Rezension zu René Zeyer, „Bank, Banker, Bankrott. Storys aus der Welt der Abzocker“ (2009)

Geld regiert die Welt, keine Binsenwahrheit ist weiter verbreitet als diese. Doch wie das im Einzelnen zugeht, wissen die wenigsten. Die Steuerzahler dieser Erde leben in dem dumpfen Bewusstsein, dass sie der Goldesel im „Tischlein deck dich“ sind – doch der Tisch ist immer nur für wenige Reiche gedeckt.

„Bank, Banker, Bankrott. Storys aus der Welt der Abzocker“ von René Zeyer bringt Licht in das Dunkel. Das Nachwort des Wirtschaftsjournalisten sollte als Pflichtlektüre in jedes Schulbuch aufgenommen werden. Denn hier erfahren wir einige verblüffend einfache und grundlegende Zusammenhänge, warum das Spiel der Abzocker überhaupt funktioniert.

Die Grundvoraussetzung ist ein Glaubenssatz, den neoliberale Apostel als ein Evangelium gepredigt haben: Das Geld muss möglichst billig sein, damit es üppig auf dem Markt kursiert, Investitionen anreizt und damit Wachstum und Wohlstand durch die unsichtbare Hand des Marktes hervorbringt.

Die Realität ist aber eine ganz andere. Billiges Geld ist ein Erpressungsmanöver, das jeden Kleinanleger dazu zwingt, seinen Spargroschen ins Spielkasino des internationalen Finanzkapitalismus zu tragen. Der Mechanismus funktioniert ganz einfach: Sollten Sie irgendwelche Geldwerte besitzen, können Sie das nicht faul auf Ihrem Konto herumgammeln lassen: Mit den niedrigen Zinsen gleichen Sie kaum die Inflationsrate aus. Und selbstverständlich schlägt das Finanzamt zu, bei Ihrem Kapital und dann gleich nochmals bei den ohnehin schlappen Zinsen. Fazit: ein Minus. Entweder Sie steigen in ein spekulatives Finanzprodukt Ihrer Bank ein oder der Wert Ihrer Ersparnisse wird unaufhaltsam verfallen. René Zeyer:

„Es soll hier keinesfalls hohen Zinsen das Wort geredet werden, aber es wird mit aller Klarheit verlangt, dass die jahrtausendealte Regel wieder einmal angewandt wird, nämlich dass der Gläubiger ein anständiges Entgelt bekommt für seine Investition und dass der Schuldner ein anständiges Entgelt bezahlt." (S. 190)

Das sagen Sie mal Ihrer Bank, die Sie nur mit einem Minus abspeist, wenn Sie Ihr sauer verdientes Geld zur Verfügung stellen wollen. Sie müssen im Casino mitspielen oder verlieren.

Billiges Geld koppelt dann zwangsläufig die reale Wirtschaft vom Spielbetrieb ab. Denn Geld zum Schleuderpreis provoziert immer mehr Kredite, die am Ende von immer noch mehr Krediten gedeckt werden. Gelegentlich wird die Bank gesprengt, das nennt man dann Wirtschaftskrise. Doch die Casinobetreiber haben längst schon abkassiert: In Form von Provisionen, Gebühren, Bonus-Zahlungen etc. -

„Der große Schaden besteht in der gigantischen Vermögensverschiebung: von den Sparern zu den Managern der Finanzinstitute. Der Witz dabei: Die Gangster haben das Ganze völlig risikolos und ohne Angst vor Strafe durchgezogen, und die ganze Welt schaute zu und feierte die Stars einer neuen Ökonomie.“ (S. 189)

Alan Greenspan, der ehemalige Chef der amerikanischen Notenbank, aber auch die Europäische Zentralbank waren nach Zeyer die Helfershelfer des größten Bankraubs der Geschichte – durch niedrigsten Leitzins, der dafür sorgte, dass die Finanzjongleure immer mehr Spielmarken in Umlauf setzen und von diesen Luftbuchungen ihren Anteil als reales Geld herausziehen konnten:

„Denn man muss sich immer vor Augen halten: Geld verschwindet nicht, wird auch nicht vernichtet (außer durch eine galoppierende Inflation), sondern umverteilt. Hat einer weniger, hat ein anderer mehr; so einfach ist das mit dem Geld. (…)
Die Bestohlenen dürfen nun die vor ihrer Nase (…) abgeräumten Milliarden ersetzen und nebenher auch noch die Kollateralschäden bezahlen. Während fast alle Gauner, abgesehen von den Dummköpfen, die zu gierig waren und juristisch verwertbare Spuren hinterließen, auf ihren Yachten durch die Meere schippern, von den Terrassen ihrer Penthäuser den Sonnenuntergang genießen oder im Privatjet zu den exklusivsten Golfplätzen und Luxusresorts der Welt düsen. Davon kann jeder Bankräuber nur träumen. Aber er hat halt seinen Beruf verfehlt: Besser wäre er Banker geworden.“ (S. 185 u. 191)

In „Bank, Banker, Bankrott“ geht es aber nicht nur um ökonomisch wichtige Zusammenhänge. Der Faktor Mensch steht im Vordergrund. Denn die entfesselte Gier ist der Treibstoff, der den globalen Casino-Kapitalismus am Laufen hält. Um sich nicht in juristische Auseinandersetzungen mit finanzkräftigen Gegnern zu verstricken, hat Zeyer seine Insider-Kenntnisse in fiktive Geschichten verpackt. Seine Personenporträts liefern die Psychologie gehobener Banker, die vor allem eine Psychopathologie ist. Ja - wir haben es mit asozialen Psychopathen zu tun, mit zynischen Luxus-Fetischisten und Egozentrikern. Nur so kämpft man sich mit einer großen Schöpfkelle an den hart umkämpften Bonus-Fleischtopf heran. Das System ist so konstruiert, dass es genau diesen Typus von Mensch erforderlich macht.

Liest man Zeyers Geschichten, sollte man nicht depressiv veranlagt sein: Machen Sie sich auf labyrinthische Irrgänge durch das seelische Dämmerlicht von Egomanen gefasst. Sie werden sich vom Innenleben dieser Figuren so erschlagen fühlen wie nach einer Überdosis Kafka oder Dostojewski. Allerdings wird bei den Dichtern um die Rätselhaftigkeit der Existenz gerungen. Bei Zeyer dagegen ist die Banalität und Brutalität des Bösen so klar ersichtlich, dass man gerade über die Nichträtselhaftigkeit dieser Existenzen in ausweglose Verzweiflung geraten könnte.

Sicher hat Zeyer seine Darstellung etwas übertrieben. Er ist immerhin Journalist. Und die müssen das Abweichende vielleicht besonders groß aufbauschen. Erstens damit es sichtbar wird und zweitens, um Aufmerksamkeit zu erregen. Klappern gehört zum Handwerk.

Gibt es also nicht auch seriöse Banker, die eine nachhaltige Firmenpolitik verfolgen und sich ihrer Verantwortung durchaus bewusst sind? Es fällt wirklich schwer, das zu glauben. Denn das System belohnt und fördert nur die Egomanen. Ehrlichkeit wäre nicht konkurrenzfähig. Und die periodisch wiederkehrenden Wirtschaftskrisen beweisen, dass die Gier bei genügend aufgeblasenem Spekulationsvolumen hemmungslos absahnt. Fast hat es den Anschein, als müssten wir jedes Menschenalter unsere Ersparnisse für die Pensionskassen von Raubrittern hingeben.

Wenn Zeyers Buch auch nur annähernd die Wahrheit sagt, dann bin ich froh, dass ich beruflich mit Managern und Ingenieuren zu tun habe, die aus der Realwirtschaft stammen. Und wenigstens kann ich bestätigen, dass es dort viele verantwortungsbewusste und gesellschaftlich engagierte Akteure gibt. Auch ist mir bewusst, dass Ökonomie eine hochinteressante Sozialwissenschaft sein kann. Jahrelang habe ich mich mit modernen Management-Ansätzen beschäftigt und vor vier Jahren in meinem Buch „Literatur und Management“ eine Summe gezogen. Doch gerade weil ich an die vielen guten Manager und Mitarbeiter denke, die mit realen Produkten und Dienstleistungen auf dem Markt bestehen müssen, finde ich Zeyers Buch so wichtig: Wir lassen es zu, dass reale Arbeit von einer Kaste ausgeplündert wird, deren kriminelle Energie in ganz legalen Bahnen verläuft.

Zeyer gibt sich keinen Illusionen hin: Auch in Zukunft gibt es freie Bahn für diese Art Banker. Das Casino ist schon wieder geöffnet. Wie sollte sich auch etwas ändern, ohne erhebliche Einschnitte in das Bonus-System, ohne höhere Leitzinsen, ohne demokratische Kontrolle des Bankwesens? Immer noch versichern neoliberale Geister, der Staat sei nicht der bessere Banker. Obwohl die Krise eben erst gezeigt hat, dass der schlechteste aller Banker der Banker ist. Nicht etwa deshalb, weil er inkompetent wäre – und das ist er laut Zeyer übrigens weit mehr, als bekannt ist – und auch nicht deshalb, weil er ganz besonders gierig wäre. Der Banker ist deshalb der schlechteste Banker, weil das System ein Lockstoff für die menschliche Gier ist. Weil dieser menschliche Urinstinkt nicht zu stoppen ist, wenn er zu großen Spielraum erhält. Wer nur die überzogene menschliche Gier beklagt, der will die Ursache nicht sehen: Dass man es nämlich zulässt, Brutstätten der Gier legal gewähren zu lassen.

Am Ende hat Volkes Stimme manchmal eben doch Recht: In Bankern wittern die Leute seit jeher Betrug und List, und den meisten ist klar, dass der Schwindel legal und somit zu ertragen ist wie schlechtes Wetter. Ein vergleichbares Image haben nur noch Immobilienmakler, Versicherungsvertreter und Rechtsanwälte.

Das Misstrauen ist berechtigt. Das Geld, mit dem die Banker spielen, ist nicht ihres. Die Arbeit, die real hinter dem Geld steht, hat nie ihre Hände beschmutzt. Und wenn das Geld verloren geht, haftet die Allgemeinheit, also alle, die so dumm sind, ihr Geld durch kontrollierbare Leistung zu verdienen und dafür auch noch Steuern zu bezahlen.

Mehr Transparenz im Bankensektor ist das demokratische Gebot der Stunde. Auch wäre es wünschenswert, wenn der Autor René Zeyer sein Sachwissen noch populärer machen würde. Vielleicht durch einen größeren Essay in einfacher Sprache. Mit wirtschaftlicher Aufklärung über die Ursachen der Krise. Wenn das einer könnte, dann er. „Bank, Banker, Bankrott“ lesen wie immer wohl nur die, die ohnehin schon das meiste geahnt haben.
Geahnt, nicht gewusst.