Mechanistische und organische Denkformen im Viktorianischen Zeitalter.

Vorwort

Der kulturgeschichtliche Anspruch dieser Arbeit
stößt gleich mehrfach auf erhebliche
Schwie­rigkeiten. Wer die Ideengeschichte mechanistischen und
organischen Denkens ausführlich behandeln wollte, ließe
sich auf ein Unterfangen mit wahrhaft enzyklopädischem
Ausmaß ein. Ich habe mich deshalb von vornherein auf drei
Autoren beschränkt, die nicht unmaßgeblichen Anteil am
Kulturbegriff des Viktorianischen Zeitalters hatten: Thomas
Carlyle, Thomas Henry Huxley, und schließlich Samuel Butler.
Der Schwerpunkt ihrer unmittelbaren Wirkung auf die Zeitgenossen
erfaßt sukzessiv beinahe das gesamte neunzehnte Jahrhundert.
Carlyle war der überragende Kulturkritiker der dreißiger
und vierziger Jahre. T. H. Huxley entfaltete in den Sechzigern und
Siebzigern seinen bedeutenden Einfluß als Vermittler des
neuen wissenschaftli­chen Weltbildes und der Evolutionstheorie.
Samuel Butler dagegen schreibt seine Romane und Abhandlungen im
letzten Drittel der Viktorianischen Epoche, die erst mit dem Tod
der Königin (1901) ihr symbolisches Ende findet.

Unterderhand hat sich selbst dieser restriktive
Ansatz zu einem Essay recht ansehnlichen Umfangs ausgewachsen. Denn
von Anfang an hat die Literatur der mechani­sierten Moderne
eine sensible Gegenrechnung aufgestellt. Die kulturkritische
Bewußtseinslage, die heute in der KI-Debatte wieder
Anstoß für mancherlei Bedenken gibt, ist so neu nicht.
Die skeptische Wachsamkeit gegenüber dem mechanisierten Dasein
ist historisch gewachsen. Und die Vergegenwärtigung dieses
geschichtlichen Aspekts der Kritik verschärft und klärt
die Problematik für unsere Gegenwart.

Dennoch stellt sich die Frage, weshalb diese Arbeit
sich auf das Viktorianische England be­schränkt. Die
kulturgeschichtliche Epoche der Romantik, vor allem im deutschen
Sprachraum, wäre doch ebensosehr eine
Darstellungsmöglichkeit gewesen. Nicht minder auch das
explizit organische Denken des deutschen Idealismus. Ich habe mich
trotzdem für das England des neunzehnten Jahrhunderts
entschieden, weil es in seiner industriellen und technischen Praxis
am weitesten fortgeschritten war. Die viktorianischen
Kulturkritiker hatten den Vorteil einer frühen und unmittelbar
sinnlichen Wahrnehmung der Moderne. Was andernorts primär
theore­tische Reflexion, das war in England augenfällige
Lebensform und empirische Anschauung. Eine jüngst erschienene
"Geschichte der Philosophie" weist meines Erachtens zurecht auf die
Schwierigkeit hin, "die Bedeutung des Neuen zu ermessen, wie es das
Erleben der Menschen im neunzehnten Jahrhundert bestimmt hat. Wer
zum ersten Mal eine Eisenbahn sieht oder gar mit ihr fährt,
kann das gewaltige Zusammenschrumpfen von Zeit und Raum noch
sinnlich erleben, wie es das neunzehnte Jahrhundert erfahren hat."
(1)

Diese Revolutionierung aller bisherigen
menschlichen Wahrnehmung führt in England schon sehr früh
zu bedeutenden kulturkritischen Ansätzen. Im Jahre 1829
begründet Thomas Carlyle mit "Signs of the Times" den Begriff
des Maschinenzeitalters. (2) Die moderne Kulturkritik findet in
diesem Text einen bahnbrechenden historischen Ausgangspunkt. Er
wird im ersten Kapitel ausführlich erörtert. Freilich
weist der Aufsatz aus heutiger Sicht auch bizarr anmutende
Kon­servativismen auf. Und sicher kann sich Carlyle, der bei
Goethe und Fichte geistige Orientie­rung suchte, nicht mit der
methodologischen und systematischen Reflexionshöhe eines
Schelling oder Hegel konkurrieren; doch der unmittelbare empirische
Eindruck des Neuen, das Erleben der Moderne tritt hier zum
ersten Mal scharf ins Bewußtsein: als erdrückende
Totali­tät der Maschinenwelt.

Während Carlyle den romantischen Gegensatz
Mechanismus-Organismus epochale Gestalt verleiht, stellt diese
Opposition für Thomas Henry Huxley kein ernsthaftes Problem
mehr dar. Er hat den Gegensatz mit seinem hochdifferenzierten
Agnostizismus entschärft und plädiert für die
pragmatische Ãœberlegenheit des wissenschaftlichen Diskurses,
die dem common sense einleuchten müsse. Anhand dieses
einflußreichen Publizisten, der wesentlich zur Anerkennung
Darwins beitrug, läßt sich der neue wissenschaftliche
Geist des Jahrhunderts exemplarisch rekonstruieren. Für kurze
Zeit scheint die Interpretation der Natur als Maschine durch die
Effizienz der Wissenschaft gerechtfertigt. Doch repräsentiert
Huxley weit mehr als liberalisti­sches Fortschrittsdenken. Er
ist umfassender homme de lettre, wie wir ihn heute in der
wissen­schaftlichen Publizistik wohl vergeblich suchen. Sein
historisches Wissen sowie sein philoso­phisch geschultes
Bewußtsein für wissenschaftliche Methoden sind
imponierend. Die Entwick­lung eines pessimistischen
Kulturbegriffs schließlich rundet das Bild dieses komplexen
Schrift­stellers ab. Im zweiten Kapitel habe ich versucht, ein
kulturkritisches Porträt Huxleys wenig­stens zu
skizzieren. Die Darstellung berücksichtigt aus diesem Grund
eine größere Anzahl von Texten.

Eine nicht weniger differenzierte Darstellung legt
auch Samuel Butler nahe. Er vereinigt den utopischen Romancier und
den wissenschaftlichen Publizisten in einer Person. Ich habe mich
trotzdem auf ein abgeschlossenes Kapitel seines Romans "Erewhon"
(1872) konzentriert. Es trägt den Titel: "The Book of the
Machines". Es ist ein Dokument, das den kulturkritischen Ansatz des
Viktorianischen Zeitalters auf die Spitze treibt. Denn es
läßt sich durchaus als Vorwegnahme unserer heutigen Idee
einer künstlichen Maschinen-Intelligenz lesen, lange vor der
Erfahrung des Menschen mit Computern. Die konsequente und
fantasievolle Anwendung der Evolutionstheorie auf das Phänomen
der Maschine machte den Gedankengang Butlers möglich. Die
Grenzen zwischen "Science", "Fiction" und Realität werden
fließend. Und das macht diesen Text, der im dritten Kapitel
vorgestellt wird, so beunruhigend modern.

Im übrigen habe ich mich bemüht, die
behandelten Autoren so weit wie möglich selber zu Wort kommen
zu lassen. Es war mir in erster Linie um die bewahrende Erinnerung
kulturkritischer Ansätze zu tun, deren Aktualität
verblüffend ist. Freilich verbirgt sich hinter der
zitatorientierten objektiven Darstellung immer auch das Moment
subjektiver Auswahl.

Kapitel 1

Thomas Carlyle: "Signs of the Times" (1829)
Der kulturkritische Begriff des Maschinenzeitalters

a) Die universelle Ausweitung des
Maschinenbegriffs

Kurz vor Beginn des Eisenbahnzeitalters gelingt es
Thomas Carlyle (1795-1881), den allumfas­senden Anspruch der
modernen Maschinenwelt kulturkritisch vorwegzunehmen. Das wohl
berühmteste Zitat aus "Signs of the Times" lautet:

Were we required to characterise this age of ours
by any single epithet, we should be tempted to call it, not an
Heroical, Devotional, Philosophical, or Moral Age. It is the Age of
Machinery, in every outward and inward sense of the word (...).
(3)

Die Maschine ergreift laut Carlyle alle
gesellschaftlichen Bereiche. Sie wird zur kulturkritischen
Metapher, die erstmals eine Epoche einheitlich charakterisieren
soll. Kennzeichnend für das so heftig kritisierte
Maschinenzeitalter ist vor allem die Herauslösung des
mechanistischen Den­kens aus dem exklusiven Diskurs der
Wissenschaft:

For all earthly, and for some unearthly purposes,
we have machines and mechanic fur­therances; for mincing our
cabbages; for casting us into magnetic sleep. We remove mountains,
and make seas our smooth highway; nothing can resist us. We war
with rude Nature; and, by our resistless engines, come off always
victorious, and loaded with spoils. (S. 60)

Derart wird die sinnliche Wahrnehmung der
maschinellen Technik sehr schnell in eine neue Lebensform
übersetzt und theoretisch reflektiert.

Bemerkenswert ist dabei die ambivalente Position,
die Carlyle im Verhältnis zur industriellen Moderne einnimmt.
Die kulturell bedingte Skepsis gegenüber der Maschine tritt
nicht etwa rein und unvermischt auf. Die positiven Errungenschaften
der Technik werden keineswegs unter­schlagen. Doch bleibt
dieses Lob auf die äußerlichen Aspekte des
gesellschaftlichen Fort­schritts beschränkt. Der
mechanische Geist der Zeit habe sich auf ganz andere Gebiete
er­streckt und hier richte er großen Schaden an. Die
Erziehung, die Politik, ja selbst die Literatur und die Religion
seien durch und durch mechanisch geworden. Im übrigen sei der
durch Tech­nik gesteigerte Reichtum ungerecht verteilt und die
Kultur zersplittere in spezialisierte Fachbe­reiche. Die Folge,
so Carlyle, sei vollständige geistige Desorientierung. Das
Maschinenzeitalter produziert somit Maschinenmenschen, die zu
keiner unvermittelten Tätigkeit mehr in der Lage sind:
"...they can nowise proceed at once and with the mere natural
organs, but must first call a public meeting, appoint cometees,
issue prospectuses, eat a public dinner; in a word, construct or
borrow machinery (...). Without machinery they were hopeless,
helpless." (S. 61) Diese Kritik erfaßt weit mehr als
bloß die Oberfläche des Zeitgeists. Die Kultur selbst
ist mechanisiert worden. Und besonders in den Wissenschaften und
Künsten wird die universelle Tragweite des Maschinenbegriffs
greifbar:

In defect of Raphaels, and Angelos, and Mozarts, we
have Royal Academies of Painting, Sculpture, Music; whereby the
languishing spirit of Art may be strengthened, as by the more
generous diet of a Public Kitchen. Literature, too, has its
Paternoster-row mechanism, its Trade-dinners, its Editorial
conclaves, and huge subterrenean, puffing bellows; so that books
are not only printed, but, in a great measure, written and sold, by
machinery. (S. 62)

Vieles von dem, was heute als institutioneller
Sachzwang und überindividuelle Eigendynamik moderner
gesellschaftlicher Prozesse erfahren wird, ist in diesem wichtigen
Dokument bereits zur Sprache gekommen.

Allein schon der ausufernde Gebrauch
mechanistischer Bilder und Vergleiche belegt Carlyles
Bemühungen, das ganze Zeitalter als "Mechanism"
bloßzustellen. Die rhetorische Strategie ist ebenso einfach
wie wirkungsvoll. Wo immer auch kulturelle Mißstände
angeprangert werden, dominiert zuverlässig die mechanistische
Metaphorik; dort aber, wo sich Bewunderung und Anerkennung der
Technik äußern, schlägt die Bildlichkeit in
organische Assoziationen um. So zum Beispiel bei der
Wertschätzung des Dampfschiffes, das herkömmliche
Segelschiffe weit hinter sich läßt. Die Dampfmaschine
nimmt die Gestalt eines unermüdlichen Dieners an, der den
Seemann mit der komfortablen Schwerelosigkeit eines Vogels
fortbewegt: "The sailor furls his sail, and lays down his oar; and
bids a strong, unwearied servant, on vaporous wings, bear him
through the waters." (S. 59-60) Aus kulturkritischer Sicht scheint
mechanistische Sprache somit negativ, organische Sprache hingegen
positiv besetzt zu sein – unabhängig von der Art des
Gegenstandes, der durchaus technisch-artifizieller Natur sein
mag.

Diese unterschiedlichen Bewußtseinslagen des
Organischen und Mechanischen, die bis heute eng mit unserer Sprache
verwoben sind, können als Erbe der Romantik beschrieben
werden, jener Epoche also, die der hier diskutierten unmittelbar
vorausging. Die Romantik freilich verfügte noch über ein
starkes subjektives Selbstbewußtsein. Zwar war sie von der
zunehmen­den Verwissenschaftlichung des Denkens belastet; doch
sie hatte relativ leichtes Spiel, einer immer steriler werdenden
Aufklärung enthusiastische und ästhetische
Naturbetrachtungen entgegenzusetzen. Ãœberdies orientierte sich
romantisches Denken am ideellen Ganzen, das sich in der organischen
Harmonie der Teile spekulativ ergründen läßt. Als
Ordnungsprinzip galt die subjektive schöpferische Imagination,
die eine dialektische Einheit von Schönheit und Wahrheit
stiftet. Carlyle jedoch hatte es mit der mächtig aufstrebenden
industriellen Revolution zu tun. Das Subjekt, das er beschreibt,
ist kein kreativer Quell ideeller Denkformen. Ganz im Gegenteil
läuft es Gefahr, von einem externen, entindividualisierten,
letztlich blinden Mechanismus vollständig beherrscht zu
werden. Zweifellos überlebt die romantische Sprache als
wirksames rhetorisches Stilmittel. Doch als Medium philosophischer
Konzeption kommt sie nicht mehr in Frage. Sie vermag den
kulturkritischen Aspekten der industriellen Entwicklung zwar
beredsam Ausdruck zu verleihen. Unabhängig davon aber ist das
in "Signs of the Times" beschriebene Maschinenzeitalter in Wesen
und Tendenz zutiefst antiromantisch. Vor allem die ungebremste
universelle Ausweitung mechanistischen Denkens wird von Carlyle als
Veränderung begriffen, die sich mit allen überlieferten
Vorstellungen von Kultur nicht mehr vereinbaren
läßt:

These things, which we state lightly enough here,
are yet of deep import, and indicate a mighty change in our whole
manner of existence. For the same habit regulates not our modes of
action alone, but our modes of thought and feeling. Men are grown
mechanical in head and in heart, as well as in hand. They have lost
faith in individual endeavour, and in natural force, of any kind.
Not for internal perfection, but for external combinations and
arrange­ments, for institutions, constitutions, – for
Mechanism of one sort or other, do they hope and struggle. Their
whole efforts, attachments, opinions, turn on mechanism, and are of
a me­chanical character. (S. 62-63)

b) Der Verfall der Tradition

Nach der kritischen Bestandsaufnahme, die Carlyle
unter dem Begriff des Maschinenzeitalters durchführt,
befaßt sich der Text immer häufiger mit den
Schlußfolgerungen, die zu ziehen sind. Ein
unmißverständliches Zeichen für die Ausweitung
mechanistischen Denkens ist der rasante Niedergang spekulativer
Metaphysik (S. 63f.). Mit dem Auftreten des Empirismus erfolgt ein
Paradigmenwechsel, der mit der religiösen und philosophischen
Kultur von zwei Jahrtausenden radikal bricht. Francis Bacon, John
Locke u.a. haben nach Carlyle dem modernen Modell der Wissenschaft
methodisch vorgearbeitet. Und letztlich habe dieses Denken in einen
Abgrund von Skepsis, Atheismus und Fatalismus geführt.
Carlyles Stellungnahme zu Lockes "An Essay concerning Human
Understanding" (1690) verdeutlicht seine Einschätzung:

It is not a philosophy of the mind it is a mere
discussion concerning the origin of our con­sciousness, or
ideas, or whatever else they are called; a genetic history of what
we see in the mind. The grand secrets of Necessity
and Freewill, of the Mind's vital or non-vital depen­dence on
Matter, of our mysterious relations to Time and Space, to God, to
the Universe, are not in the faintest degree touched on in these
inquiries; and seem not to have the smallest connexion with them.
(S. 64)

Der Empirismus der Neuzeit klammert die
spekulativen Probleme positivistisch aus. Der Materialismus
erscheint als Korrelat einer introvertierten
Bewußtseinsphilosophie, die in der historisch-genetischen
Rekonstruktion geistiger Mechanismen vollständig aufgeht.
Dieses immanent beschränkte Erklärungsmodell ohne
transzendenten Bezug ist für Carlyle unannehm­bar. Seine
kulturkritische Ablehnung des "origin of our consciousness" geht in
"Signs of the Times" jener späteren und leidenschaftlicheren
Ablehnung des "origin of species" konsequent voraus. Erst Darwin
führte dem allgemeinen Bewußtsein vor Augen, was ein
empirisch-geneti­sches Modell ohne traditionelle Spekulation
implizieren kann – zum Beispiel den Verlust des
göttlichen Ursprungs und die vielbeanstandete Abstammung des
Menschen vom Affen.

Carlyle hebt mit sicherem historischem Gespür
den Zusammenhang zwischen neuzeitlicher Wissenschaft und den
dramatischen Veränderungen der Erkenntnistheorie hervor, die
bereits in der Spätscholastik zu verzeichnen sind. Der
genetische Mechanismus subjektiver Bewußtseins­analyse
und die sogenannte Objektivität der Wissenschaft bilden zwei
Seiten ein und derselben Entwicklung. Der Verfall traditioneller
Reflexionskultur scheint somit vorprogrammiert. Der
wissenschaftliche Diskurs trennt sich von der Bindung an die
Metaphysik. Sie verliert ihre epistemologische Funktion, wird
zunehmend historisch und ihre Fragestellungen bewegen das
allgemeine Bewußtsein immer weniger.

c) Das Problem des Determinismus

Die physical sciences. neigen zu
einem strengen Reduktionsverfahren: "...what cannot be investigated
and understood mechanically, cannot be investigated and understood
at all." (S. 65) Empört kommentiert Carlyle das Bestreben,
auch geistige Phänomene auf einer physiologi­schen
Grundlage interpretieren zu wollen. Poesie und Religion würden
zu einem "product of the smaller intestines." (Ibid.) Auch Politik
und Gesellschaft werden mit neuen Augen gese­hen. Denn im
ersten Drittel des neunzehnten Jahrhunderts etabliert sich ein
soziologisches Verständnis, das überindividuelle Prozesse
und die "force of circumstances" als leitende
Er­kenntnisprinzipien zelebriert. Bentham ist für Carlyle
einer der Urheber dieses neuen Denkens, und entsprechend scharf
geht er mit ihm ins Gericht:

The Philosopher of this age is not a Socrates, a
Plato, a Hooker, or Taylor, who inculcates on men the necessity and
infinite worth of moral goodness, the great truth that our
happiness depends on the mind which is within us, and not on the
Circumstances which are without us; but a (...) Bentham, who
chiefly inculcates the reverse of this, – that our happiness
depends entirely on external circumstances; nay, that the strength
and dignity of the mind within us is itself the creature and
consequence of these. Were the laws, the government, in good order,
all were well with us; the rest would care for itself. (S 67)

Die soziologische Perspektive (4) verweist derart
auf die regulative Machbarkeit von Gesellschaft und Geschichte. Von
Anfang an geht sie mit jener Art von Aktionismus einher, der
mittels institutioneller Reformen Zukunftsmanagement betreiben
will. Um diese Haltung zu persiflie­ren, greift Carlyle gezielt
auf die alte Metapher der Staatsmaschine zurück: "
it is by the mere condition of the machine, by preserving it
untouched, or else by reconstructing it, and oiling it anew, that
man's salvation as a social being is to be ensured and indefinitely
promoted." (S. 68) Das Individuum ist somit nicht mehr länger
der stolze Repräsentant kultureller Werte, sondern ein
beliebig austauschbares Zeitprodukt. Als gestaltende Kraft
geschichtlicher Entwicklung kommt es nicht in Betracht: "For it is
the 'force of circumstances' that does everything; the force of one
man can do nothing." (S. 75) Offenkundig ist der einzelne innerlich
wie äußerlich, d.h. physiologisch wie gesellschaftlich
vollkommen determiniert.

Wie kommt es, daß der Mensch dem
soziologischen Kräftefeld so hoffnungslos unterliegt? Carlyle
macht dafür insbesondere die mechanistische Ausrichtung des
Denkens verantwortlich. Wir glauben zum Beispiel, daß sich
die Kraft auch im Geistigen rein quantitativ erfassen und messen
läßt. Eine physikalische Denkgewohnheit, die uns dazu
verleitet, psychologische Gesetze außer acht zu lassen: "Now
all this is grounded on little more than a metaphor. We figure
society as a 'Machine', and that mind is opposed to mind, as body
is to body." Die geistige Kraft fügt sich diesem Modell
keineswegs: "...one man that has a higher Wisdom,
a hitherto unknown spiritual Truth in him, is stronger, not than
ten men that have it not, or than ten thousand, but than
all men that have it not (...)." (S. 75) Kreative,
geschichtlich wirksame Intelligenz ist nicht quantifizierbar oder
soziologisch berechenbar. Ein mechanisch hochgradig
determinierbares, aber geistig richtungsloses Treiben setzt genau
dann ein, wenn die "circumstances of the time" als
Erklärungsmodell verabsolutiert werden.

d) "Dynamics" und "Mechanics"

Die konzeptionelle Schicht des Textes wird durch
eine Unterscheidung zweier Arten von Wissenschaft eingeleitet, die
explizit organische und mechanistische Denkformen bezeichnen
sollen:

To speak a little pedantically, there is a science
of Dynamics in man's fortunes and nature, as well
as of Mechanics . There is a science which treats
of, and practically addresses, the primary, unmodified forces and
energies of man, the mysterious springs of Love, and Fear, and
Wonder, of Enthusiasm, Poetry, Religion, all which have a truly
vital and infinite character; as well as a science
which practically addresses the finite, modified developments of
these, when they take the shape of immediate 'motives', as hope of
reward, or as fear of punishment. (S. 69-69)

Diese Unterscheidung, die sich zunächst auf
den moralischen und psychologischen Bereich bezieht, baut Carlyle
in der Folge zu einem allgemeinen Beschreibungssystem kultureller
Zu­stände aus.

"Dynamics" wird als lebendige organische Kraft
interpretiert, die alle ursprünglichen und schöpferischen
Regungen in ihrer gesamten Vitalität zum Ausdruck bringt. Die
Charakterisie­rung dieser Kraft stellt die Verbindung zu einer
zentralen Kategorie der Romantik her: dem Unendlichen ("infinite
character"). "Dynamics" im Sinne Carlyles bezeichnet somit eine Art
von romantischem Vitalismus. Der Begriff der "Dynamics" wird nun
der "Mechanics" und dem "Age of Machinery" kontrapunktisch
entgegengesetzt. "Mechanics" bezeichnet sekundäre ("modified")
Gefühle, die sich vom Unendlichen entfernt und die Gestalt von
egoistischen Interessen ("motives") angenommen haben. Es ist
spannend zu verfolgen, wie Carlyle diese Begriffe konkretisiert,
seiner Kulturkritik einverleibt und durchsichtig macht: In einer
Zeit, in der die "Mechanics" dominiert, wird schöpferische
Intelligenz durch Institutionen, das große Individuum durch
soziologisch und ökonomisch bedingte Sachzwänge und die
moralische und psychische Lebenskraft durch utilitaristisches
Kalkül abgelöst. "Mechanics" bedeutet allemal kulturellen
Tiefstand. Aus dem Gegensatz zu "Dynamics" schöpft Carlyle
sein kritisches Potential und präsentiert zahlreiche
Anwendungsbeispiele, die seine Antithese belegen sollen. Im
folgenden etwa attackiert er den modernen Wissenschaftsbetrieb, der
mit seiner ausgefeilten Mechanik die Dynamik der großen
Forscherpersönlichkeit niemals ersetzen kann: "Shall we say,
for example, that Science and Art are indebted principally to the
founders of Schools and Universities? Did not Science originate
rather, and gain advancement, in the obscure closets of the Roger
Bacons, Keplers, Newtons; in the workshops of the Fausts and Watts
(...)?" (S. 68-69)

Bereits in der Blütezeit der industriellen
Revolution entwickelt sich also deutlich eine kultur­kritische
Sensibilität, die grundsätzlich und systematisch den
Fortschritt in Frage stellt. Diese Sensibilität erstreckt sich
von Carlyle über M. Arnold, Ruskin, Nietzsche und Bergson bis
weit ins zwanzigste Jahrhundert. Ja selbst die theoretische
Vorbereitung moderner Wissenschaft gegen Ende des achtzehnten
Jahrhunderts stieß in der organisch denkenden und
argumentie­renden Klassik und Romantik auf entschiedenen
Widerstand. Wichtig für das kulturelle Klima im
Viktorianischen Zeitalter ist allerdings nicht nur die Wahrnehmung
des Gegensatzes von organischem und mechanischem Denken; sondern
zugleich die Einsicht in ihre dialektische Verschränkung:

Undue cultivation of the inward or Dynamical
province leads to idle, visionary, impracticable courses, and,
especially in rude eras, to Superstition and Fanaticism, with their
long train of bale­ful and well-known evils. Undue cultivation
of the outward, again, though less immediately pre­judicial,
and even for the time productive of many palpable benefits, must,
in the long run, by destroying Moral Force, which is the parent of
all other Force, prove not less certainly, and per­haps still
more hopelessly, pernicious. (S. 73)

Zu vermeiden ist also die einseitige
Begünstigung und Förderung eines bestimmten Teils
menschlicher Fähigkeiten, der stets auf seinen ausgleichenden,
polaren Gegensatz verweist. Carlyle predigt durchaus keine
mystische Lebensform, die in Schwärmerei, fanatischem
Aber­glauben und Byronesquer Zügellosigkeit ihr Ende
findet. Umgekehrt versetzt die Verabsolutie­rung mechanischen
Denkens der moralischen Kraft den Todesstoß. Im "external
management of things", so Carlyle, suche unser Zeitalter zwar
seinesgleichen; in allen übrigen Belangen jedoch seien wir
"perhaps inferior to most civilised ages." (S. 73) Es ist der Grad
von Harmonie zwischen Dynamics und Mechanics, der zuletzt den
kulturellen Rang einer Epoche bestimmt. Technischer Fortschritt und
geistige Dekadenz schließen einander keineswegs aus.

Carlyles Kulturkritik bezieht ihre
Durchschlagskraft jedoch nicht allein aus der Antithese
"Dynamics-Mechanics", so wichtig diese auch für konkrete
Inhalte sein mag. Vielmehr treten das unter dem Stichwort
Traditionsverfall schon angesprochene historische Bewußtsein
sowie erkenntnistheoretische Gesichtspunkte hinzu. Das methodische
Verfahren neuzeitlicher Wis­senschaft ist für Carlyle
nicht einfach gleichzusetzen mit apodiktischer Objektivität.
Es ist Ausdruck einer subjektiven Optik: "This deep, paralysed
subjection to physical objects comes not from Nature, but from our
unwise mode of viewing Nature." (S. 73) Die These
von der Determiniertheit des Daseins ist nicht zuletzt das Resultat
einer konventionellen Perspektive, deren Wissenschaftlichkeit
über ihren subjektiven Ursprung hinwegtäuscht. Damit hat
auch der erkenntnistheoretische Ansatz von "Signs of the Times" bis
heute recht wenig an Aktualität eingebüßt.

e) Teleologie und Evolution

Das neunzehnte Jahrhundert wird häufig als
Zeitalter der Evolution, des Fortschritts und des Historismus
bezeichnet. Der Prozeß an sich, die fließende Dynamik
aller Entwicklung wird zur entscheidenden Denkfigur. Die
industrielle Revolution demonstriert ad oculos, daß eine
statisch orientierte Geschichtsauffassung den Geist der Moderne
nicht zu fassen und zu analysieren vermag. So gesehen ist Thomas
Carlyle gewiß nicht repräsentativ für das
kulturelle Klima einer Epoche, die vom liberalen
Fortschrittsgedanken beherrscht war. Indessen bewahrt sich
Kultur­kritik – wie alle Kritik – ihre
Sensibilität und Effizienz durch reflektierende Distanz. Der
über­wältigende Erfolg, dessen sich Carlyle
vornehmlich in den dreißiger und vierziger Jahren
er­freute, dokumentiert überzeugend, daß die
moralische Emphase seiner Rhetorik ebenfalls zur Typologie dieser
Zeit gehört. Meist kümmert sich das Erscheinungsbild
einer Kultur weit weniger um Widerspruchsfreiheit, als dem Verstand
lieb ist. Unterhalb jener Schicht, die man als bestimmende
Tendenzen der Zeit freilegen kann, lagern sich nicht selten
gegenläufige Ent­wicklungen an.

Die individuellen Quellen, aus denen Carlyle
schöpfte, lassen sich anhand teleologischer
Über­legungen präzise offenlegen. Das neunzehnte
Jahrhundert mit seiner antistatischen, den Prozeß
favorisierenden Haltung wirft schon per se teleologische Fragen
auf: Zielgerichtete Entwicklung, wie sie der Fortschritt
unterstellt, läßt sich ohne die Begriffe Ursprung und
Ziel (Arché und Telos) nicht beschreiben. Und auch das
ordnende Prinzip der Bewegung, das dem Prozeß zugrunde liegen
soll, muß berücksichtigt werden. Die bahnbrechende
Interpretation des neunzehnten Jahrhunderts als "Age of Machinery"
soll also zu den revolutionären geistigen Errungenschaften
dieser Epoche – "evolution" und "progress" – in Bezug
gesetzt werden.

Der evolutive Prozeß bezeichnet ein
theoretisches Konzept, das einen folgenschweren
Para­digmenwechsel alles bisherigen Philosophierens zur Folge
hat. Die Substanz wird fortan nicht mehr in das Sein projiziert,
sondern in das Werden. Gerade das Werden aber schien der
Tradi­tion substanzlos. Die vergängliche Empirie wurde vom
ewigen Gesetz und der Idee (Logos und Eidos) sorgfältig
unterschieden. Die neuzeitliche Wissenschaft hingegen kehrt dieses
Ver­hältnis um. Die sinnliche Wahrnehmung (aisthesis), das
bloße Akzidens traditionellen Denkens, erhält den Rang
des Seins zugesprochen. Eines Seins, das sich erst im Werden, und
nur im Werden, vollzieht und realisiert. (5) An die Stelle der
herkömmlichen Ontologie tritt die systemati­sierte
Aisthesis, d.h. Beobachtung, Erfahrung und Experiment. Welche
Position nimmt Carlyle in diesem vielschichtigen Prozeß
ein?

Auf den ersten Blick scheint er sich nahtlos in den
Duktus der zeitgenössischen Rhetorik einzufügen: "...it
seems a well-ascertained fact, that in alll times (...) the
happiness and great­ness of mankind at large have been
continually progressive." (S. 80) Das Gesetz dieser
fortschrei­tenden Bewegung glaubt Carlyle in einer erneuten
Verschiebung seiner Dynamics-Mechanics-Theorie auszumachen. Der
Menschheit stehe ein Umschlagen des Maschinenzeitalters in eine
wiedererstarkende Dynamics bevor; in ein Zeitalter moralischer
Kraft, Integrität und geistiger Orientierung: "The time is
sick and out of joint. Many things have reached their height; and
it is a wise adage that tells us, 'the darkest hour is nearest the
dawn' ". (S. 81) Die zerstörerischen Folgen der
wissenschaftlichen und industriellen Revolution sind Carlyle
vollauf bewußt. Nüch­tern konstatiert er "a
boundless grinding collision of the New with the Old." (S. 82) Aber
dieser negative Aspekt dominiert nicht. Er wird gemildert durch den
Ausblick auf kulturelle Erneuerung. – Bis zu diesem Punkt
bleibt Carlyle dem optimistischen Fortschrittsdenken konsequent
verpflichtet.

Sein Geschichtsverständnis weicht allerdings
erheblich von der materialistischen Erwartungs­haltung seiner
Zeitgenossen ab. Im Einklang mit dem deutschen Idealismus
interpretiert er den historischen Prozeß als ideelle
Epochenfolge, als Sukzession großer Taten, Gedanken und
Werte. Diese Vorstellung hat Carlyle zwar dazu befähigt, die
umfassende Bedeutung der mo­dernen Maschinenwelt, ihre wahrhaft
epochemachende Größenordnung zu erkennen; ebenso klar
aber bleibt auch die Einsicht, daß das "Age of Machinery" als
verfehlte und unglückliche Idee interpretiert werden
muß. Ihre historische Verwirklichung ist universell. Doch
ebenso die sie begleitende Barbarei.

Ein weiterer Aspekt idealistischer
Geschichtsauffassung besteht darin, daß sie mit dem
moder­nen Verständnis der Evolution nicht vereinbar ist.
Letztere definiert sich als streng immanente Eigengesetzlichkeit,
die meist materiell und ökonomisch fundiert wird. Sie ist
gekennzeichnet durch radikale Verzeitlichung des Bewußtseins
und Verabsolutierung ihrer Eigendynamik. Metaphysische wie
theologische Begründungen bleiben außen vor. Und damit
freilich jedwede Statik, die eine Orientierung erlaubt. Für
Carlyle freilich gibt es noch die festen Größen. Als
Agens der geschichtlichen Bewegung gilt ihm immer noch das
große Individuum, das Ge­schichte macht und formt wie der
Künstler sein Kunstwerk. Und hierin exakt liegt auch die
idealistische Statik begründet: das Heroische bildet eine
anthropologische Konstante, die sich als Würde, Berufung,
Kontinuität und Traditionsbewußtsein typologisch
beschreiben läßt. (6) Damit wird die radikale
Verzeitlichung des Evolutionsdenkens gestoppt. Die Zeit wird ihrer
geistig relativierenden Tendenz beraubt. Das große und
berufene Individuum ragt über sie hinaus, und der Fluß
aller Dinge bricht sich an ihm: "We have a faith in the
imperishable dignity of man; in the high vocation to which,
throughout this his earthly history, he has been appointed." Um
diesen neuralgischen Punkt von Carlyles Geschichtsauffassung
sammeln sich immer wieder Äußerungen, deren statischer
Charakter unverkennbar ist. So könne er zum Beispiel nicht
verstehen, "...that man wants, at this hour, any faculty of heart,
soul or body, that ever belonged to him." Und er glaubt, daß
die Menschheit an das Unvergängliche anknüp­fen kann:
"The Wisdom, the heroic worth of our forefathers, which we have
lost, we can re­cover." (S. 80f.)

Unter diesen Voraussetzungen entzieht sich der
historische Prozeß einem evolutiven
Erklä­rungsmodell, das Werden und Veränderung
ausschließlich genetisch entwickelt. Nicht zeitliche, sondern
kulturelle Eigendynamik bestimmt das Geschehen; gestützt auf
den Gedanken einer lebendigen, durch anthropologische
Identität gewährleisteten Tradition. Ungleich der
wissen­schaftlichen Vergangenheit veraltet die kulturelle
Vergangenheit nicht. Im Vordergrund steht, ganz im Sinne Goethes,
typologische Kontinuität – und keineswegs
verabsolutierte "Entwicklung".

Die noch offenstehende teleologische Frage nach
Ursprung und Ziel des Prozesses wird gleich­falls nicht mit
evolutionstheoretischer Argumentation beantwortet. Carlyle zieht
sich in ein protestantisches Tätigkeitsethos zurück. Er
predigt das Evangelium der Arbeit. Und dieses kann sich der Technik
quasiteleologisch bedienen: "...Mechanism is not always to be our
hard taskmaster, but one day to be our pliant, all-ministering
servant; that a new and brighter spiri­tual era is slowly
evolving itself for all men." (S. 81) Doch im "Mechanism" selber
wirkt keine autonome Kraft, deren immanente
Gesetzmäßigkeit sich über die Dynamics großer
Gedanken und Individuuen hinwegsetzt. Wie die "brighter spiritual
era" übrigens aussehen soll, ob sie nicht erneut von einer
mechanistischen Ära abgelöst werden könnte, kurz, ob
es überhaupt einen zielgerichteten Sinn und Zweck im
Entwicklungsganzen gibt – darüber schweigt sich Carlyle,
bei aller Beredsamkeit, geflissentlich aus. In letzter Instanz
lehnt er den modernen Evolutionsgedanken ab. Glaube und
Tätigkeit verweisen in seinem Weltbild unentrinnbar
aufeinander. Erst im Tun realisiert sich der Mensch und schafft
sich darin ein Ziel. "Faith", theoretisch gestützt auf
deutsche Klassik und deutschen Idealismus, läßt sich in
kein immanen­tes Erklärungsmodell integrieren. Der Glaube
kann nicht völlig verzeitlicht werden. Er bedarf des Ursprungs
so gut wie der Erlösung.

Allerdings scheinen immanente
Erklärungsmodelle mit teleologischem Anspruch heute kaum
überzeugender: sei es die idealistische Variante Hegels, sei
es die ökonomisch-materialistische eines Marx. Und auch
theologische Ansätze wie die Teilhard de Chardins werfen
zuletzt nur die altbekannten Fragen nach der Theodizee auf: Die
realen Grausamkeiten der Evolution lassen sich auch mit dem Hinweis
auf die Harmonie des Ganzen nicht aus der Welt schaffen. Jeder
blutrünstige Dikatator rechtfertigt sich mit dem
nämlichen Argument. Vermutlich wächst die Zahl unserer
Zeitgenossen, die den letzten Satz von Carlyles "Signs of the
Times" zu unter­schreiben bereit sind: "To reform a world, to
reform a nation, no wise man will undertake; and all but foolish
men know, that the only solid, though a far slower reformation, is
what each begins and perfects on himself".

Kapitel 2

Thomas Henry Huxley
''Direkte Modellübertragung im neunzehnten
Jahrhundert''

a) Dates and Facts

Innerhalb des wissenschaftlichen Diskurses selber
spielt die Opposition "Organismus/Mechanismus" spätestens in
den fünfziger und sechziger Jahren nurmehr eine untergeordnete
Rolle. Zur Illustration dieser These bieten sich die Schriften
Thomas Henry Huxleys an. Huxley (1825-1895) galt als
einflußreichster Vermittler der Evolutionstheorie Darwins.
Aufgrund seiner didaktischen Begabung, seines klaren Stils und
seines biologischen Sachverstands avancierte er im
öffentlichen Bewußtsein zum Spokesman für das neue
wissen­schaftliche Denken schlechthin ("New Philosophy").

Aus einer autobiographischen Notiz Huxleys geht
hervor, wie vollständig die mechanistische Interpretation den
Organismus erobert hat:

I am occassionally horrified to think how very
little I ever knew or cared about medicine as the art of healing.
The only part of my professional course which really and deeply
interested me was physiology, which is the mechanical engineering
of living machines; and, notwithstanding that natural science has
been my proper business, I am afraid there is very little of the
genuine naturalist in me. I never collected anything, and species
work was always a burdon to me; what I cared for was the
architectural and engineering part of the business, the working out
the wonder­ful unity of plan in the thousands and thousands of
diverse living constructions, and the modifi­cations of similar
apparatuses to serve diverse ends. (7)

Die Definition der Physiologie als "mechanical
engineering of living machines" erfüllt präzise die
Kriterien, gegen die Carlyle noch kulturkritisch zu Feld zog. Die
Naturkunde älteren Stils, die "Natural History", hat
offenkundig abgedankt. An die Stelle bloßer empirischer
Sammlung und Klassifizierung von Daten rückt das Interesse,
biologische Vorgänge genealogisch auf einen einheitlichen Plan
zurückzuführen.

Die mechanistische Interpretation der Biologie wird
freilich nicht nur anhand expliziter sprach­licher Benennungen
wie "mechanical engineering" deutlich. Auffällig ist vielmehr
die Unmittel­barkeit und Selbstverständlichkeit, mit der
die mechanistische Terminologie um sich greift. Elobarierte
Metaphern und Vergleiche werden nicht mehr herangezogen, um die
Analogie zwischen Mechanik und Natur aufwendig herzustellen. Der
Kosmos als mechanisches Uhrwerk ist kein bloß zeichenhaftes
und logisches Fabrikat der Spekulation. Die Analogie wird
primär als erkenntnistheoretisch unproblematisches Produkt von
"dates and facts" verstanden. Die industrielle und
wissenschaftliche Revolution erscheint als ein unwiderstehliches
empirisches Zeugnis für die mechanistische Denkungsart. Dieses
neue tatsachenfreudige Selbstbewußtsein ist ein wesentlicher
Zug der Viktorianischen Epoche. Was wir heute als
"Modellübertragung" zu reflektieren bemüht sind, war
damals der praktisch erfolgreiche Vollzug einer neuen Me­thode.
(8)

Als Beispiel für diese unvermittelte und
direkte Modellübertragung kann folgende Äußerung
Huxleys gelten:

A living body is a machine by which energy is
transformed in the same sense as a steam-engine is so, and all its
movements, molar and molecular, are to be accounted for by the
energy which is supplied to it. (...) That a particular molecular
motion does give rise to a state of consciousness is experimentally
certain.(i, S. 95.)

Die Analogie des organischen Körpers zur
Dampfmaschine dient nurmehr als Dekoration des Sachverhalts. Sie
wird keineswegs semantisch genutzt und ausgearbeitet, da Erfahrung
und Experiment nach Meinung Huxleys die Zulässigkeit der
Modellübertragung ausreichend ge­währleisten. Die
durchgängige Abhängigkeit des Bewußtseins von den
Gehirnfunktionen be­trifft dabei nicht nur die Tiere, sondern
auch den Menschen: "We are conscious automata (...) but non the
less parts of the great series of causes and effects which, in
unbroken continuity, composes that which is, and has been, and
shall be – the sum of existence." (i, S. 244.) Die
mo­derne wissenschaftliche Form des Determinismus, wie sie
Huxley in seiner mythologisch anmutenden Formel von der "sum of
existence" entwickelt, bezieht ihre Prägnanz aus
zweier­lei: zum einen aus der streng positivistischen Ablehnung
metaphysischer Spekulation; und zum andern aus jener universellen
Ausweitung mechanistischen Denkens auf alle Lebensbereiche, die
Carlyle so scharf gerügt hatte. Ausdrücklich verweist
Huxley auf die "...extention of the province of what we call matter
and causation, and the concomitant gradual banishment from all
regions of human thought of what we call spirit and spontaneity."
(i, S. 159.) Wer den Kontext vernachlässigt, könnte
Huxley sogar leicht als mechanistischen Technokraten
präsentieren: "... as surely as every future grows out of past
and present, so will the physiology of the future gradually extend
the realm of matter and law until it is co-extensive with
knowledge, with feeling, and with action." (Ibid.)

Als bedrückender utopischer Ausblick auf die
Zukunft, so scheint es, bleibt nur noch absolute Kontrolle
übrig. Der "progress of science" sei Ausdruck eines Wissens,
"...which may, in future, help us to exercise the same kind of
control over the world of thought, as we already possess in respect
of the material world (...)." (i, S. 164.)

b) Historisches Bewußtsein

Den Resonanzboden für derart radikale
Äußerungen bildet nicht zuletzt ein stark
ausgeprägtes historisches Bewußtsein. Der
wissenschaftliche Positivismus des neunzehnten Jahrhunderts
legitimiert sich geschichtlich – ein Tatbestand, über
den die vordergründige Betonung der Fak­ten nur
allzuleicht hinwegtäuschen könnte. So bezieht Auguste
Comtes Philosophie des Positi­vismus ihren universellen
Anspruch aus dem Dreistadiengesetz: als letzte, notwendige und
irreversible Epoche, die auf das religiöse und metaphysische
Zeitalter folge. Und dieses Denken wiederum ist ein Erbe des
ausgehenden achtzehnten Jahrhunderts, in dem die Gesellschaft auf
wissenschaftlicher Grundlage planvoll reformiert werden sollte.
Condorcet kann als personifi­ziertes Paradigma für diese
Synthese aus mathematischem Kalkül und historischem
Bewußtsein gelten. (9)

Während Comte (in England lebhaft rezipiert)
den positiven Endzustand der Geschichte er­reicht sieht,
schlägt Huxley allerdings moderatere Töne an:

Not that the growth of physical science is an
exclusive prerogative of the Victorian age. Its present strength
and volume merely indicate the highest level of a stream which took
its rise alongside of the primal founts of Philosophy, Literature,
and Art, in ancient Greece; and, after being dammed up for a
thousand years, once more began to flow three centuries ago. (i, S.
43.)

Das Mittelalter wird zwar recht ungnädig
bedacht und als Damm gegen den "Strom" der Auf­klärung
interpretiert; es spricht jedoch für den historischen Sinn
Huxleys, daß er den gemein­samen Ursprung der Künste
und Wissenschaften im antiken Griechenland lokalisiert. Die
Geschichte verläuft weniger stadiengerecht, weniger
reibungslos und weniger linear, als das Dogma Comtes nehelegt. Der
Essay über Descartes (1870) und vor allem "On the Hypothesis
that Animals are Automata, and its History" (1874) zeugen davon,
daß Huxley unter der "New Philosophy" einen Begriff versteht,
der sich auf große Vorgänger beruft: neben Descartes auf
Newton, Galilei und Francis Bacon. Er ist sich außerdem
bewußt, daß die Methodologie der neuzeitlichen
Wissenschaft auf der kategorischen Trennung von Subjekt und Objekt,
experi­mentell verifizierbare Erfahrungshypothesen sowie
verläßliche Naturgesetze beruht. Huxley sieht bereits in
Descartes "Traité de l'homme" (1664) "... that purely
mechanical view of vital phenomena" repräsentiert, "towards
which modern physiology is striving." (i, S. 181.) Angesichts jener
erkenntnistheoretischen Tradition rückt er, aller
zeitgenössischen Euphorie trotzend, die Errungenschaften der
industriellen Revolution ins rechte Licht. Dampfmaschinen,
Eisenbahnen und Telegraphen seien nur "...the ripples and bubbles
upon the surface of that great spiritual stream." (i, S. 25.)

Das historische Wissen um den "great spiritual
stream" betont die ideelle, letztlich in der Gei­stesgeschichte
wurzelnde Substanz der New Philosophy. Huxley zeigt in diesem Punkt
auch eine überraschende Übereinstimmung mit der
Kulturkritik. Er ist sich mit Carlyle darin einig, daß das
wissenschaftliche neunzehnte Jahrhundert eine logische Konsequenz
aus der empiri­schen und rationalistischen Wende des
ausgehenden Mittelalters sei. Die philosophische Revo­lution
geht der industriellen weit voraus. Somit herrscht
Ãœbereinstimmung in der historischen Analyse. Sie endet jedoch
dort, wo es um die Einschätzung und Wertung des neuen
Zeitalters geht. Der Kulturkritik präsentiert es sich als
Zerfall der Werte, als Abdankung des Glaubens, als geistig
richtungslose Anarchie. Der Wissenschaftler Huxley hingegen sieht
große Chancen und Fortschritte in ihm. Fortschritte nicht nur
materieller Art; denn die geistige Emanzipation von der
autoritären Theologie bedeutet einen erheblichen Zuwachs an
intellektueller Freiheit. Die repräsentative Differenz
zwischen Huxley und Carlyle darf also durchaus festgehalten werden,
obwohl ersterer keineswegs als unreflektierter Anhänger der
Fortschrittsidee verstan­den werden darf. Der Unterschied
zwischen beiden tritt besonders krass hervor, wenn die Haltung
bedacht wird, die sie zum Empirismus einnehmen: Carlyle erblickt in
John Locke und David Hume verderbliche Atheisten. T. H. Huxley
hält sie für wichtige Erkenntnistheoretiker, die gerade
dem Wissenschaftler entscheidende Grenzen ziehen.

c) Agnostizismus

Je weiter das neunzehnte Jahrhundert
voranschreitet, desto deutlicher sondern sich die
Natur­wissenschaften, die Religion und die Kunst voneinander
ab. "Zwei Kulturen", wie die Debatte zwischen T. H. Huxley und
Matthew Arnold belegt, scheinen zu entstehen. (10) Vor allem
religiös motivierte Kulturkritiker geraten heftig mit
Wissenschaftlern aneinander. Im allgemeinen wird das
Erscheinungsjahr von Charles Darwins "On the Origin of Species"
(1859) angeführt, um den Scheideweg historisch zu
markieren.

Gewiß setzt der Prozeß einer Trennung
von humanem und wissenschaftlichem Diskurs schon unmittelbar nach
dem Abklingen der Romantik ein. Zudem war der Evolutionsgedanke
einem breiten Publikum durch Robert Chambers
populärwissenschaftliche Abhandlung "Vestiges of the Natural
History of Creation" (1844) geläufig. George Eliots
bahnbrechende Übersetzung von David Friedrich Strauß
("Life of Christ" (1846)) hatte längst schon für den
"Higher Cri­ticism", d.h. für die historisch-kritische
Lesart der Bibel den Weg freigemacht. Nicht zuletzt aber
entwickelte die Wissenschaft selber eine unwiderstehliche
Eigendynamik. Astronomie und Geologie erschlossen eine
räumliche und zeitliche Entwicklungsgeschichte, die
menschliche Vorstellungskraft überstieg. Das Ebenbild Gottes
und seine Kulturgeschichte schrumpfte zu einer winzigen Episode
zusammen. Darwins Buch war allenfalls der letzte entscheidende
Schlag, der gegen ein labiles theologisches Lehrgebäude
geführt wurde.

Doch läßt sich über die
Gegensätze der Viktorianischen Epoche kaum angemessen
sprechen, ohne zugleich den Hang zum Ausgleich und Kompromiß
hervorzuheben, der sie nicht uner­heblich charakterisiert. Die
teleologisch argumentierende "Natural Theology" (Physikotheologie)
etwa verbürgte bis weit über das achtzehnte Jahrhundert
hinaus einen inneren Zusammenhang zwischen empirischer Forschung
und theologischer Interpretation. (11) Gelehrte wie W. Paley
vereinigten den Typus des Wissenschaftlers und Theologen in einer
Person. Darüber hinaus war insbesondere das Trinity College in
Cambridge bis in die vierziger Jahre hinein ein eindrucksvoller
Beleg für diese universelle Synthese. William Whewell und
Charles Lyell ragten mit monumentalen, vielgelesenen und auch
wissenschaftlich relevanten Werken aus dieser Schule hervor. (12)
– Insofern freilich behält Darwins "Origin" seine
revolutio­näre Sprengkraft bei. Natural Theology schien
nach der Veröffentlichung dieser Arbeit nicht mehr
praktizierbar zu sein. Transzendente Verbindlichkeiten wichen
systematisch einer streng immanent gedachten Entwicklungslehre. Das
kompromißbereite Viktorianische Kulturleben weist nach 1859
in dieser Frage äußerst polemische und
unversöhnliche Züge auf. Neben der oben erwähnten
"Two-Cultures"-Kontroverse zwischen Huxley und Arnold verdient die
berüchtigte Affenhypothese besondere Erwähnung. Ob der
Homo Sapiens in den Tieren seine legitimen Verwandten und
Vorläufer anerkennen solle oder nicht, war Gegenstand einer
lei­denschaftlichen Diskussion zwischen Lordbischof Samuel
Wilberforce und Huxley, kurz nach der Publikation des "Origin".
(13)

Die hartnäckige Polemik, die John Ruskin gegen
John Tyndall in den Siebzigern führte, deutet auf einen
weiteren wichtigen Aspekt der unübersehbaren Polarisierung von
Wissenschaft und Kulturkritik. Ruskin, obschon gelernter Geologe,
kann mit seinem Plädoyer für organische Denkformen den
Eindruck nicht verhindern, daß er sich keineswegs auf der
Höhe der fachwis­senschaftlichen Diskussion befindet. Auf
Anraten seiner Kollegen kann es sich Tyndall leisten, die vehemente
Kritik zu ignorieren. Binnen einer Generation nur hat sich das
Wissen mit un­glaublicher Geschwindigkeit spezialisiert und
verfeinert. (14) Während die Wissenschaftler ihr esoterisches
Geschäft betreiben und kausalmechanistische Modelle
unbedenklich auf die Natur übertragen, prophezeihen Kritiker
wie Arnold und Ruskin den Untergang der Kunst, der Moral und der
humanistischen Bildung.

Frei von dieser Polarisierung blieb indessen auch
der Agnostizismus nicht. Erkenntnistheoretische Abstinenz wurde
nicht zugelassen. Huxleys Essay "Agnosticism" (1889) dokumentiert,
wie reibungslos dieser Begriff in das Arsenal polemischer
Schlagworte seitens der anglikanischen Staatskirche ("Broad
Church") integriert wurde (v, S. 209f.). Bei den orthodoxen
Vertretern dieser Position bildet er zusammen mit "anarchy" und
"atheism" häufig eine regelrechte Trias. Und natürlich
stand Huxley als prominentes Sprachrohr der "New Philosophy"
exemplarisch im Kreuzfeuer der Kritik. Doch just seine
agnostizistische Haltung bewahrte ihn davor, seinen Gegnern mit
unsachlichen Diffamierungen zu begegnen. Er bevor­zugt die
selbstbewußte Gelassenheit der Ironie:

They (die Kritiker, G.B.) watch what they conceive
to be the progress of materialism, in such fear and powerless anger
as a savage feels, when, during an eclipse, the great shadow creeps
over the face of the sun. The advancing tide of matter threatens to
drown their souls; the tightening grasp of law impedes their
freedom; they are alarmed lest man's moral nature be debased by the
increase of his wisdom. (i, S. 160.)

Der Agnostizismus nun verhindert das Umschlagen der
Ironie in aggressive Ideologie. Denn Begriffe wie "Materie" oder
"Geist" sind für Huxley nur nominalistische Festlegungen, die
durch das Bewußtsein des Menschen getroffen werden. Was den
Namen und Zeichen zugrundeliegen mag, bleibt uns verborgen: "For,
after all, what do we know of this terrible 'matter', except as a
name for the unknown and hypothetical cause of states of our own
consciousness?" (Ibid.) Derartige Begriffe sind also vom Status
einer realistischen, Objektivität verheißenden
Ontolo­gie weit entfernt. Auch und gerade wenn sie
Leitvorstellungen der Wissenschaft bezeichnen. Idealistische Terme
wie "spirit" sind für Huxley durchaus zulässig. Sie
fallen allerdings eben­falls dem Nominalismus zum Opfer und
sind um nichts einleuchtender.

Gewährsmann und Autorität für diese
agnostizistische Position ist David Hume (1711-1776). Huxley
übernimmt von ihm die berühmte Kritik am
Kausalitätsgesetz. Selbst die höchste Richtschnur
wissenschaftlicher Argumentation, das Gesetz von Ursache und
Wirkung, be­zeichne nur eine unter bestimmten Bedingungen
regelmäßig wiederkehrende Sukzession beobacht­barer
Phänomene. Nichts berechtige dazu, dieses post hoc durch ein
propter hoc, also durch die Annahme einer Notwendigkeit a priori zu
ersetzen: "Fact I know; and Law I know; but what is this Necessity,
save an empty shadow of my own mind's throwing?" (i, S. 160.)
– Kritische Erkenntnistheorie und Nominalismus gehen in
Huxleys Agnostizismus eine enge Verbindung ein. Und jenseits
polemischer Schärfe nimmt der Agnostizismus eine vermittelnde
Haltung gegenüber dem gespannten Verhältnis zwischen
Kultur- und Naturwissenschaften ein; der Preis dafür ist
allerdings hoch; denn er besteht in einem umfassenden
Relativismus:

In itself it is of little moment whether we express
the phenomena of matter in terms of spirit; or the phenomena of
spirit in terms of matter: matter may be regarded as a form of
thought, thought may be regarded as a property of matter –
each statement has a certain relative truth. (i, S. 162)

Die agnostische Position entzieht beiden Parteien
kurzerhand die philosophische Lizenz. Dennoch verbergen sich hinter
der aseptischen Geste des Agnostikers Huxley bestimmte
Einseitigkeiten. So wird der Rationalismus unbesehen als Prinzip
angesetzt. Für Huxley ist seit Newton der Königsweg zur
Wissenschaft beschritten. Zwar entschärft er den
epochentypischen Materialismus mit nominalistischen Mitteln; doch
seine Begründung, weshalb die Terminologie des mechanistischen
Denkens vorzuziehen sei, offenbart die Abhängigkeit vom
Zeitgeist. Es fehlt jene kulturkritische Distanz und
Sensibilität, die Carlyle auszeichnen. Und auch von dieser
Seite her wird deutlich, wie selbstverständlich und
selbstevident das mechanistische Denken um die Jahrhundertmitte
geworden ist:

...with a view to the progress of science, the
materialistic terminology is in every way to be pre­ferred. For
it connects thought with the other phenomena of the universe, and
suggests inquiry into the nature of those physical conditions, or
concomitants of thought, which are more or less accessible to us
(...). (i, S. 164)

Die einseitige Bevorzugung des mechanistischen
Prinzips begründet sich damit aus dem fak­tischen Erfolg
des "progress". Die These von der direkten Modellübertragung
mechanistischen Denkens auf die Natur muß vor diesem
Hintergrund ergänzt werden. Sie ist mehr als der
selbstbewußte Vollzug einer neuen Methode. Die Legitimation
dieses Ideentransfers greift letztlich eben doch auf die
pragmatischen Prämissen des Utilitarismus und Positivismus
zurück.

Spätestens in den achtziger Jahren allerdings
mußte Huxley am eigenen Leib erfahren, daß die
unbegrenzte Freiheit mechanistischer Prinzipien gezielt zur
Auflösung kultureller Zusammen­hänge führt. Die
These, wonach die New Philosophy "thought with the other phenomena
of the universe" verbinde, entpuppte sich als Illusion. Denn die
philosophisch so umfassende Per­spektive von Wissenschaftlern
wie Huxley scheiterte an einer nicht mehr überblickbaren
Kom­plexität. Das mechanistische Prinzip
effizienzsteigernder Arbeitsteilung führte zur anarchistischen
Spezialisierung der Disziplinen und selbst Teildisziplinen. Der
kulturelle Kontext spaltete sich irreparabel vom wissenschaftlichen
Kontext ab. Huxley vermochte sein Selbstverständnis als
populärwissenschaftlicher Vermittler nicht länger
aufrechtzuerhalten. Die Entwicklung hatte den allseitig gebildeten
Wissenschaftler hinter sich gelassen. (15)

Es wäre jedoch verfehlt, die intellektuelle
Leistung Huxleys zu unterschätzen. Sein Agnosti­zismus ist
vor allem Ausdruck einer schonungslosen Selbstkritik. Zumal dann,
wenn er dem neuen Typus des hochspezialisierten Wissenschaftlers zu
bedenken gibt:

But the man of science, who, forgetting the limits
of philosophical inquiry, slides from these formulae and symbols
into what is commonly understood by materialism, seems to me to
place himself on a level with the mathematician, who should mistake
the x's and y's with which he works his problems, for real entities
– and with this further disadvantage, as compared with the
mathematician, that the blunders of the latter are of no practical
consequence, while the errors of systematic materialism may
paralyse the energies and destroy the beaty of life. (i, S.
165)

d) Das neue Weltbild und die Teleologie

In einem Essay über Darwin ("The Origin of
Species" (1860)) entwirft T. H. Huxley knapp und präzise das
neue Weltbild der Wissenschaft:

Harmonious order governing eternally continuous
progress – the web and woof of matter and force interweaving
by slow degrees, without a broken thread, that veil which lies
between us and the Infinite – that universe which alone we
know or can know; such is the picture which science draws of the
world, and in proportion as any part of that picture is in unison
with the rest, so may we feel sure that it is rightly painted. (ii,
S. 59)

Die agnostisch begrenzte Vernunft konstatiert einen
unendlich und kontinuierlich fortschrei­tenden Prozeß.
Die göttliche Teleologie der Natural Theology entfällt
ersatzlos. Harmonie und Ordnung sind ein Produkt immanent
regulierender Naturgesetze. Sie allein verbürgen den
uni­versellen Zusammenhang der Wissenschaft und ihren Anspruch
auf Wahrheit. Wohl sind sie statisch gedachte Fixpunkte geistiger
Orientierung; ihre Wirkung aber läßt sich lediglich
an­hand dynamischer, empirisch prüfbarer "secondary
causes" feststellen: "... what is the history of astronomy, of all
the branches of physics, of chemistry, of medicine, but a narration
of the steps by which the human mind has been compelled, often
sorely against its will, to recognise the operation of secondary
causes in events where ignorance beheld an immediate intervention
of a higher power?" (ii, S. 13) Die Zielgerichtetheit der
Naturentwicklung, die untrennbar mit dem Gedanken der "final
causes", d.h. der teleologischen Konzeption von Wissenschaft
ver­knüpft war, macht einer entfesselten Dynamik Platz,
die lediglich ihren eigenen Gesetzen folgt und nur aus ebendiesen
Gesetzen erklärbar ist. Darwin habe, so Huxley, die
idealistischen Spinnweben der Spekulation zerrissen und eine "solid
and broad bridge of facts" errichtet: "...it will carry us safely
over many a chasm in our knowledge, and lead us to a region free
from the snares of those fascinating but barren virgins, the Final
Causes (...)." (ii, S. 20-21)

Um ermessen zu können, was das Primat der
secondary causes über die final causes bedeutet, ist ein
Vergleich Huxleys mit Carlyle überaus hilfreich. Schnell wird
deutlich, daß die noch geistig interpretierte "Science of
Dynamics" des Kulturkritikers jetzt vollständig im rein
immanenten Evolutionsprozeß aufgeht. Daran läßt
Huxley keinen Zweifel:

We konow that the phaenomena of vitality are not
something apart from other physical phaeno­mena, but one with
them; and matter and force are the two names of the one artist who
fashions the living as well as the lifeless. ...living bodies may
be regarded as nothing but extremely com­plex bundles of forces
held in a mass of matter, as the complex forces of a magnet are
held in the steel by its coercive force. (ii, S. 31-32)

"Dynamics", von Carlyle noch als geistiges
Gegenprinzip und Korrektiv zu "Mechanics" entwickelt, ist somit
bruchlos in ein monistisches Wirkumskontinuum überführt
und integriert worden. Die Personifikation dieser Einheit als
"artist" etabliert kein spekulatives und duali­stisches
Verhältnis zwischen Schöpfer und Schöpfung, gerade
weil Geist und Materie als untrennbar betrachtet werden. Vielmehr
zeichnet sich hinter der theologischen Rhetorik der Einfluß
ab, den die enorme Zunahme chemischer Erkenntnisse im neunzehnten
Jahrhundert ausübt. Die klassische Mechanik konnte nach und
nach dem makrokosmischen Bereich (Physik und Astronomie) zugeordnet
werden; während chemophysikalische Reaktionen zunehmend die
mikroskopisch entdeckte Innenseite der Materie erschlossen. (i, S.
75) Entscheidend dabei war: Innen- wie Außenwelt wurden der
identischen und vereinheitlichenden Methode
empi­risch-experimenteller Forschung unterzogen.

Der Gedanke schließlich der einheitlichen
"Entwicklung" selber, die genealogisch verstandene Evolution, tat
ein übriges. Der neue Begriff der organischen "Funktion"
erklärte sich genetisch aus dem "struggle for existence". Der
Begriff des Ziels (telos) als einer transzendent
interpre­tierbaren "Form" der Materie hatte ausgedient. Seine
Relevanz schwindet etwa zeitgleich mit der Bedeutung der noch
statisch angelegten, sogenannten "Naturkunde" (Natural History).
William Coleman faßt deshalb als wesentliche
wissenschaftliche Neuerung der Biologie im neunzehnten Jahrhundert
zusammen: "Function displaced form as the goal of biological
inquiry." Huxleys Wissenschaftsverständnis sei exemplarisch:
"Physiology becomes thereby the science whose special
responsibility it is to study functions, the separate vital
mechanisms of the organism as well as their collective effect, life
itself." (16) – Damit aber kreist die "Dynamics"
selbstzweckhaft in sich selber. Sie reduziert sich auf eine
energetische Funktionsleistung im Kampf ums Ãœberleben. Diese
als Ãœberlebenskampf konzipierte Evolution erscheint bei Huxley
denn auch folgerichtig als "floating balance of the unceasing
struggle for existence." (ix, S. 2)

Noch nicht einmal die Zunahme von Komplexität
ist ein entscheidendes Kriterium für diesen "process of
ceaseless modification." (Ibid.) Regression wie Progression
befolgen die identi­schen Gesetze einer ewigen und offenbar
gleichgültigen Natur. Huxleys Evolutionsgedanke ist in
mehrfacher Hinsicht Ausdruck eines vorsokratischen
Weltgefühls. Nicht nur im Sinne stän­diger
Veränderung (Heraklit), sondern auch in der Annahme eines
ewigen Prozesses, der teleo­logische Zielsetzungen
radikal außer Kraft setzt. Ohne Evidenz für einen
transzendenten Schöpfer besteht in der Tat kein Zwang, Anfang
oder Ende der materiellen, ewig wandelbaren Welt zu denken. Er
treibt die "dysteleologische" Weltauffassung konsequent auf die
Spitze. Er leugnet sogar die zyklische Harmonia, die die
Vorsokratiker den unendlichen kosmischen Peri­oden immerhin
zugestanden hatten. (17)

Aus kulturkritischer Sicht bedeutsam war aber nicht
nur das abstrakte dehumanisierte Weltbild der Wissenschaft. Die
Diskussion wurde gerade im Viktorianischen Zeitalter entscheidend
konkretisiert. Die Eingliederung des Menschen in die Kausalkette
natürlicher Entwicklung schien unerträglich. Die als
Affront empfundene Affenverwandtschaft ist nur das
äußerliche Zeichen für ein zutiefst gestörtes
religiöses Weltbild. Paläontologie wie Geologie belegten
längst schon die historische Begrenztheit des Menschen und
bereiteten der Evolutionsthese Darwins einen fruchtbaren Boden. Die
vielleicht wichtigste Kontroverse löste die beun­ruhigende
Ãœberlegung aus, ob die nur ihrer Eigengesetzlichkeit folgende
Evolution, völlig un­berührt von der Intention eines
womöglich gar nicht existierenden Schöpfers, letztlich
der Ausdruck eines blinden mechanischen Zufalls sei. (18) Das
unberechenbare Mutationsprinzip sowie seine komplexe Wechselwirkung
mit der Umwelt schienen diese Schlußfolgerung
nahe­zulegen. – War die Entwicklung bis hin zu
höchsten Lebensformen also nur der unerklärlichen Gunst
Fortunas zu verdanken? Wurden Notwendigkeit, Teleologie und
Religion nicht a poste­riori in den Evolutionsverlauf
hineinprojiziert?

Huxley jedenfalls entwickelt ausgerechnet am
Uhrengleichnis (19), dem mechanistischen Para­digma für
die Teleologie eines schöpferischen Handwerkers, das neue,
sich selbst genügende Evolutionsmodell. Erst hier, wo sich der
wissenschaftliche Rationalismus von den im sieb­zehnten und
achtzehnten Jahrhundert noch intakten theologischen Voraussetzungen
löst, wird das atheistische Potential der New Philosophy im
vollen Umfang erkennbar:

Suppose, however, that any one had been able to
show that the watch had not been made directly by any person, but
that it was the result of the modification of another watch which
kept time but poorely; and that this again had proceeded from a
structure which could hardly be called a watch at all –
seeing that it had no figures on the dial and the hands were
rudimentary; and that going back in time we came at last to a
revolving barrel as the earliest traceable rudiment of the whole
fabric. And imagine that it had been possible to show that all
these changes had resulted, first, from a tendency of the structure
to vary indefinitely; and secondly, from something in the
sur­rounding world which helped all variations in the direction
of an accurate time-keeper, and checked all those in other
directions; then it is obvious that the force of Paley's argument
would be gone. For it would be demonstrated that an apparatus
thoroughly well adapted to a particular purpose might be the result
of a method of trial and error worked by unintelligent agents, as
well as of the direct application of the means appropriate to that
end, by an intelligent agent. (ii, S. 83-84)

Der ziellose kosmische Prozeß wird dergestalt
als Quelle unendlicher Veränderung erfahren. Unter dem
Anpassungsdruck des Ãœberlebenskampfes mag er sich durchaus das
Ansehen von Planung und Intelligenz verleihen, ohne daß der
Schluß auf die Intentionalität eines transzen­denten
Schöpfers gerechtfertigt ist. Irrationale Dynamik und
permanenter Zwang zur Verände­rung charakterisieren eine
wesentliche existentielle Grunderfahrung nicht nur des
Viktoriani­schen, sondern überhaupt des modernen
Zeitalters. Die Entdeckung der geologischen Zeitskala etwa
führt Huxley den Zeitgenossen drastisch vor Augen: "Instead of
the surface of the earth being that stable, fixed thing that it is
popularly believed to be, being, in common parlance, the very
emblem of fixity itself, it is incessantly moving, and is, in fact,
as unstable as the surface of the sea, except that its undulations
are infinitely slower and enormously higher and deeper." (ii, S.
337) Sogar die archaische Grenze von Land und Meer wird
fließend. Sie reduziert sich auf eine Frage der zeitlichen
Differenz, d.h. der Bewegungsgeschwindigkeit. Alles erfassende
Dy­namik ist mit dem neuen wissenschaftlichen Weltbild also
untrennbar verbunden – und keines­wegs ein Zeichen
kulturkritischer Opposition wie in den Schriften Carlyles. Erst zu
Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts erlebt die "Dynamics" eine
kritische Renaissance: im Zuge der neuen vitalistischen
Lebensphilosophie.

Erneut fällt es schwer, T. H. Huxley als
eindeutigen Befürworter einer Theorie (in diesem Fall die
entteleologisierte Welt der Wissenschaft) zu präsentieren.
Denn er reflektiert, differenziert wie immer, auch Probleme der
Ethik. Sein umfangreicher Essay "Evolution and Ethics" (1893) gilt
heute noch als eines seiner Hauptwerke. Er sah sich genötigt,
dieser Arbeit 1894 eine Ein­leitung ("Prolegomena")
voranzuschicken, um seine vieldiskutierten Thesen zu
erläutern. Kul­tur, so Huxley, beruhe auf einem ethischen
Impuls, der den "struggle for existence" bekämpfen und
aufheben wolle. Kultur stehe zur Natur in einem antagonistischen
Verhältnis. Dies sei um so befremdender, als auch die
kulturschaffende Energie und Intelligenz unzweifelhaft "part and
parcel of the cosmic process" ist. (ix, S. 11) Die Evolution treibt
also aus sich selber einen Zu­stand artifizieller menschlicher
Kultur hervor, der ihrer eigenen Tendenz paradox zuwiderläuft.
Am einfachen Beispiel einer Gartenanlage erläutert Huxley
seine These:

... if the conclusion that the two (Natur und
Kultur, G.B.) are antagonistic is logically absurd, I am sorry for
logic, because as we have seen, the fact is so. The garden is in
the same position as every other work of man's art; it is a result
of the cosmic process working through and by human energy and
intelligence; and, as it is the case with every other artificial
thing set up in the state of nature, the influences of the latter
are constantly tending to break it down and destroy it. (ix, S.
12)

Die kulturkritischen Schlußfolgerungen aus
der ethischen Sonderstellung des Menschen sind bemerkenswert.
Huxley lehnt den technokratischen Staat einer "ideal policy" (ix,
S. 19f.) ab. Das utopische Potential der Wissenschaft ist ihm
durchaus bekannt. Weit vorausblickend reflektiert er Gefahren wie
eugenische Maßnahmen eines "despotic government", die von
einer Elite ("saviours") als oberste Selektionsinstanz
durchgeführt werden. (ix, S. 22f.) Jene bedenklichste aller
Modellübertragungen – der Sozialdarwinismus –
beruhe auf falschen Voraussetzungen. Als Beleg zieht Huxley eine
vergleichende Gegenüberstellung des Bienenstaates mit der
menschlichen Gesellschaft heran: Im Bienenstaat bestehe eine
vollständige Kongruenz zwi­schen organischer
Prädestination und tatsächlicher Funktion. In der
menschlichen Gemein­schaft hingegen herrsche bei allen
Mitgliedern eine schwer zu bestimmende "self-assertion" oder
"aviditas vitae", ein Egoismus eindeutig antisozialer Tendenz. (ix,
S. 26f.) Exakt aus diesem Grund müsse die gesellschaftliche
Konvention mittels juristischen Zwangs und öffentlicher
Meinung antidarwinistisches Verhalten festigen: "We come to think
in the aquired dialect of morals. An artificial personality, the
'man within', as Adam Smith calls conscience, is built up beside
the natural man within the limits required by social welfare." (ix,
S. 30)

Aus diesem anthropologischen Konzept folgen
Verhaltensregeln, die den "struggle for exi­stence" kulturell
modifizieren: "What is often called the struggle for existence in
society (...), is a contest, not for the means of existence, but
for the means of enjoyment." (ix, S. 40) Die Quali­täten,
die über einen erfolgreichen "struggle for enjoyment"
entscheiden, sind explizit morali­scher Art: "energy, industry,
intellectual capacity, tenacity of purpose" und schließlich
"sympathy". (ix, S. 41) Deshalb plädiert Huxley für eine
moralische Gesellschaftsordnung, die diesen Qualitäten
ungehinderte Entfaltung erlaubt. Daß freilich auch die
moralische "fitness" organisch bedingt sein könnte (von der
intellektuellen ganz zu schweigen) und gesellschaftli­cher
Erfolg womöglich nichts mit eigentlichem Verdienst zu schaffen
hat, problematisiert Huxley nicht. Aber gerade die Verpflichtung
gegen die Schwachen hebt er deutlich hervor, indem er gegen den
Sozialdarwinismus Front macht:

It strikes me that men who are accustomed to
contemplate the active or passive extirpation of the weak, the
unfortunate, and the superfluous; who justify that conduct on the
ground that it has the sanction of the cosmic process, and is the
only way of ensuring the progress of the race; who, if they are
consistent, must rank medicine among the black arts and count the
physician a mischie­vous preserver of the unfit; on whose
matrimonial undertakings the principles of the stud have the chief
influence; whose whole lives, therefore, are an education in the
noble art of suppressing natural affection and sympathy, are not
likely to have any large stock of these commodities left. But,
without them, there is no conscience, nor any restraint on the
conduct of men, except the calculation of self-interest, the
balancing of certain present gratifications against doubtful future
pains; and experience tells us how much that is worth. (ix, S.
36-37)

Bei aller Abgrenzung der menschlichen Kultur gegen
darwinistische Modelle bleibt allerdings festzuhalten, daß
T.H. Huxley sich den Konsequenzen der New Philosophy mit seltener
Redlichkeit gestellt hat. Der Mensch, daran läßt er
nicht den geringsten Zweifel, wird auch bei größter
kultureller Anstrengung das Rennen gegen den "cosmic process"
verlieren. Der gewal­tige geschichtliche Bogen, den Kosmologie
und Geologie beschreiben, läßt ihm keine
realisti­sche Chance. Im Rahmen der Naturgeschichte ist die
menschliche Kulturgeschichte ein flüch­tiger Augenblick.
Für Huxley ist der Zeitpunkt abzusehen, "... until the
evolution of our globe shall have entered so far upon its downward
course that the cosmic process resumes its sway; and, once more,
the State of Nature prevails over the surface of our planet." (ix,
S. 44-45) Hieraus wird leicht ersichtlich, daß das absurde
Existenzgefühl des zwanzigsten Jahrhunderts starke Wurzeln im
Evolutionsdenken des neunzehnten Jahrhunderts hat, ein Jahrhundert
mit vielen, beileibe nicht nur optimistischen Gesichtern.

In diesem Zusammenhang darf auch die elementare
Erfahrung einer gleichgültigen Natur nicht vergessen werden.
Huxley stellt ausdrücklich eine Verbindung zwischen modernem
und tragi­schem Bewußtsein her:

Thus, brought before the tribunal of ethics, the
cosmos might well seem to stand condemned. The conscience of man
revolted against the moral indifference of nature, and the
microscopic atom should have found the illimitable macrocosm
guilty. But few, or none, ventured to record that verdict. (ix, S.
59)

Die Wissenschaft des neunzehnten Jahrhunderts hat
die fromme Scheu vor einer moralischen Beurteilung und Verurteilung
der Natur zurückgenommen. Und erst diese ungeheuere
Ver­schiebung aller geistesgeschichtlichen Akzente macht meines
Erachtens verständlich, weshalb die mechanistische
Interpretation der Natur eine derart krasse Säkularisierung
auslösen konnte. – Wo sie doch bis weit in das
achtzehnte Jahrhundert durch eine intakte spekulative Kultur
gebannt werden konnte.

Kapitel 3

Samuel Butler: "The Book of the Machines" (1872)
Planspiele der Fantasie

a) Die Newcomer der Evolution

Die direkte Ãœbertragung mechanistischer
Denkformen auf Organismen ließ sich anhand der Texte T. H.
Huxleys rekonstruieren. Um die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts
verliert die kulturkritische Opposition Mechanismus-Organismus
erheblich an Bedeutung. Der neue Evo­lutionsgedanke, konsequent
realisiert, entpuppte sich als dynamischer Kosmos, der lediglich
immanente Gesetze befolgt; so zum Beispiel das "trial and error"
von Mutation und Selektion. Carlyle griff noch unmittelbar zuvor
auf eine statisch orientierte Anthropologie zurück, um die
Opposition aufrechtzuerhalten. Der klassische "hero" geht nicht
restlos in der Geschichte auf, sondern avanciert zum geistigen
Gesetzgeber des historischen Prozesses schlechthin. Doch gerade
aufgrund seiner idealistischen, geistig vereinheitlichenden
Geschichtsauffassung war Carlyle als erster in der Lage, das
neunzehnte Jahrhundert als "Age of Machinery" zu
interpre­tieren.

Allein anhand der Modellübertragung
Maschine/Natur läßt sich kein sicherer Schluß auf
materialistische und wissenschaftsgläubige Gesinnung ziehen.
Entscheidend ist, ob organische Denkformen in einen lebendigen
Gegensatz zu mechanistischen Denkformen treten oder nicht; ob ein
rein immanenter und dysteleologischer Evolutionsgedanke vorliegt
oder nicht.

Samuel Butlers "The Book of the Machines" (1872)
nun eröffnet die Möglichkeit, eine Brücke zur
gegenwärtigen Diskussion der Modellübertragung zu
schlagen. Der Text ist eine kleinere, in sich geschlossene
Abhandlung aus dem utopischen Roman "Erewhon". Aus dessen
satiri­schen Kontext soll er hier ausdrücklich gelöst
werden. Ebensowenig wird beabsichtigt, "The Book of the Machines"
vor dem Hintergrund der übrigen evolutionstheoretischen
Arbeiten Butlers zu untersuchen. (20) Denn isoliert betrachtet
gewinnt dieses kuriose Dokument eine paradigmatische Dimension, die
für unser Thema sehr aufschlußreich ist. Überhaupt
befruchtete die Evolutionsthese, vor allem im Zusammenspiel mit den
empirischen Befunden der Geologie, die Fantasie nicht weniger
Autoren. Die ungeheuere Ausdehnung der Zeitperspek­tive weit
über die mosaische Schöpfungsgeschichte hinaus ließ
mannigfachen Theorien über die zukünftige Entwicklung der
Menschheit großen Spielraum. Wenn der Zu­stand des
gegenwärtigen Bewußtseins als Folge zahlloser evolutiver
Veränderungen verstan­den wird, denen ein unabsehbarer
geologischer Zeitraum korrespondiert, so spricht nichts gegen die
Annahme, daß in ferner Zukunft ähnlich tiefgreifende
Veränderungen bevorstehen. Die Zukunft als fantasievolles
Spiel einer nie stillstehenden Evolution ermöglichte der
utopi­schen Vorstellungskraft die kühnsten
Ausschweifungen. 1895 bereits begründete H. G. Wells mit
seinem genialen Roman "The Time Machine" die Gattung der Science
Fiction.

Die Zukunft als Planspiel schöpferischer
Fantasie erscheint gleich am Anfang von Butlers Maschinenbuch als
Technik der Verfremdung. Die auf die Vergangenheit einer
unermeßlichen Evolution gerichtete Perspektive setzt die
Vertrautheit der Gegenwart außer Kraft:

There was a time when the earth was to all
appearance utterly destitude both of animal and vegetable life, and
when according to the opinion of our best philosophers it was
simply a hot round ball with a crust gradually cooling. Now if a
human being had existed while the earth was in this state and had
been allowed to see it as though it were some other world with
which he had no concern, and if at the same time he were entirely
ignorant of all physical science, would he not have pronounced it
impossible that creatures possessed of anything like consciousness
should be evolved from the seeming cinder which he was beholding?
Would he not have denied that it con­tained any potentiality of
consciousness? Yet in the course of time consciousness came.
(21)

Die Umkehrung dieser Zeitperspektive rückt
dagegen sofort das utopische Potential der Zu­kunft in das
Blickfeld: "Is it not possible then that there may be even yet new
channels dug out for consciousness, though we can detect no signs
of them at present?" (S. 175)

Paradigmatisch besonders für die Problematik
der Modellübertragung ist ferner die Art und Weise, wie Butler
den Spielraum der Zukunft besetzt. "The Book of the Machines"
entwirft ein Szenarium, in dem die Maschinen die Newcomer der
Evolution darstellen, d.h. den Menschen aus seiner
Führungsposition verdrängen und endlich sogar
überflügeln. Daß der Text als Anti­zipation der
KI-Debatte gelesen und interpretiert werden kann, daß er
unabhängig vom Roman ein faszinierendes Eigenleben entwickelt,
sei nochmals betont. (22)

b) Das Ende eines Gegensatzes: Absolute
Analogie

Das Verfahren, dessen sich Butler bedient, um die
Maschine als Krönung der evolutiven Ent­wicklung zu
präsentieren, läßt sich als absolute Analogie
charakterisieren. Maschine und Or­ganismus werden zunächst
als Bewußtseinsformen der nämlichen Evolution
interpretiert. Als Ausdruck ein und derselben Entwicklung
verfügen sie über einen gemeinsamen Ursprung. Und dieser
identische Ursprung erweist den Gegensatz Maschine-Organismus als
künstliches Pro­dukt einer anthropomorphen Illusion.
Entsprechend zeigt die Argumentation immer wieder das Mechanische
im Organischen und das Organische im Mechanischen auf. Die
Modellübertra­gung wird nach beiden Seiten völlig
durchlässig:

But who can say that the vapour engine has not a
kind of consciousness? Where does conscious­ness begin, and
where end? Who can draw a line? Who can draw any line? Is not
everything inter­woven with everything? Is not machinery linked
with animal life in an infinite variety of ways? The shell of a
hen's egg is made of a delicate white ware and is a machine as much
as an egg-cup is: the shell is a device for holding the egg, as
much as the egg-cup for holding the shell: both are phases of the
same function; the hen makes the shell in her inside, but it is
pure pottery. She makes her nest outside of herself for
convenience' sake, but the nest is not more of a machine than the
egg-shell is. A 'machine' is only a 'device'. (S. 176)

Das Verfahren absoluter Analogie führt
dergestalt häufig zu Vergleichen ganz eigentümlicher
Suggestivität, die beide Gegenstandsbereiche gegeneinander
ausspielt. Die Wirkung dieser Suggestivität besteht darin,
daß die traditionelle Opposition Maschine-Organismus
schlankweg geleugnet wird. Die Rezeption, nach wie vor von diesem
Vorurteil belastet, wird ständig dü­piert. Wenn zum
Beispiel das Bewußtsein physiologisch determiniert sein soll,
so ist es nur konsequent, in mechanischer Determination umgekehrt
einen Bewußtseinsakt zu erblicken. Da Geist wie Materie ihre
gemeinsame Substanz in der Evolution haben, sind beide
Schlüsse gleichermaßen legitim. Gewiß ist
übrigens die Aufhebung und Verflüssigung von
Gegensätzen eine grundlegende Wirkung des Analogieverfahrens
schlechthin. Dies belegt nicht zuletzt die geistesgeschichtliche
Verwandtschaft der Analogie mit mystischer, theologischer und
magi­scher Naturauffassung.

"The Book of the Machines" freilich verleiht dieser
altbewährten Technik eine besondere Note. Butler
verknüpft seine Analogien mit der Kategorie evolutiver
Entwicklung, einem dynami­schen Kosmos also, der sich von der
statisch-hierarchischen, gottgewollten und ewigen Ord­nung
traditioneller Theologie erheblich unterscheidet. Er betont die
rapide Entwicklung der Maschine, einer Spezies, die aus
geologischer Sicht noch lächerlich jung und voller Zukunft
sei: "The present machines are to the future as the early Saurians
to man. The largest of them will probably greatly diminish in
size." (S. 179) Der Mensch ist nicht mehr Mittelpunkt der
Weltordnung. Intelligenz und Bewußtsein sind nicht
länger seine unveräußerlichen Privilegien. Die
Geschwindigkeitsrate der Maschinenentwicklung spricht dafür,
daß der Mensch überholt werden wird. Das
Analogieverfahren bezeichnet demnach in diesem Text weit mehr als
eine spekulative Korrespondenz innerhalb der göttlichen
Ordnung. Die Maschine erscheint als neue Form des
Bewußtseins, deren alles bezwingende Dynamik die Zukunft
für sich hat. Im Zuge der Evolution tritt der Mensch ins
zweite Glied zurück.

In diesem Zusammenhang ist es gerechtfertigt, von
einem absoluten Analogieverfahren zu sprechen. Wenn im
herkömmlichen Sinn das Göttliche und Absolute die
Analogien legitimierte und den universellen Kontext alles Seienden
allererst denkbar machte; so stiftet bei Butler, gerade umgekehrt,
die absolut gesetzte Analogie erst den Zusammenhang der Dinge. Der
in organischer wie mechanischer Hinsicht durchlässige
Ideentransfer steht nicht mehr unter dem Legitimationsdruck einer
sinnvollen und gerechten Gottesordnung. Er ermöglicht
lediglich den Einblick in den immer wieder neu zu
erschließenden Verlauf der Evolution. Und der Mensch
erscheint hier leicht als nur zufälliger und
vorübergehender Träger der fortgeschrittensten
Be­wußtseinsform, die ohne weiteres auf andere
Träger übergehen kann.

Als anschauliches Beispiel kann besonders jene
Analogie gelten, die Butler genüßlich insze­niert,
um auch den Maschinen ein Fortpflanzungsvermögen zuzusprechen.
– Letzteres ist ja unerläßlich, wenn eine autonome
Höherentwicklung dieser Spezies evolutionstheoretisch
postuliert wird:

Surely if a machine is able to reproduce another
machine systematically, we may say that it has a reproductive
system. What is a reproductive system, if it be not a system for
reproduction? And how few of the machines are there which have not
been produced systematically by other machines? But it is man that
makes them do so. Yes; but is it not insects that make many of the
plants reproductive, and would not whole families of plants die out
if their fertilization was not effected by a class of agents
foreign to themselves? (S. 188)

Dies wirft eine Frage auf, die für den
künftigen Evolutionsprozeß wesentlich ist: die
allmäh­liche Entwicklung einer neuen, von der Maschine
beherrschten Hierarchie. Butler wird nicht müde, das
dialektische Verhältnis von Herrscher und Diener zu
entwickeln. Es kann nicht statisch festgeschrieben werden, auch
wenn der Mensch die Maschine ursprünglich erfand und seinen
Zwecken dienstbar machte. Der während der industriellen
Revolution erreichte Fort­schritt aller Lebensbereiche
begründet im Gegenzug eine stetig wachsende Abhängigkeit
des Herrschers von seinem Sklaven; bis sich schließlich das
Verhältnis in sein Gegenteil verkehrt:

Are there not probably more men engaged in tending
machinery than in tending men? Do not machines eat as it were by
mannery? Are we not ourselves creating our successors in the
supre­macy of the earth? Daily adding to the beauty and
delicacy of their organization, daily giving them greater skill and
supplying more and more of that self-regulating, self-acting power
which will be better than any intellect? (186)

Der Mensch degeneriert gleich mehrfach: Die
Maschinen bedienen sich seiner Sinne zur Kommu­nikation, seiner
Tätigkeit zur Fortpflanzung und seiner Intelligenz zur
Höherent­wicklung. Er reduziert sich selber auf ein
gebrauchsfertiges Medium, innerhalb dessen die neue Spezies ihren
"struggle for existence" austrägt:

They (die Maschinen, G.B.) have preyed upon man's
grovelling preference for his material over his spiritual
interests, and have betrayed him into supplying that element of
struggle and warfare without which no race can advance. (...) The
machines being of themselves unable to struggle, have got man to do
their struggling for them: as long as he fulfills his function
duly, all goes well with him – at least he thinks so; but the
moment he fails to do his best for the advancement of machinery by
encouraging the good and destroying the bad, he is left behind in
the race of com­petition; and this means that he will be made
uncomfortable in a variety of ways, and perhaps die. (S.
184-185)

Solche Auszüge belegen eindrucksvoll den
prognostischen Gehalt des Textes. Sie werfen ein grelles Licht auf
das evolutionsutopische Ausmaß unserer Gegenwart. Es
fällt heute schwer, die Eigendynamik der Computerwelt zu
bestreiten. Die Entwicklung und Fortpflanzungsrate immer neuer und
neuerer "Generationen" scheint nicht mehr kontrollierbar zu sein.
Der immer härtere Kampf um den neuesten Mikrochip ist ebenso
Tatsache wie die Genmanipulation, die den Menschen der "Brave New
World" schon binnen kurzem anpassen könnte. Was bei Butler im
Jahre 1872 noch als kühnes Planspiel der Fantasie erscheint,
ist heute weitgehend bedrücken­de Wirklichkeit.

Aus kulturkritischer Sicht erwähnenswert ist
die Radikalkur, die der Text vorschlägt. Der fiktive Autor des
"Book of the Machines" propagiert die Zerstörung der Maschinen
als ultima ratio. Und er gibt zu bedenken:

And though man should remain, in some respects, the
higher creature, is not this in accordance with the practice of
nature, which allows superiority in some things to animals which
have, on the whole, been long surpassed? Has she not allowed the
ant and bee to retain superiority over man in the organization of
their communities and social arrangements, the bird in traversing
the air, the fish in swimming, the horse in strength and fleetness,
and the dog in self-sacrifice? (S. 187-188)

Dieses Rettungsmittel muß heute fehlschlagen.
Die Evolution der Maschinen ist bereits zu weit fortgeschritten.
Eine vollständige Zerstörung würde unsere
Überlebensfähigkeit nicht nur ökonomisch in Frage
stellen. Sie ließe sich nicht einmal organisieren. Denn
Zugriff auf Infor­mations- und Militärmaschinen ist
gleichbedeutend mit Macht. Selbst wenn sich das mensch­liche
Geschlecht zu einem kollektiven Machtverzicht durchringen
könnte – das bloße Wissen um diese Techniken
stellt eine immerwährende Verführung dar. Bleibt nur zu
hoffen, daß die Maschinen intelligent genug sind, die
Existenz ihrer Sklaven zu sichern.

Anmerkungen

(1) Helferich, Chr. (1992), 293.
(2) Im theoretisch sehr findigen Deutschland war freilich
längst schon der Begriff der Maschine auf das Staatswesen
übertragen worden. So etwa in Herders Geschichtsphilosophie,
in Schillers ästhetischen Reflexionen und, besonders
eindringlich, im "Ältesten Systemprogramm des deutschen
Idealismus" (1796). Carlyle jedoch blieb es vorbehalten, den
Meschinenbegriff als Epochenbegriff einzuführen.
(3) Carlyle, Th. (1896-1899), vol. xvii, 59. Der Einfachheit halber
werden Zitate aus "Signs of the Times" nach dieser Ausgabe direkt
im Text mit der entsprechenden Seitenzahl belegt.
(4) Jeremy Benthams "Introduction to Principles of Morals and
Legislation" erschien 1780. Als Begründer der Soziologie im
engeren und systematischeren Sinn gilt Auguste Comte mit seinem
"Cours de Philosophie Positive" (1830-1842).
(5) Eine erhellende Zusammenfassung findet sich bei John Dewey,
"The Influence of Darwin on Philosophy", Dewey (1910).
(6) Vgl. Carlyles berühmte Essay-Sammlung: "On Heroes,
Hero-Worship and The Heroic in History (1841), Carlyle (1896-99),
vol. v.
(7) Huxley (1893-94), i, 7. Zitate, die sich auf diese Ausgabe
beziehen, werden künftig dierekt im Text mit Band- und
Seitenzahl angegeben.
(8) vgl. Sussman (1968), 135: "The comparison of man to a machine
was no longer a literary figure, but a scientific hypothesis; when
Huxley writes on animals as automata, he verifies his hypothesis
with experimental data."
(9) Vorläufer in der Entwicklung des Dreistadiengesetzes sind
Saint-Simon ("Lettres d'un habitant de Genève à ses
contemporains" (1803)) und Turgot ("Discours sur l'histoire
universelle" (1817)). Comte präsentierte den Gedankengang
erstmals in "Prospectus des travaux scientifiques
nécessaires pour réorganiser la société
(1822).
Zu Condorcet vgl.: "Esquisse d'un tableau historique des
progrès de l'esprit humain" (1794).
(10) Vgl. D. Roos (1977), 316-324.
(11) Vgl. G. Levine (1988), 24.: "Religion and science alike were
concerned to describe a cosmos all of whose phenomena made sense,
manifested intelligence and design." – Als kanonischer Text
für die Natural Theology gilt William Paleys "Natural
Theology: or evidences of the Existence and Attributes of the
Deity" (1802).
(12) Charles Lyell mit "Principles of Geology" (1830) und William
Whewell mit "History of the Inductive Sciences, from the earliest
to the present times" (1837).
(13) Die Kontrahenten trafen im September 1860 während einer
Sitzung der British Association in Oxford aufeinander. Vgl. Leonard
Huxley (1900), ch. xiv.
(14) Vgl. Paradis/Postlewait (1981), 217-246.
(15) Vgl. D. Roos, "The 'Aims and Intentions' of Nature", in:
Paradis/Postlewait (1981), 161f.
(16) Coleman, W. (1977), 162 u. 143f.
(17) Vgl. "Evolution and Ethics" (1893), Band ix der hier zitierten
Ausgabe. Zu dem von Haeckel geprägten Begriff "Dysteleologie"
vgl. Levine, G. (1988), 86.
(18) Vgl. Kuhn, Thomas S. (1967), 183.
(19) Vgl. die analoge Behandlung jenes anderen Beispiels für
teleologische Argumentation, das Auge, in John Stuart Mills
Abhandlung "Three Essays on Religion", posthum in London 1874
erschienen, "Theism", Part One.
(20) Samuel Butler (1835-1902) hat sich anfänglich in einer
Reihe von Essays, in seiner mittleren und späten
Schaffensperiode mit umfangreichen Büchern intensiv der
Evolutionstheorie gewidmet: "Darwin among the Machines (1863),
"Lucubratio Ebria" (1865), "The mechanical Creation" (1865); und
schließlich: "Life and Habit" (1877), "Evolution, Old and
New" (1879), "Unconscious Memory" (1880), "Luck or Cunning?"
(1887). Als zusammenfassende Einführung in diesen Problemkreis
empfiehlt sich Butlers Aufsatz "The Deadlock in Darwinism"
(1890).
Der vielseitige Schriftsteller ist auch heute noch einem breiten
Publikum durch die Romane "Erewhon or over the Range" (1872),
"Erewhon Revisited" (1901) und "The Way of all Flesh" (1872-84
entstanden, publ. 1903) bekannt.
(21) Butler, S. (1925), Vol. i, 175. Diese Ausgabe von "Erewhon"
wird fortan unter Angabe der Seitenzahl direkt im Text
zitiert.
(22) Vgl Sussman, H. (1968), 156.: "... the 'Book of the Machines'
can be read in two ways, as an engaging account of the
twentieth-century fears of the machine as thinker and, in its
historical context, as a spoof of philosophical mechanism."

Liste zitierter Literatur

  • Butler, Samuel: The Shrewsberry Edition of the
    Works of Samuel Butler, London 1925.
  • Carlyle, Thomas: Works, London 1896-1899.
  • Coleman, William: Biology in the Nineteenth Century, Cambridge
    1977.
  • Dewey, John: The Influence of Darwin on Philosophy and other
    Essays, New York 1910.
  • Helferich, Christoph: Geschichte der Philosophie, Stuttgart
    1992.
  • Huxley, Leonard (Ed.): Life and Letters of Thomas Henry Huxley,
    London 1900.
  • Huxley, Thomas Henry: Collected Essays, London 1893-1894.
  • Kuhn, Thomas S.: Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen,
    Frankfurt a.M. 1967.
  • Levine, George: Darwin and the Novelists. Patterns of Science in
    Victorian Fiction, Cambridge (Mass.) 1988.
  • Paradis, James/Postlewait, Thomas (Eds.): Victorian Science and
    Victorian Values: Literary Perspectives, New York 1981.
  • Roos, D.: "Matthew Arnold and Thomas Henry Huxley: Two Speeches at
    the Royal Academy, 1881 and 1883", in: Modern Philology, 74 (1977),
    316-324.
  • Sussman, Herbert: Victorians and the Machine. The Literary
    Response to Technology, Cambridge (Mass.) 1968.
    ©Günter Bachmann www.textuniversum.de

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