ANMERKUNGEN 2006

Typologie des Wirtschaftsverbrechers

Neuerdings liegt eine hochinteressante Studie von Price Waterhouse Coopers in Zusammenarbeit mit der Martin-Luther-Universität (Halle/Wittenberg) vor. Es geht um die Typologie des Wirtschaftsverbrechers.

Wirtschaftsverbrecher? Der Titel wurde nicht aus Emanzipationsfeindlichkeit gewählt. Denn was glauben Sie: Wie hoch ist der prozentuale Anteil der Frauen an Wirtschaftskriminalität? Gerade mal schlappe 10 Prozent. Mit Frauen lässt sich geschäftlich weit weniger mauscheln als mit Männern. Das erklärt den Wettbewerbsnachteil in Wirtschaft und Politik: zu wenig kriminelle Energie. Der Männerclub ist nicht selten auch ein Mafiaclub.

Wirtschaftsverbrecher sind in der Regel zwischen 31 und 50 Jahre alt. Verständlich. Zuerst muss man ja mal wissen, wie und wo der Hase läuft. Trau also keinem über 30. Und wer es mit 50 nicht geschafft hat, genügend Geld zusammenzuschwindeln, ist einfach talentlos. Oder geistlos: Bei derart großer, dazu noch steuerfreier Rendite hängt man Ende 40 die Nudel endgültig in den Sandstrand.

61 Prozent der Wirtschaftskriminellen haben Abitur und Studium. Das nimmt nicht wunder: Diese Leute betreiben schließlich die intelligenteste Form des Verbrechens. Höchste Gewinnspannen, geringstes Risiko. Und bei einem Patzer lächerliche Strafen. Die Kumpels aus der Politik sorgen schon dafür, dass nicht einmal genügend Personal eingestellt wird, um Korruption zu bekämpfen. Und sie knüpfen ein Netz aus gesetzlichen Bestimmungen, damit sich die Schlupflöcher unendlich vermehren. Wozu überhaupt noch Korruption, wenn das System bereits selbst korrupt ist? Ein kleiner Handwerkbetrieb ächzt unter Steuerlast und DaimlerChrysler zahlt jahrelang keinen Cent an den Staat. Unser absurdes Steuer-System bietet so viele Abschreibungsmöglichkeiten, dass man Steuern nun wirklich nicht hinterziehen muss. Du brauchst sie erst gar nicht zu bezahlen. Wenn du reich bist.

Und haben Sie gewusst, dass Deutschland sogar dafür bezahlt, dass die eigenen Arbeitsplätze in Billiglohnländer exportiert werden? Die Investitionskosten für Produktionsverlagerungen ins Ausland können die Firmen abschreiben – und wir die Arbeitsplätze.

Woran das alles wohl liegt? Und warum sich keiner empört? Ganz einfach: Die Lobbys und die von ihnen geschmierten Politiker lassen keine Veränderungen zu. Oder haben Sie eine bessere Erklärung dafür, warum derartige Gesetze immer noch existieren? Und warum wir keine wirkliche Steuerreform hinkriegen?

Günter Bachmann, November 2006
(Quelle: Stuttgarter Zeitung, 3.11. 2006)

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DAS MANNESMANN-VERFAHREN

Wie zur Bestätigung für das oben Gesagte wurde am 29. November das „Mannesmann-Verfahren“ gegen Ackermann, Esser und Konsorten eingestellt.
Wegen „Geringfügigkeit“ – es ging ja auch nur um Untreue-Verdacht im Zusammenhang mit 57 Millionen Euro Prämien und Pensionszahlungen bei der Übernahme von Mannesmann durch Vodafone. Eine läppische Summe von insgesamt mehr als 60 Millionen.
Zudem bestehe kein öffentliches Interesse, der Fall liege schon 6 Jahre zurück und in einem überschaubaren Zeitraum ließe er sich ohnehin nicht lösen. – Wenn Justitia also ihre Arbeit nicht erledigt oder keine Lust hat, Sachverhalte zu klären, dann genügt das für Freispruch mit Geldauflage.
Das Düsseldorfer Landgericht zeigt auch echte Fürsorge: Die Angeklagten seien durch das Verfahren und den Medienrummel hohen Belastungen ausgesetzt. Fragt sich nur, wie das mit dem fehlenden Öffentlichkeitsinteresse zusammenpasst. Die Öffentlichkeit definiert ihr Interesse offensichtlich anders als die Juristen.
Das Paragräphlein 153a der Strafprozessordnung hat es möglich gemacht. Die Geldauflage bemisst sich nach der Einkommenshöhe. 3,2 Millionen zahlt Ackermann, 1,5 Millionen Esser. Das sind wirklich Peanuts, weniger als ein Zehntel der Geldsumme von 60 Millionen, die mit dem Verdacht auf Veruntreuung belastet ist. – Durch den Freispruch ist dieses Geld jetzt übrigens legalisiert. Die Nutznießer wird es freuen.
Also alles in Butter: Ackermann und Esser können ihre „Geldauflagen“ verkraften. Es wird ihren Lebensstil in keiner Weise beeinträchtigen. Eine Auflage ohne spürbares Gewicht – ist keine Auflage, sondern bestenfalls eine Formalität. Wenn Ackermann zwölf bis dreizehn Millionen jährlich „verdient“ – dann müsste eine Auflage, die wirklich drückt und überhaupt bemerkt wird, um das Zehnfache höher liegen.
Dieses Urteil ist eine Einladung zur Wirtschaftskriminalität. Es gäbe nur ein wirksames Mittel, diesem Übel Einhalt zu gebieten: Prinzipiell Gefängnisstrafe. Aussetzung aller Geldstrafen. Denn im Knast würden diese Kreise erst einmal merken, dass überhaupt eine Strafe erfolgt ist. Statt 3,2 Millionen 3 Jahre und 2 Monate schwedische Gardinen. In einer mit Strauchdieben belegten Zelle. Da gehören die Ackermannesmänner hin.

Günter Bachmann, November 2006
(Quellen: Spiegel-online und Manager-Magazin, 29.11. 2006)