikalität auf die kulturellen und politischen Implikationen
der neuen Philosophie der Praxis. Die immanente Göttlichkeit
der absoluten Freiheit legitimiert in der Folge nicht nur den
Umsturz alles Afterglaubens (S. 111) und die''Verfolgung
des Priester­tums, das neuerdings Vernunft heuchelt, durch die
Vernunft selbst (S. 111); sie entlarvt auch das ganze elende
Menschenwerk von Staat, Verfassung, Regierung, Gesetzgebung'' (S.
110f.)und gip­felt schließlich in der Forderung, der
Staat selber solle aufhören. (S. 110)
Vor der Erörterung der Staatsproblematik ist jedoch die etwas
heterogen anmutende Bemerkung des "Systemprogramms" zur Physik zu
beachten. Sie schließt sich unmittelbar an die ''ein­zig
wahre und gedenkbare Schöpfung aus Nichts an: Hier
werde ich auf die Felder der Physik herabsteigen; die Frage ist
diese: wie muß eine Welt für ein moralisches Wesen
beschaffen sein? Ich möchte unsrer langsamen an Experimenten
mühsam schreitenden – Physik, einmal wieder Flügel
geben.'' (S. 110) "Wie muß eine Welt für ein
moralisches Wesen beschaffen sein?" ist wohl eine Frage Hegels
(27), der sich zur Zeit der Abfassung des Programms intensiv mit
Kants "Kritik der Urteilskraft" (1790) beschäftigte. Die Frage
entsteht in der Tat anläßlich der Überlegungen
Kants, wie der "Naturbegriff" mit dem "Freiheitsbegriff"
übereinstimmen und zusammen mit ihm bestehen könne. Die
Teleologie, die Vorstellung also der Zweckmäßigkeit der
Natur, ermöglicht die Konzeption eines sittlichen Endzwecks
der praktischen Vernunft. Natur und Freiheit finden in diesem
spekulativen Fluchtpunkt zusammen. Doch die Teleologie bleibt bei
Kant ein bloß regulatives Prinzip, das die Trennung zwischen
mechanischer und or­ganischer Naturbetrachtung prinzipiell
stehen lassen muß. In dieser Philosophie bezeichnet die auf
den sittlichen Endzweck bezogene teleologische Interpretation der
Natur nur einen legiti­men Leitfaden der Forschung, nur eine
virtuelle, bloß denkbare, niemals beweisbare
Vermitt­lung. Die Teleologie der organischen Welt ist bei Kant
kein dialektisches Prinzip der Versöh­nung, sondern reine
Möglichkeit. Das Bekenntnis zu einer dialektischen Denkform,
die den Kantischen Dualismus überwinden soll, wird auf diese
Weise zum Entréebillet für idealistisches
Philosophieren schlechthin. Vorderhand läßt sich das
Plädoyer für eine neue Physik also keinem bestimmten
Autor zuordnen.
Doch nur die formale Sicht auf diese mysteriöse
Äußerung des "Systemprogramms" erschwert eine
Entscheidung. Inhaltlich und material gesehen läßt sich
Schelling zwanglos zum Urheber dieses Gedankens machen. Schon 1797
arbeitet er speziell an einer Naturphilosophie und
verselbständigt sein Denken gegenüber Fichte. Welt und
Natur erschöpfen sich nicht in der Rolle des widerborstigen
Nicht-Ich. Sie sind selber geistbegabt:

Steckt zwar ein Riesengeist darinnen,
Ist aber versteinert mit seinen Sinnen,
Kann nicht aus dem engen Panzer heraus
Noch sprengen das eisern Kerkerhaus,
Obgleich er oft die Flügel regt, sich gewaltig dehnt
und bewegt,
In toten und lebend'gen Dingen
Tut mächtig nach Bewußtsein ringen; (28)

So formuliert das Schelling in seinem "Epikurisch
Glaubensbekenntniss Heinz Widerporstens" (1799). Nicht nur
metaphorische Anklänge freilich sprechen für Schelling.
Es ist ja vor allem die Methode des naturwissenschaftlichen
"Experiments", dem im "Systemprogramm" eine Absage erteilt wird.
Und gerade Schelling, der sich konkret um Kenntnisse in den
Naturwissen­schaften bemühte, um den darin versteinerten
Geist zu "beflügeln", muß die Methodologie die­ser
Realwissenschaften ein Stein des Anstoßes gewesen sein.
Worauf spielt denn eigentlich die ''langsame an Experimenten
mühsam schreitende Physik'' an? Erneut auf Kant, jedenfalls
was die Methode der Naturwissenschaften betrifft. Seine
Naturbetrachtung schreibt den Gegensatz zwischen Subjekt und Objekt
nicht nur fest; er setzt diesen Gegensatz für die Praxis jeder
Wis­senschaft apodiktisch voraus. Und damit propagiert Kant
jenes für die Neuzeit so fatale Na­turverständnis,
als dessen Widerpart die Philosophie Schellings bis heute zurecht
zitiert wird:

Die Vernunft muß mit ihren Prinzipien (...)
in einer Hand, und mit dem Experiment, das sie nach jenen
ausdachte, in der anderen, an die Natur gehen, zwar um von ihr
belehrt zu werden, aber nicht in der Qualität eines
Schülers, der sich alles vorsagen läßt, was der
Lehrer will, sondern eines bestallten Rich­ters, der die Zeugen
nötigt auf die Fragen zu antworten, die er ihnen
vorlegt. (29)

Am Experiment scheiden sich methodologisch Subjekt
und Objekt. Der Kritizismus Kants behandelt die Natur als eine Art
Projektionsfläche des Forschers, die ihm ohnedies nur die
Ant­worten erteilt, die er zuvor in sie hineingelegt hat.
Wichtiger noch: die Natur wird zum Objekt, zum Gegenstand, der
durchaus "genötigt" werden kann. Für eine
dialektisch-polare Betrach­tung der Subjekt-Objekt-Relation ist
diese Auffassung der Natur indiskutabel. Das Experiment zwingt
derart die Natur auf die "Folter", wie Goethe in seiner
"Farbenlehre" (1790-1810) dra­stisch urteilt. (30) Diejenige
Denkungsart, die sich über den Naturbegriff kritisch von der
neuzeit­lichen Wissenschaft distanziert und gleichzeitig eine
sensiblere Erforschung der Natur anstrebt, ist wohl auch klassisch
in Schelling wie Goethe repräsentiert.
Die Indizien, daß insbesondere Schelling für den
physikalischen Passus im "Systemprogramm" verantwortlich zeichnet,
sind meines Erachtens erdrückend eindeutig. Ich werfe noch
einen Blick auf die gesamte Passage, den Kontext, in dem die
Äußerung zur "beflügelten" Physik steht: ''Ich
möchte unserer langsamen an Experimenten mühsam
schreitenden Physik, einmal wieder Flügel geben. So –
wenn die Philosophie die Ideen, die Erfah­rung die Data angibt,
können wir endlich die Physik im Großen bekommen, die
ich von späte­ren Zeitaltern erwarte. Es scheint nicht,
daß die jetzige Physik einen schöpferischen Geist, wie
der unsrige ist, oder seyn soll, befriedigen könne. (S.
110)'' Ab 1797 war es Schelling, der seine "Einleitung zu den
Ideen zu einer Philosophie der Natur" bzw. seine
"Ideen zu einer Philosophie der Natur" publizierte. Und es
war wiederum Schelling, der besonders für den
"schöpferischen" Geist stritt, sei es in seiner
Naturphilosophie oder in seiner Philosophie der Kunst. Sollte das
"Systemprogramm" tatsächlich nicht von Schelling stammen, so
hat er sich jedenfalls am exaktesten an dessen Programmatik
gehalten.
Zu beachten ist schließlich auch noch der Umstand, daß
Schelling (auf Anregung Hölderlins) als erster der drei
Stiftler eine streng philosophische Korrektur an Fichtes
Wissenschaftslehre vorgenommen hat. Während bei letzterem das
– freilich absolut – konzipierte Ich einem
selbstgeschaffenen Nicht-Ich dominierend gegenübersteht,
dringt Schelling von Anfang an auf eine echt dialektische
Vermittlung von Subjekt und Objekt. Im "System des transzendentalen
Idealismus" (1800) beharrt er auf einer ungetrennten Einheit dieses
Widerspruchs im noch unreflektierten Wissen. Die Reflexion kann das
"Subjekt" aus dem ursprünglichen Zusammenhang herausheben. Und
damit löst sie eine Denkbewegung aus, die eben dieses Subjekt
in po­tenzierte Natur überführt; die Reflexion kann
aber auch das Objekt exponieren und damit dem Denken eine Bewegung
erteilen, die wiederum die Natur in potenzierten Geist
auflöst: "alle Philosophie", so Schelling, müsse
darauf ausgehen, "entweder aus der Natur eine Intelligenz,
oder aus der Intelligenz eine Natur zu machen."
Transzendentalphilosophie und Naturphiloso­phie seien deshalb
die "Grundwissenschaften" aller Philosophie. (31) Sie markieren die
beiden ent­scheidenden Denkbewegungen, innerhalb deren sich
Subjekt und Objekt vollständig durchdringen und
kreisförmig zu einer ungetrennten Totalität
ineinanderschließen. Mir scheint es deshalb kein Zufall,
keine unbedachte Heteronomie zu sein, daß im "Systemprogramm"
die Schöpfung aus Nichts (Fichtes Nicht-Ich) so
unvermittelt neben der neuen spekulativen "Physik" steht, die ein
Ausdruck schöpferischen Denkens werden soll. Es hat durchaus
den Anschein, als sei bereits an dieser Stelle die Kritik
Schellings an Fichte vorsichtet angedeutet. Jedenfalls ist sie
darin vorgebildet. Die hypothetische Autorschaft "Schelling"
gewinnt auch aus dieser Sicht an Wahrscheinlichkeit und
Plausibilität.
Von der Natur komme ich aufs Menschenwerk, so
heißt es weiter im Tex: ''Die Idee der Menschheit voran
– will ich zeigen, daß es keine Idee vom Staat
gibt, weil der Staat etwas mechanisches ist, so wenig als es
eine Idee von einer Maschine gibt. Nur was Gegenstand der
Freiheit ist, heißt Idee. Wir müssen also auch
über den Staat hinaus! – Denn jeder Staat muß
freie Menschen als mechanisches Räderwerk behandeln; und das
soll er nicht; also soll er aufhören. (''S. 110)
Dieser Passus, der sich entschieden gegen mechanisches Denken
richtet, ist von zentraler Bedeutung für den Neuansatz
idealistischen Philosophierens. Erneut nimmt vor allem Kant eine
schwer zu definierende Stelle zwischen alten und neuen Formen des
Argumen­tierens ein. Er hatte im zweiten Teil seiner "Kritik
der Urteilskraft" (1790) die rein kausalme­chanische von der
organisch-teleologischen Denkart deutlich unterschieden. Natur und
Freiheit jedoch erhalten nur ein regulatives Verhältnis
zueinander; dialektische Versöhnung im Sinne eines Absoluten
formuliert er, wie oben dargelegt, keineswegs. Die idealistische
Philosophie im engeren Sinn macht dagegen die Idee eines absolut
freien Wesens zum Ursprung eines einheit­lichen Wissens, das in
seiner Bildlichkeit wie in seiner Methode explizit von
organischen Denkformen bestimmt ist. Es lohnt sich, den
vielleicht größten Dialektiker der
Philosophie­geschichte, Georg Wilhelm Friedrich Hegel, einmal
ausführlich zu zitieren, um diesen entschei­denden
Zusammenhang zu belegen:

Daß (...) das Entgegengesetzte das Identische
sein soll, ist eben der Widerspruch selber. Wer aber ver­langt,
daß nichts existiere, was in sich einen Widerspruch als
Identität Entgegengesetzter trägt, der for­dert
zugleich, daß nichts Lebendiges existiere. Denn die Kraft des
Lebens und mehr noch die Macht des Geistes besteht eben darin, den
Widerspruch in sich zu setzen, zu ertragen und zu überwinden.
Dieses Setzen und Auflösen des Widerspruchs von ideeller
Einheit und realem Außereinander der Glieder macht den steten
Prozeß des Lebens aus, und das Leben ist nur als
Prozeß. Der Lebensprozeß umfaßt die
gedoppelte Tätigkeit: einerseits stets die realen Unterschiede
aller Glieder und Bestimmtheiten des Or­ganismus
(Hervorh. von G.B.) zur sinnlichen Existenz zu bringen,
andererseits aber, wenn sie in selb­ständiger Besonderung
erstarren und gegeneinander zu festen Unterschieden sich
abschließen wollen, an ihnen ihre allgemeine Idealität,
welche ihre Belebung ist, geltend zu machen. Dies ist der
Idealismus der Lebendigkeit. Denn nicht nur die Philosophie etwa
ist idealistisch, sondern die Natur schon tut als
Le­ben (Hervorh. von G.B.) faktisch dasselbe, was die
idealistische Philosophie in ihrem geistigen Felde vollbringt.
(32)

Der organische Lebensprozeß ist das
entscheidende Paradigma für dialektisches Denken, das einzige
empirische Korrelat, das mit wissenschaftlicher Strenge dem
spekulativen Idealismus ohne weiteres zugeordnet werden kann. Wir
erleben gegenwärtig, daß die dialektische Interpretation
der Geschichte und Kultur vor erheblich größere
Schwierigkeiten stellt. Auch in die­sem Zusammenhang scheint es
mir deshalb ein bedeutsamer Umstand zu sein, daß die
Dialektik des deutschen Idealismus vor allem im organischen
Lebensprozeß verwurzelt war. Kants wich­tige
Unterscheidung zwischen Mechanismus und Organismus ist faktisch der
Auslöser für eine neue dynamische Denkform, die
allerdings recht zügig in politisches, nach Hegel vollends in
ideologisches Fahrwasser gerät.
Die politischen, gesellschaftlichen und ästhetischen
Implikationen sind ja bereits Gegenstand des "Ältesten
Systemprogramms". In der Forderung nach dem "Aufhören" des
Staates liegt ein Hauch von Marxismus. Und somit stellt sich die
Frage, wie das dialektische Denken im Sinne einer organischen
Lebendigkeit die politische Bühne betritt. Die
gesellschaftliche Brisanz resultiert in diesem frühen Stadium
deutlich aus dem Gegenbild des Organismus, dem Mechanismus. Die
"Maschine" verleiht als grundsätzliche Negation dialektischen
Denkens dem Idealismus gesellschaftspolitischen Inhalt; ist doch
die Maschine der greifbare Ausdruck der industriellen Moderne. Das
mechanische Denken kann unter dieser Voraussetzung als
wesent­liches Moment der Entweiung und Entfremdung des modernen
bürgerlichen Staates begriffen werden. In diesem Gebilde gibt
es, hegelianisch geredet, nur das reale Außereinander der
Glieder, nicht aber jene ideelle Einheit, die erst den wahren
Lebensprozeß verbürgt. Somit kann es per definitionem
keine "Idee" von diesem Staat geben, sowenig als es eine Idee von
einer Maschine gibt. In ihm herrschen nur entfesselte
Partikularinteressen, die in selbständiger Besonderung
erstarren und sich zu festen Unterschieden abschließen. Aus
dieser Sicht teilt sich der moderne Staat in unvermittelte Klassen
und Stände. Hochspezialisierte, aber unvollständige
Menschen bewegen sich in einem mechanischen Räderwerk, das vom
Nutzen und der Effektivität ausschließlich regiert wird.
Diese Entweiung ist kein immanenter Widerspruch bloß
theoretischen Denkens. Sie bezeichnet vielmehr exakt die reale
praktische Erfahrung dessen, was Karl Marx später als
Entfremdung reflektiert. Die Begründung ist hier freilich
nicht materialistisch-ökonomisch, sondern rein idealistisch zu
verstehen. Als Maschine ist der Staat antidialektisch schlechthin
und hat somit sein moralisches Existenzrecht verwirkt.
Völlig zurecht ist in diesem Zusammenhang häufig auf
Schillers Abhandlung "Über die ästhe­tische Erziehung
des Menschen" (1795) hingewiesen worden. Im 6. Brief vergleicht er
den modernen bürgerlichen Staat mit einem "kunstreichen
Uhrwerke (...) wo aus der Zusammen­stückelung unendlich
vieler, aber lebloser Teile ein mechanisches Leben im Ganzen sich
bildet." Und er fährt, die Entfremdung beschreibend, fort:

Auseinandergerissen wurden jetzt der Staat und die
Kirche, die Gesetze und die Sitten; der Genuß wurde von der
Arbeit, das Mittel vom Zweck, die Anstrengung von der Belohnung
geschieden. Ewig nur an ein einzelnes kleines Bruchstück des
Ganzen gefesselt, bildet sich der Mensch selbst nur als
Bruch­stück aus. (33)

Intertextuell ist für das "Systemprogramm" die
These von der Staats-Maschine überaus wich­tig. Es
wäre leicht, auf ältere Quellen zurückzugreifen als
die nahezu zeitgleiche Abhandlung Schillers; z.B. auf Herders
"Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit" (1784-85),
worin von der "brechlichen Maschine" die Rede ist, "die man
Staatsmaschine nennet, ohne in­neres Leben und Sympathie." (34)
Von Anfang an scheinen vor allem organische Gegenbilder die
Kulturkritik zu bestimmen – so etwa, wenn Herder vom "Volk"
als "einer Pflanze der Natur" (35) spricht. Trotz dieser textuellen
Bezüge sollte jedoch die Radikalität des Ansatzes im
"Ältesten Systemprogramm" nicht übersehen werden. Die
Philosophie wendet sich deutlich in die Praxis. Was bei Kant noch
als theoretische Problematik erörtert wird – der
Gegensatz zwischen orga­nischem und mechanischem Denken, der
nur regulativ in einem unendlichen
Annäherungs­prozeß ausgeglichen werden kann –,
das erhält im deutschen Idealismus politische und
kultur­kritische Sprengkraft. Überhaupt verhält sich
der Idealismus in seinem Frühstadium zu Kant wie der
Revolutionär zum Reformer. Kants Geschichtsauffassung, wie er
sie in der "Idee zu einer allgemeinen Geschichte in
weltbürgerlicher Absicht" (1784) formuliert hat, bezeugt sein
besonnenes Ideal einer endlosen Annäherung des menschlichen
Geschlechts an das Sittlich-Gute. Im "Systemprogramm" dagegen wird
dieses vorsichtige Reformdenken zu einer ''unter­geordneten
Idee'' (S. 110), ein Ausdruck, womit hier Kants Abhandlung "Zum
ewigen Frieden" (1795) bedacht wird.
Die Abschaffung der Entfremdung der modernen bürgerlichen Welt
wird im "Ältesten Systemprogramm" nicht nur einfach gefordert.
Die oberste Idee, die alle Ideen organisch in sich vereinigt, wird
konstruktiv in der Schönhei gesehen: ''Ich bin
nun überzeugt, daß der höchste Akt der Vernunft,
der, indem sie alle Ideen umfaßt, ein ästhetischer Akt
ist, und daß '''Wahrheit und Güte, nur in der
Schönheit' verschwistert sind. (S. 111) Die Kunst als
höchste Synthese und gleichsam "Organon der Philosophie" ist
nun gewiß eine Vorstellung, die sich vor allem auf Schelling
beziehen läßt. Für ihn ist die Kunst "Ausfluß
des Absoluten" (36), die vorbildliche Einbildung des Unendlichen
ins Endliche. Sie allein schlägt eine Brücke zwischen der
Reflexion des Philosophen und der sinnlichen Welt: "Durch die
Kunstlehre bildet sich innerhalb der Philosophie selbst ein engerer
Kreis, in dem wir unmittelbar das Ewige gleich­sam in
sichtbarer Gestalt schauen, und so steht diese richtig verstanden
mit der Philosophie selbst im vollkommensten Einklang." (37) Was
die Philosophie als Urbild, als absolutes Prinzip
organisch-dialektisch reflektiert, findet in der Kunst ein direktes
Gegenbild: Denken und An­schauen, theoretische Wahrheit und
sinnliche Praxis, Bewußtes und Unbewußtes sind im
ästhe­tischen Akt in unendlicher Harmonie
vereinigt: "Philosophie der Kunst ist notwendiges Ziel des
Philosophen, der in dieser das innere Wesen seiner Wissenschaft wie
in einem magischen und symbolischen Spiegel schaut." (38)
Erst unter dieser Voraussetzung, wonach die Kunst als unmittelbarer
sinnlicher Ausdruck des Absoluten selbst zu betrachten ist, wird
der scharfe polemische Zusatz des "Systemprogramms"
verständlich. Philosophen ohne den ästhetischen Sinn
erscheinen hier als die von Fichte und Schiller beklagten
"Buchstabenphilosophen". In endlicher Reflexion befangen, erheben
sie sich nicht zur alles entscheidenden, organisch-dialektischen
Denk­methode. Sie gehen mechanisch vor und gelangen über
"Tabellen und Register" niemals hinaus. "Der tote Buchstabe", so
spottet schon Schiller, "vertritt den lebendigen Verstand, und ein
ge­übtes Gedächtnis leitet sicherer als Genie und
Empfindung." (39) Das "Systemprogramm" schließt sich dieser
Kritik an und radikalisiert sie. Kunst wird im Sinne Schellings zum
Werkzeug ("Organon") von Philosophie und Wissenschaft schlechthin:
''Der Philosoph muß eben so viel ästhetische Kraft
besitzen, als der Dichter. Die Menschen ohne ästhetischen Sinn
sind unsere Buchstaben-Philosophen. Die Philosophie des Geistes ist
eine ästhetische Philosophie. Man kann in nichts geistreich
seyn, selbst über Geschichte kann man nicht geistreich
raisonnieren – ohne ästhetischen Sinn. Hier soll
offenbar werden, woran es eigentlich den Menschen fehlt. die keine
Ideen verstehen, – und treuherzig genug gestehen, daß
ihnen alles dunkel ist, sobald es über Tabellen oder Register
hinausgeht.'' (S. 111)
Wie verhält sich nun aber die synthetisierende Kraft der Kunst
zum Tatbestand moderner Entfremdung? Der nächste Absatz des
"Systemprogramms" gibt darauf einen Hinweis: ''Die Poesie bekommt
dadurch eine höhere Würde, sie wird am Ende wieder, was
sie am Anfang war –Lehrerin der Menschheit; denn es
gibt keine Philosophie, keine Geschichte mehr, die Dichtkunst
allein wird alle übrigen Wissenschaften und Künste
überleben.'' (S. 110) Hier wird die organisch-dialektische
Denkmethode auf den geschichtlichen Prozeß projiziert. Die
gegenwär­tige Welt der Entzweiung und Entfremdung
erscheint als Durchgangsstadium einer Entwick­lung. Sie wird
nicht als dualistische Statik festgeschrieben, sondern als
notwendiger Bestandteil eines mythischen Schemas interpretiert;
eines Schemas, das in Zukunft die Wiederherstellung des ungeteilten
poetischen Zusammenhangs aller Dinge in Aussicht stellt. Die
ursprüngliche Einheit (Stadium 1) hat sich entzweit (Stadium
2). Sie erneuert sich aber im Werden des ge­schichtlichen
Prozesses (Stadium 3). Die Dialektik akzeptiert also keineswegs ein
bloß sukzes­sives Fortschreiten der Zeit, das die
Vergangenheit unwiederbringlich verabschiedet. Dieses geteilte
Bewußtsein, das Vergangenes, Gegenwärtiges und
Zukünftiges unvermittelt nebeneinander bestehen
läßt, ist selbst bloß Ausdruck der verlorenen
Einheit. Linear gedachte Zeit, die ihre eindimensionale Ebene in
Abschnitte unterteilt und diese Trennungen lediglich
kausalmechanisch verknüpft, hat im genetischen Modell der
Dialektik keinen Platz. Die mo­derne Zeitvorstellung hat
Ursprung wie Ziel verloren, weil sie Ursprung und Ziel weder
aus­einander entwickeln noch aufeinander beziehen kann. Die
Genesis, das Werden, der Prozeß ist für die Denker des
deutschen Idealismus konstitutiv. Was das gewöhnliche
Bewußtsein als un­überwindbaren Gegensatz empfindet,
ist letztlich nur ein Moment eines dynamisch gedachten Absoluten,
das sich entäußert hat, in dieser Entäußerung
und Entfremdung aber wieder zu sich selbst unterwegs ist.
Auch hier fällt es keineswegs schwer, den direkten Bezug zu
Schelling herzustellen: "Ein System ist vollendet, wenn es in
seinen Anfangspunkt zurückgeführt ist." (40) Dieser
formale Gesichtspunkt freilich spricht noch nicht ausdrücklich
für ihn. Das genetisch-zyklische Ge­schichtsmodell findet
sich wesentlich "systematischer" bei Hegel. Der explizite Bezug
dieses Modells jedoch auf die Kunst, ferner die Interpretation der
Poesie als ursprüngliche und mythi­sche Kraft, die selbst
Geschichte und Philosophie übersteigt, ist
außerordentlich typisch für Schelling:

Wenn es nun aber die Kunst allein ist, welcher das,
was der Philosoph nur subjektiv darzustellen ver­mag, mit
allgemeiner Gültigkeit objektiv zu machen gelingen kann, so
ist, um noch diesen Schluß daraus zu ziehen, zu erwarten,
daß die Philosophie, so wie sie in der Kindheit der
Wissenschaft von der Poesie geboren und genährt worden ist,
und mit ihr alle diejenigen Wissenschaften, welche durch sie der
Vollkommenheit entgegengeführt werden, nach ihrer Vollendung
als ebenso viele einzelne Ströme in den allgemeinen Ozean der
Poesie zurückfließen, von welchem sie ausgegangen waren.
(41)

Als "Mittelglied" dieses Prozesses denkt Schelling
konsequent im Sinne des "Systemprogramms" eine "neue Mythologie".
(42) Der Tenor dieses Denkens unterscheidet sich damit deutlich vom
nüchternen Begriffsarbeiter Hegel, den Schreiber, nicht aber
den geistigen Verfasser des "Systemprogramms". Schelling war vor
allem am mythologischen Kreis, der Ge­schlossenheit des
dialektischen Argumentierens interessiert, worin sich das
geschichtliche "Nacheinander in ein Zumal verwandeln wird". (43)
Verglichen mit diesem produktiven und en­thusiastischen Denken,
das den konkreten Prozeß mitunter in genialer Manier
überfliegt, könnte man Hegel gleichsam als exakten
Mathematiker und Grammatiker der Dialektik be­zeichnen, der dem
Denken keinen Schritt dieses Prozesses erläßt.
Der Gedanke eines mythischen Schemas, worin die Poesie Arché
wie Telos der Entwicklung sein soll, ist freilich älter als
das "Systemprogramm". Und wieder kann Schiller als
exemplari­scher Vordenker dieses kleinen Textfragmentes zitiert
werden. Er bezog den Gedanken eines in der Poesie gründenden
mythologischen Kreises aus einer Unterredung mit Wieland. Am 9.
Februar 1789 schreibt er an Körner: Die Kunst habe die
"wissenschaftliche und sittliche Kultur vorbereitet". Diese aber
sei noch nicht das Ziel selbst, "sondern nur eine zweite Stufe" zu
die­sem Ziel, "obgleich der Forscher und Denker sich vorschnell
schon in den Besitz der Krone ge­setzt und dem Künstler
den Platz unter sich angewiesen." Erst dann schließlich sei
"die Vollen­dung des Menschen da, wenn sich wissenschaftliche
und sittliche Kultur wieder in die Schön­heit
auflöse." (44) Wichtiger als die bloße Benennung von
Referenztexten erscheint mir jedoch ein anderer Aspekt. Die
"Poesie", der mythologische Ursprung des zyklischen Schemas,
rückt in einen ganz spezifischen Gegensatz zur modernen
Reflexion, die nicht nur der deutsche Idealismus als Hauptmoment
der Trennung und Teilung interpretiert. Und dieser moderne
Reflexionsgeist wird von Anfang an im diskursiven rationalen
Verstand neuzeitlicher Wissen­schaft lokalisiert. Nicht umsonst
spiegelt sich im mythischen Schema des "Systemprogramms" (wie auch
seiner Vorläufer) eine Hierarchie der Künste und
Wissenschaften wider. So berichtet Schiller über Wieland:
"Alles was wissenschaftliche Kultur in sich begreift, stellt er
tief unter die Kunst, und behauptet vielmehr, daß jene dieser
diene. Wenn ein wissenschaftliches Ganze über ein Ganzes der
Kunst sich erhebe, so sei es nur in dem Falle, wenn es selbst ein
Kunst­werk werde." (45) Sobald die Poesie zum Ursprung, also
principium bzw. telos avanciert, ver­deckt auch
die eloquenteste Dialektik nur notdürftig diese statische
Wertung. Und es bedarf nicht erst der romantischen Universalpoesie,
um für die Dichtung als Königin aller Wissen­schaften
und Künste eine Lanze zu brechen.
Sehr früh herrscht freilich die Einsicht vor, daß der
Rationalismus von der Poesie nicht über­wunden, sondern
vor allem ergänzt werden soll: Die "dichterische Einbildung"
führe die "Philosophie auf die Erde", um sie "in Handlung" zu
zeigen, so äußert sich schon Herder in seiner
Aufsatzsammlung "Über die neuere Deutsche Literatur." (1767)
(46) Auch er denkt über die "Mythologie der Alten" nach. Sie
soll als "poetische Heuristik" die Neueren selbst wieder zu
produktiven"Erfindern" machen. Gefragt sei letztlich ein
"philosophischer Homer" oder ein "dichterischer Plato". (47) Hier
wird die Synthese einer neuen Mythologie der Vernunft, wie sie das
"Systemprogramm" fordert, deutlich vorweggenommen. Aber es besteht
ein entscheiden­der Unterschied, und dieser liegt in der
Denkform: Für Herder ist der Gegensatz von zerglie­dernder
Rationalität und synthetisierender poetischer Einbildungskraft
nicht so wohlfeil zu überwinden wie für den dogmatischen
Dialektiker. Er sieht Verstand und Phantasie in einem
anthropologisch zugespitzten Gegensatz:

Da diese Erfindungskraft aber zwei Kräfte
voraussetzt, die selten beisammen sind, und oft gegeneinan­der
würken: den Reduktions- und den Fiktionsgeist: die
Zergliederung des Philosophen und die Zusam­mensetzung des
Dichters: so sind hier viele Schwierigkeiten, uns gleichsam eine
ganz neue Mythologie zu schaffen. (48)

Derart tritt die poetische Einbildungskraft dem
trennenden oder zergliedernden Verstand
gegenüber. Diese Beiwörter finden sich häufig gerade
in dialektisch motivierten Texten, denn sie deuten auf ein
philosophisches Kardinalproblem der Moderne: Die wissenschaftliche
Rationali­tät der Neuzeit gründet in der Trennung von
res cogitans und res extensa, in der Trennung von Subjekt und
Objekt, an deren Demarkationslinie, wie oben angesprochen, der
experimentelle Geist der Neuzeit allererst entspringt.
Spätestens an diesem Punkt muß auch der nicht umsonst
tragisch anmutende Hölderlin erwähnt werden, der einzige
genuine Dichter der drei berühmten Stiftler. Er hat der
modernen Entzweiung den vielleicht sensibelsten Ausdruck
verliehen:

Eines zu sein mit Allem, das ist Leben der
Gottheit, das ist der Himmel der Menschen.
Eines zu sein mit Allem, was lebt, in seliger Selbstvergessenheit
wiederzukehren ins All der Natur, das ist der Gipfel der Gedanken
und Freuden (...).
Einig zu sein mit Allem, was lebt! (...) und Unzertrennlichkeit und
ewige Jugend beseliget, verschönert die Welt.
Auf dieser Höhe steh' ich oft, mein Bellarmin! Aber ein Moment
des Besinnens wirft mich herab. (49)

Dieses reflexive Moment ist für den deutschen
Idealismus jedoch Teil des dialektisch beweg­ten, mythischen
Schemas, das vielleicht am besten als Sehnsucht nach der
ungeteilten Fülle des Seins beschrieben werden kann. Auch
für den jungen Hölderlin ist das ohne weiteres
nachweis­bar. Im eben zitierten Hyperion (1796-98)
heißt es in der Vorrede zur zweiten Fassung:

Wir hätten auch keine Ahndung von jenem
unendlichen Frieden, von jenem Sein, im einzigen Sinne des Worts,
wir strebeten gar nicht, die Natur mit uns zu vereinigen, wir
dächten und wir handelten nicht, es wäre überhaupt
gar nichts (für uns), wenn nicht dennoch jene unendliche
Vereinigung, jenes Sein, im einzigen Sinne des Worts vorhanden
wäre. Es ist vorhanden – als Schönheit; es wartet,
um mit Hyperion zu reden, ein neues Reich auf uns, wo die
Schönheit Königin ist. (50)

Hier wird die tiefenpsychologische Ableitung einer
neuen Metaphysik präsentiert, die gleich­sam im
unbewußten Antrieb, im reinen Gefühl des Gegensatzes
selbst, eine dialektische Über­windung in Aussicht stellt.
Das Signum des Absoluten, der unmittelbare Ausdruck seiner
Onto­logie, wird ganz im Sinne des "Systemprogramms" in der
Schönheit lokalisiert.
Gewiß kann der Ausblick auf eine Überwindung der
Entzweiung durch Kunst und Schönheit nicht einfach Schelling
zugeordnet werden. Der Einfluß Schillers und Hölderlins
auf das "Systemprogramm" ist nicht zu übersehen. Der Bezug des
Fragmentes auf Schellings Texte gewinnt aber dort beeindruckend
Stringenz, wo die dialektische Denkbewegung einer höheren
Einheit, die sich nach Verlust des ursprünglichen
Zusammenhangs schließlich wiederherstellt, in Form einer
Mythologie der Vernunft betrachtet wird. Jedenfalls hat sich
Schelling in seiner Philosophie der Kunst (1802)
bemüht, das "Systemprogramm" auch in diesem Punkt
tatsäch­lich auszuarbeiten. Obwohl die philosophische
Basisarbeit und das "close-reading" auch wei­terhin ihren Gang
nehmen, widme ich diesem Aspekt ein eigenes Kapitel, weil die
sogenannte Vernunftmythologie mich aus dem unmittelbaren Kontext
des "Systemprogramms" hinausfüh­ren wird. Dieses
"Systemprogramm" hat es zweifellos in sich.

3. Die neue Mythologie

''Zuerst werde ich hier von einer Idee sprechen, die so viel ich
weiß, noch in keines Menschen Sinn gekommen ist – wir
müssen eine neue Mythologie haben, diese Mythologie aber
muß im Dienste der Ideen stehen, sie muß eine
Mythologie der Vernunft werden.'' (S. 111-112) – Zur
formalen Erörterung dieses Themas haben wir die
Voraussetzungen schon erarbeitet. "Im Dienste der Ideen stehen"
– das heißt, die Mythologie muß hier als Organon
der dialektisch-organischen Vernunft und als Inbegriff des
Absoluten auftreten. Denn die Ideen sind ''Gegen­stand der
Freiheit'' (S. 110) und werden dem mechanischen Denken
ausdrücklich entgegen­gesetzt. Die Mythologie dieser
explizit dialektischen Vernunft wird dabei der Poesie
zugeord­net, denn die Schönheit vereinige (S. 111)
alle übrigen Ideen. Damit hat die Mythologie der Ver­nunft
notwendig Teil an jener Denkbewegung, die oben am Gegensatz von
Kunst und Wissen­schaft, von poetischer Einbildungskraft und
zergliederndem Verstand entwickelt wurde. Sie umfaßt das
triadisch fortschreitende Schema von Einheit, Verlust dieser
Einheit sowie wieder­herzustellender Einheit. Zwischen Anfang
und Ende dieses Prozesses, der im Absoluten in Ei­nes
fällt, steht die historische Entfaltung des Gegensatzes, der
sich als Entzweiung beschreiben läßt. Diese Entzweiung
ist Teil einer Entwicklung, worin sie keineswegs statisch verharrt.
Ständig vermittelt sich der Gegensatz in sich selber, bis hin
zu seiner Aufhebung, zum erneuer­ten poetischen Zustand, in dem
selbst alle Geschichte aufhört. Historie ist ihrerseits ja nur
das reflektierte Bewußtsein jener Konkretisierung und
Vermittlungsarbeit des Absoluten. Kehrt letzteres in sich selbst
zurück, so wird nicht nur die Geschichte, sondern
überhaupt das tren­nende Reflexionswesen der Wissenschaft
seiner poetischen Vollendung zugeführt. Dieser
Pro­zeß als Ganzes, d.h. sowohl in seiner mühsamen
Vermittlung als auch in seiner Auflösung ge­dacht, wird
formal als "Mythologie der Vernunft" betrachtet. Erst dieser
Begriff auch ermög­licht es, Eigenschaften miteinander zu
kombinieren, die für ein dualistisches Denken über ein
unlösbares Paradoxon nicht hinausgelangen: Sinnlichkeit und
Vernunft, esoterische Philoso­phen und die Masse werden im
Fließzustand des Prozesses gleichzeitig konkretisiert und
aufgelöst: ''Ehe wir die Ideen ästhetisch d.h.
mythologisch machen, haben sie für das Volk kein
Interesse und umgekehrt ehe die Mythologie vernünftig ist,
muß sich der Philosoph ihrer schämen. So müssen
endlich Aufgeklärte und Unaufgeklärte sich die Hand
reichen, die Mythologie muß philosophisch werden, und das
Volk vernünftig, und die Philosophie muß mythologisch
werden, um die Philosophen sinnlich zu machen. Dann herrscht ewige
Einheit unter uns.'' (S. 112) Dies ist Dialektik par excellence.
Ihr synthetisches Telos wäre unzweifelhaft die
ästhetische Utopie im Sinne Schillers, ja selbst noch im Sinne
des jungen Marx, eine Utopie, worin 'gleiche'
''Ausbildung aller Kräfte, des Einzelnen sowohl als
aller Individuen'' (S. 112) möglich wird. Der Staat
hört, so verstanden, tatsächlich auf, d.h. er verliert
seinen me­chanistischen und unorganischen Charakter, der ihn
wesentlich konstituiert. – So viel zur for­malen Seite
der "Mythologie der Vernunft". Bei der (zweifellos notwendigen)
Diskussion um die Priorität des Mythologiegedankens (51)
bleibt zuweilen außer acht, daß er ein notwendiges
Produkt der dialektischen Kulturkritik darstellt, weil er
von deren Form untrennbar ist.
Wie ist der Begriff einer Mythologie der Vernunft nun inhaltlich zu
verstehen? Dieser Aus­druck spiegelt offensichtlich die
Begeisterung für die Antike wieder, die Schelling und seine
Zeitgenossen erfaßt hat. In der "Philosophie der Kunst"
figuriert das Homerische Epos als Pa­radigma
künstlerischer Darstellung katexochen. In ihm werde "die
Ideenwelt als eine Welt der Götter angeschaut (...). Diese
Welt ist der Stoff aller Poesie. Wo er sich bildet, ist die
höchste Indifferenz des Absoluten mit dem Besonderen in der
realen Welt produziert." (52) Der Begriff "Mythologie" bezeichnet
demnach den systematisch und historisch reflektierten Zustand der
Einheit, des noch ungetrennten Ursprungs von Poesie und
Wissenschaft. Der "Mythos" wiederum wird als Synonym für ein
organisches, in sich geschlossenes Kulturverständnis
ge­braucht, das schlechthin alle Lebensbereiche durchdringt.
Die dialektisch verstandene "Mythologie" entsteht somit aber auch
aus einem historischen Bewußtsein, das seine eigene
Modernität als inneren reflexiven Bruch mit dieser hermetisch
geschlossenen Kulturvorstellung erfährt. Die systematische
Dialektik der Mythologie will eben diese abstrakte Distanz wieder
in den Ursprung zurücknehmen, indem sie auf einen
zukünftigen echten Mythos spekuliert. Dabei fällt die
Moderne ihrem eigenen geschichtlichen Bewußtsein zum Opfer.
Sie veraltet in einer prognostizierten Zukunft, in der selbst alle
Geschichte wieder aufhören wird. Die reflexive Trennung wird
überwunden, der Einzelne erneut zum Repräsentanten des
Ganzen. Das aber heißt: die reflexive Moderne und die
hermetisch geschlossene Antike werden inhaltliche Kern­bereiche
der neuen Mythologie. Sie werden zu Protagonisten eines Dramas
stilisiert, in dem es letztendlich um kulturelle Erneuerung
geht.
Die Gegenüberstellung von Mythos und entfremdeter Moderne ist
charakteristisch nicht nur für Schelling und Schiller, sondern
gleichermaßen für Hegel und Hölderlin. Sie
verbürgt die bis heute gängigen, antithetischen Formeln
der ästhetischen Kulturkritik. Sie findet sich wieder in
Gegensätzen wie "naive" und "sentimentalische" Dichtung
(Schiller) oder auch in eminent wichtigen Unterscheidungen wie
"prosaischer" und "poetischer Weltzustand" (Hegel). Doch nicht nur
die Diagnose der Entfremdung und Entweiung ist im "Systemprogramm"
exempla­risch vorgezeichnet, sondern auch der utopische
Ausblick auf ihre Überwindung – bis hin zum Verschwinden
des modernen bürgerlichen Staats. Und spätestens damit
wird ein Punkt berührt, den ich eingangs angedeutet habe: Die
neue Mythologie ist vor allem eine Mythologie der
dia­lektischen Vernunft. Und ist ihr absoluter Anspruch,
der sich vor allem in der Vorstellung einer organisch geschlossenen
Kultur niederschlägt, in den totalitären Unternehmungen
des 20. Jahrhunderts nicht hoffnungslos gescheitert? Es hat ganz
den Anschein, als sei die Utopie un­wiederbringlich
verabschiedet. Die Nazis haben augenfällig demonstriert, wohin
eine Mytho­logisierung und Ästhetisierung von Polis und
Politik führt. Die bürokratische
Instrumentalisie­rung der Geschichte durch den Stalinismus
stimmt kaum zuversichtlicher. Sie legitimiert den Archipel Gulag
als konkrete Vermittlung des Absoluten. Das Ideal einer
geschlossenen Kultur in der Moderne bedingt allenfalls die
geschlossene Verabschiedung von Kultur überhaupt. Es ist
deshalb wichtig, den totälitären Charakter der
Dialektik zu bedenken, sobald sie sich ins Utopische wendet.
Doch wäre es allzu vereinfachend, den deutschen Idealismus
rückwirkend als Vorläufer des Totalitarismus des 20.
Jahrhunderts zu interpretieren. Der Ursprung der Dialektik ist
keines­wegs im Materialismus oder der politischen Geschichte zu
lokalisieren. Er liegt deutlich in der Kunst, genauer: der
klassischen Kunst. Ihre Geschlossenheit und organisch ausgewogene
Durchbildung hat nicht zuletzt Schellings berühmtes Diktum
inspiriert, wonach die Kunst das Organon der Philosophie sei.
Derart wurde Schelling häufig als "Romantiker"
mißverstanden, weil er der Poesie als erster Denker absoluten
Rang zusprach. Eine genauere Lektüre jedoch läßt
keinen Zweifel daran, daß Schelling das Absolute vor allem in
der antiken und klassischen Kunstform repräsentiert sah. Er
hatte wenig Verständnis für die subjektiv und ironisch
ge­stimmte Romantik, die genialisch und fragmentarisch im
Unendlichen statt in der geschlossenen Form endet. Rein
ästhetisch betrachtet fiel er hinter Schiller zurück, der
sich mit der Kategorie des "Sentimentalischen" nachklassischer
Kunst geöffnet hatte. Und selbst Hegel nahm die
ver­änderte Situation modernen Kunstschaffens durchaus
ernst. Denn er sieht im Tatbestand der Subjektivität und
Reflexivität ein Ende aller herkömmlichen Seinsweise von
Kunst. Gerade Schellings Organon-Gedanke dagegen zeigt: die
klassische Kunstform stand der klassischen Dialektik Pate. Die
vollendete Balance zwischen Subjekt und Objekt, zwischen Einzelnem
und Ganzem, das durchkomponierte und in sich geschlossene "Werk"
interpretierte Schelling als sinnliche Repräsentation des
Absoluten. Seine Kunstphilosophie ist die notwendige Kehrseite
seiner Naturphilosophie. In beiden Fällen wird ein allzu
Subjektives bekämpft: zum einen in der Person Fichtes, zum
anderen in Gestalt moderner Kunstformen. In beiden Fällen auch
ist es die Vorstellung des Organischen, die polemisch ins Feld
geführt wird. Im Organismus sind Teil und Ganzes in einem
untrennbaren funktionellen Zusammenhang, der Subjektives wie
Objekti­ves nur noch als dialektische Momente eines lebendigen
und schöpferischen Werdens auffaßt. Das Denken wird
verflüssigt zum Prozeß. Es wird zum Bewußtsein
seiner eigenen Genesis. Und diese Selbstbezüglichkeit des
Denkens findet nur im Absoluten einen Halt und Ruhepunkt, wenn es
sich nicht im Unendlichen verlieren will. Die Vorstellung eines
geschlossenen "Organismus" wird deshalb in den Ästhetiken
Schellings wie Hegels konsequent haraufbe­schworen, wenn die
Seinsweise des (klassischen) Kunstwerks beschrieben wird. Besonders
Hegel verwendet dabei immer wieder das Attribut "totalitär",
wofür die Einleitung in den drit­ten Teil seiner
Ästhetik ("Die Poesie") ein gutes Beispiel ist. Man
müßte also schon rückwir­kend mit dem Begriff
des Totalitären diese ästhetischen Texte
"dekonstruieren", um sie als Vorläufer politischer Diktaturen
zu interpretieren.
Aus der Verantwortung entlassen sind sie damit freilich nicht. Der
totalitäre Hang der Dia­lektik spiegelt sich in den
"Ästhetischen Briefen" Schillers und im "Systemprogramm"
durchaus wider: in Form einer ästhetischen Politik und
letztendlich ästhetisch begründeten Aufhebung des
Staates. Die "neue Mythologie" soll außerdem im Zeichen
radikaler Praxis das Denken an das Handeln "zurückbinden". Und
diese Konnotation der Dialektik mit Mystik und Religion ist ein
bedeutsames Moment. In der angeblichen Überwindung der
kritischen Philosophie Kants befürworten die Dialektiker ein
Denken, das eine theologische Dimension nicht verleugnen kann.
Schelling wie Hegel umgibt nicht selten eine ebenso dogmatische wie
scholastische Au­ra. Nicht umsonst kleidet sich zum Beispiel
der "Weltgeist" in theologisches Vokabular. Der geschichtslenkende
philosophische Begriff wird zur säkularisierten Vorsehung und
zur Glau­bensfrage stilisiert. Bei all ihrer List kann diese
Vernunft ihren erbaulichen "göttlichen" Ur­sprung nicht
verleugnen. Aber auch schon im Prinzip des dialektischen Denkens
liegen ver­kappte theologische Grundannahmen. So darf der
Widerspruch der bloß endlichen Vernunft niemals in seiner
existentiellen, tragischen oder auch nur ironischen
Widersprüchlichkeit selber gesehen werden. Denn im Setzen des
Widerspruchs ist auch schon seine wundersame Aufhe­bung
unentrinnbar impliziert. (53) Das "Absolute" wird zum Schibboleth
einer stets verfügbaren Theodizee, im Geschichtlichen, im
Anthropologischen, erst recht im Politischen. Auch
rück­blickend kann der deutsche Idealismus dieser Kritik
nicht entgehen. Und gerade Kant wäre eine vorzügliche
Quelle gewesen, um die Theologie auf Distanz zu halten. So gesehen
ist Fichtes Bruch mit Kant unter dem Vorzeichen eines zwingenden
und einheitlichen Prinzips und dessen Verklärung zum
Absoluten, philosophisch geredet, der Sündenfall des
deutschen Idealismus. Genau aus dieser Quelle rührt auch die
Ungerechtigkeit der Idealisten gegenüber der romantischen
Ironie, die den Bruch zwischen Poesie und Prosa eher betont als
versöhnt. Bis in die siebziger Jahre unseres Jahrhunderts
hinein leidet die Utopie erheblich an einer allzu optimistischen
Philosophie, die formal in Hegel und dem deutschen Idealismus ihren
Ursprung hat.
Doch die im "Systemprogramm" so dicht und komplex entworfenen
Ansätze zeigen, daß die Problematik tiefer liegt. Von
der theologischen und totalitären Komponente abgesehen, ist
der kritische Impetus der Dialektik zu betonen. Die neue Mythologie
gewinnt mit ihrer organisch geschlossenen Kulturvorstellung ein
vorzügliches Instrument, um die Moderne einer scharfen und
radikalen Kritik zu unterziehen. Der Mythos ist die Folie, worauf
sich die durchgehende Entfremdung und Entzweiung der
bürgerlichen und industriellen Gesellschaft erst allumfassend
abzeichnet. Zudem ist spätestens seit dem 18. Jahrhundert die
Historisierung und die Verzeitli­chung des menschlichen
Bewußtseins unübersehbar. Eine immer höhere
Geschwindigkeitsrate der Veränderung erhebt die
Gesetzmäßigkeit historischer Entwicklung zum kardinalen
Denk­problem. Um den Prozeß zu reflektieren, gibt es zum
Prozeßdenken schlechthin, der Dialektik, schwerlich eine
Alternative. Hiermit aber entsteht ein grundsätzliches
Dilemma: Um interpre­tieren und kritisieren zu können,
benötigen wir in einer immer schneller bewegten Welt das
In­strument der Dialektik. Läßt diese sich aber
kritisch instrumentalisieren? Ist die kritische Sub­stanz der
Dialektik verfügbar ohne ihre totalitäre Dynamik? Gibt es
dialektische Kritik ohne Ideologie? Und verliert nicht, umgekehrt,
dialektische Kritik ihren Stachel, wenn sie ideolo­gisch
entgiftet wird? Ich denke, hier liegt ein echtes Problem
verborgen.
Gegenwärtig jedenfalls wird das Ende der Utopie beschworen,
deren Schicksal allzu eng mit dialektischen Denkformen
verknüpft scheint. Kulturpsychologisch ließe sich
behaupten, daß das postmoderne Requiem auf die Utopie eine
Reaktion auf die überzogenen, d.h. absoluten
Erwartungen darstellt, die durch Dialektik begründet wurden.
Erklärt ist damit freilich wenig. Möglicherweise ist es
sinnvoll, zunächst auf Gedanken zurückzugreifen, die in
der Philoso­phiegeschichte abseits der Dialektik gleichfalls
ihren klassischen Ort haben. Sie vervollständigen und
klären wenigstens die Problematik. Auch die akademische
Philosophie wird sich dergestalt dazu bequemen müssen, neben
Hegel Schopenhauer zu zitieren. Denn bis zum heutigen Tag hat
niemand totalitäre Geschichtskonstruktionen entschiedener
bekämpft als gerade dieser. "Historia" ist für
Schopenhauer bloß Erkenntnis des Einzelnen und
Zufälligen. Unsinnig sei es, daraus eine Wissenschaft
"organisch zu konstruieren" (54), aus der immer wer­denden,
niemals seienden Erscheinung verallgemeinernde
Schlußfolgerungen zu ziehen. Er be­nutzt also die
statische Ideenlehre Platos und mobilisiert die ebenfalls
statische, d.h. dualisti­sche Unterscheidung zwischen
Erscheinung und Ding an sich, um gegen Hegel zu argumentie­ren.
Die Philosophiegeschichtsschreibung hat dies nie recht ernst
genommen, ist sie doch selbst von Hegel entscheidend
beeinflußt und weist nicht zu Unrecht darauf hin, daß
die gesamte Le­bensarbeit der deutschen Idealisten gerade der
Überwindung dualistischer Positionen gilt. Ab­seits der
akademischen Ächtung Schopenhauers aber ist der
anthropologische Kern seiner Ge­schichtsvorstellung von
bleibendem Interesse. Dieser Gesichtspunkt verdeutlich nämlich
schla­gend das alternative Bild vom Menschen, wenn ihm die
Dialektik radikal entzogen wird. Wer wird zum Beispiel folgender
Äußerung Schopenhauers jede Aktualität absprechen
wollen:

Endlich laufen die Konstruktionsgeschichten, von
plattem Optimismus geleitet, zuletzt immer auf einen behaglichen,
nahrhaften, fetten Staat, mit wohlgeregelter Konstitution, guter
Justiz und Polizei, Technik und Industrie und höchstens auf
intellektuelle Vervollkommnung hinaus; weil diese in der Tat die
allein mögliche ist, da das Moralische im Wesentlichen
unverändert bleibt. (55)

Und er verweist ergänzend auf "das
armsälige Erdenglück, welches, selbst wenn noch so sehr
von Menschen gepflegt und vom Schicksal begünstigt, doch ein
hohles, täuschendes, hinfälli­ges und trauriges Ding
ist, aus welchem weder Konstitutionen und Gesetzgebungen, noch
Dampfmaschinen und Telegraphen jemals etwas wesentlich Besseres
machen können." (56) Diese klassischen Zitate bezeichnen die
anthropologische Kehrseite der Dialektik, die heute selbst die
letzten Apo-Epigonen in Gestalt einer philosophischen Nemesis
ereilt.
Dabei dachte der Antihegelianer Schopenhauer nicht durchweg
geringschätzig von der Ge­schichte. Sie sei als
vernünftiges "Selbstbewußtseyn des menschlichen
Geschlechts anzusehen, und ist diesem Das, was dem Einzelnen das
durch die Vernunft bedingte, besonnene und
zu­sammenhängende Bewußtsein ist, durch dessen
Ermangelung das Thier in der engen, anschau­lichen Gegenwart
befangen bleibt." (57) Die Geschichte erscheint somit im
wesentlichen als Ge­dächtnis. Und eine
geschichtliche Gedächtnislücke sei "wie eine Lücke
im erinnernden Selbst­bewußtseyn eines Menschen." (58)
Damit gelangt auch die undialektische Geschichtsposition zu der
Aussage, daß ein Volk sich seiner selbst erst durch die
Geschichte "vollständig bewußt" wird. (59) Mehr noch:
Sie enthält eine kulturpolitische Konsequenz, die
außerordentlich schwer ins Gewicht fällt. Wenn die
Geschichtsvergessenheit eines Volkes einer individuellen
Gedächtnislücke korrespondiert, dann ist dieses Volk dem
Wahnsinn verfallen. Denn die hartnäckige
Gedächtnislücke interpretiert (60) Schopenhauer
als Ursprung des Wahnsinns:

Erreicht (...) das Widerstreben und Sträuben
des Willens wider die Aufnahme einer Erkenntniß den Grad,
daß jene Operation nicht rein durchgeführt wird; werden
demnach dem Intellekt gewisse Vorfälle oder Umstände
völlig unterschlagen, weil der Wille ihren Anblick nicht
ertragen kann; wird alsdann, des nothwendigen Zusammenhangs wegen,
die dadurch entstandene Lücke beliebig ausgefüllt;
– so ist der Wahnsinn da." (61)

Dies mögen sich manch unverbesserliche
Deutsche, die offenkundig an chronischer
Gedächtnisstörung leiden, von einem ihrer besten
Schriftsteller ins Stammbuch schreiben lassen.
Kritik, das ist eine wichtige Problemklärung, ist kein Monopol
der Dialektiker. Und in anthropologischer Hinsicht geraten sie
gegenüber den schon bekannten philosophischen
Al­ternativen des Humanismus und Pessimismus heute in akuten
Begründungsnotstand. Selbst wenn wir aber die Geschichte
jenseits aller ideologischen Konstruktion bloß als neutrale
Ge­dächtnisleistung interpretieren, ist die Utopie
als philosophisches Problem nicht abgeschafft. Denn sie leistet
für die Geschichte eine Zielvorgabe. Und dieses Telos
ist für die Konzentration politischer Handlung entscheidend.
Gegen Schopenhauer gewendet heißt das: Die Utopie ist
für ein Gemeinwesen so wichtig wie die Zielsetzung und
Zielorientiertheit für das handelnde Individuum. Ohne diese
Zielsetzung ist auch sein Gedächtnis unkonzentriert.
Ohne Motivation enthebt es sich entweder der mühsamen
Erinnerung gänzlich – oder es verliert sich im
Infor­mationsoverkill unendlicher Zeichen. Sollte dies etwa
eine intellektuelle Standortbeschreibung unserer Zeit sein?
Die äußerste Grenze des hier unternommenen Versuchs ist
erreicht. Legen wir das "Älteste Systemprogramm"
endgültig zu den Akten, so laufen wir Gefahr, die Geschichte
dem Wahn­sinn zu überlassen. Realisieren wir es, so enden
wir wahrscheinlich in der totalitären Dynamik einer Diktatur.
Vergessen scheint der ästhetische Ansatz dieses Programms,
wonach ''Wahrheit und Güte nur in der Schönheit
verschwistert sind''. Edle Einfalt und stille Größe
unterscheiden sich zu deutlich von der unedlen Gerissenheit und
lautstarken Kleinheit jenes fatalen Obergefreiten aus Braunau. Und
die Frage bleibt offen, ob wir uns diese
"Gedächtnislücke" leisten können.

© Günter Bachmann

Anmerkungen

(1) Vgl. F. Rosenzweig, Das älteste
Systemprogramm des deutschen Idealismus, Heidelberg 1917.
(2) Vgl. die Auseinandersetzungen in der DVJS 4 (1926) und 5
(1927).
(3) O. Pöggeler, "Hegel, der Verfasser des ältesten
Systemprogramms des deutschen Idealismus", in: Hegel-Studien,
Beiheft 4, Bonn 1969, 17-32, (Hegel-Tage Urbino 1965).
(4) M. Frank/G. Kurz (Hgg.), Materialien zu Schellings
philosophischen Anfängen, Frankf. a.M. 1975, 31.
(5) H. Timm, Gott und die Freiheit. Studien zur
Religionsphilosophie der Goethe-Zeit, Bd. I: Die
Spinozarenaissance, Frankf. a.M. 1974, 134.
(6) Frank/Kurz, a.a.O., 31.
(7) Vgl. K. Düsing, "Die Rezeption der Kantischen
Postulatenlehre in den frühen philosophischen Entwürfen
Schellings und Hegels", in: R. Bubner (Hg.), Das älteste
Systemprogramm. Studien zur Frühgeschichte des deutschen
Idealismus, Hegel-Studien, Beiheft 9, Bonn 1973.
(8) O. Pöggeler, Die Frage nach der Kunst. Von Hegel zu
Heidegger, Freiburg/München 1984, 51.
(9) Vgl Jacques Derridas grundlegende Abhandlung "Die Struktur, das
Zeichen und das Spiel im Diskurs der Wissenschaften vom Menschen",
in: Die Schrift und die Differenz, Frankf. a.M. 1972.
(10) Vgl. Paul de Man, Allegorien des Lesens, Frankfurt a.M 1988.
Und insbesondere auch seine Aufsätze über Hegel in: Die
Ideologie des Ästhetischen, Frankfurt a.M. 1993.
(11) Zitiert nach: Frank/Kurz, a.a.O., 196.
(12) Zitiert nach Frank/Kurz, a.a.O., 110. Zitate aus dem
"Systemprogramm" werden künftig mittels der Seitenzahl direkt
im Text zitiert und in Kursivschrift wiedergegeben. Sie beziehen
sich stets auf diese Ausgabe.
(13) Immanuel Kant, Gesammelte Schriften, hg. v. der
Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften,
Berlin 1913, V, 135. Künftig unter dem Sigle "AA"
zitiert.
(14)AA, V, 134.
(15) AA, Berlin 1911, III, 17.
(16) AA, III, 19.
(17) AA, V, 122.
(18) Übrigens ist es interessant zu sehen, wie das Postulat
der Freiheit, das bei Kant Moral überhaupt erst denkbar macht,
bei den nachfolgenden Idealisten als das entscheidende Signum des
Absoluten wiederkehrt. Freilich versehen mit dem Beiwort
"unendlich".
(19) AA, V, 122.
(20) AA, V, ibid.
(21) AA, V, 125.
(22) J.G. Fichte, Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der
Wissenschaften, hg. v. R. Lauth u. H. Jacob, Stuttgart-Bad
Cannstatt 1964, Abt. I, Bd. II, 114.
(23) F.W.J. Schelling, Sämtliche Werke, hg. v. K.F.A.
Schelling, Stuttgart Augsburg 1856-61, I, 162.
(24) Ibid., I, 305.
(25) "Die in sich bewegte und geschlossene Totalität der
idealistischen Systeme ist aus den Kunstwerken herausgelesen. Weil
jedoch Philosophie auf Wirkliches geht, nicht in ihren Werken zum
selben Grad autark sich fügt, zerbrach das verkappt
ästhetische Ideal der Systeme. Ihnen wird heimgezahlt vom
schmählichen Lob, sie seien Gedankenkunstwerke." Th.W. Adorno,
Ästhetische Theorie, Frankfurt a.M. 1970, 197.
(26) Frank/Kurz, a.a.O., 119.
(27) Vgl. Düsing, a.a.O., 85.
(28) Frank/Kurz, a.a.O., 149f. Hervorh. von G.B.
(29) AA, III, 10.
(30) Vgl. § 114 des "Polemischen Theils" der Farbenlehre: "Es
ist dieses das sogenannte Experimentum crucis, wobei der
Forscher die Natur auf die Folter spannte, um sie zu dem Bekenntnis
dessen zu nöthigen, was er schon vorher bei sich festgesetzt
hatte." Zit. nach: J.W. Goethe, Maximen und Reflexionen, Frankfurt
a.M. 1976, 260.
(31) Schelling, a.a.O., III, 342.
(32) G.W.F. Hegel, Vorlesungen über die Ästhetik. Erster
und zweiter Teil. Mit einer Einführung herausgegeben von R.
Bubner, Stuttgart 1971, 190.
(33) Friedrich Schiller, Über die ästhetische Erziehung
des Menschen, Stuttgart 1965, 20.
(34) J.G. Herder, Sämtliche Werke, hg. v. B. Suphan,
Hildesheim 1967-68, XIII, 384.
(35) Ibid., 385.
(36) Schelling, a.a.O., V, 372.
(37) Ibid., 364.
(38) Ibid., 351.
(39) Schiller, a.a.O., 21.
(40) Schelling, a.a.O., III, 628.
(41) Ibid., 629.
(42) Ibid.
(43) Ibid., V, 449.
(44) F. Schiller, Nationalausgabe, hg. v. L.v.Blumenthal und
B.v.Wiese, Weimar 1979, XXV, 199f.
(45) Ibid., 200.
(46) Herder, a.a.O., I, 443.
(47) Ibid., 443, 444.
(48) Ibid., 444.
(49) J.Ch.F. Hölderlin, Werke und Briefe, hg. v.
F.Beißner u. J.Schmidt, Frankfurt a.M. 1969, I, 297.
(50) Ibid., Anmerkungsapparat, 168.
(51) Die "sinnliche Religion" z.B. ist eine Begriffsbildung
Herders, und bis heute ist kaum zu klären, ob Friedrich
Schlegel oder Schelling das Primat einer "neuen Mythologie"
zuzuerkennen ist. (Vgl. Otto Pöggeler, Die Frage nach der
Kunst, a.a.O., Kapitel 1.)
(52) Schelling, a.a.O., V, 451.
(53) Vgl. zu dieser Thematik den glänzenden Aufsatz Willy
Hochkeppels: "Dialektik als Mystik", in: G.-K. Kaltenbrunner (Hg.),
Hegel und die Folgen, Freiburg i.Br. 1971, 69-92.
(54) Arthur Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung,
Zürich 1977, II., 2. Teilband, 520.
(55) Ibid., 521.
(56) Ibid., 522.
(57) Ibid., 524.
(58) Ibid.
(59) Ibid.
(60) Ibid., 472-476.
(61) Ibid, 474.