Günter Bachmann
DEUTSCH LERNEN MIT KULTUR
Ein praktisches Handbuch von A2 bis C1
ISBN: 978-3-750278-77-6

Vorwort

Dieses Buch will Sie dazu motivieren, Deutsch im Kontext mit der deutschen Kultur zu üben. Das Ziel ist die Freude am Lernen und die Entdeckung der deutschen Mentalität. Zu diesem Zweck erleben Sie die Sprache der deutschen Dichtung und Philosophie – das Beste, was die deutsche Sprache leisten kann.

Aber Deutsch lernen und Freude oder Spaß haben - wie passt das zusammen? Die ersten Schritte in dieser Sprache sind eine Katastrophe: Wann kommt „der, die, das“? Ein Mysterium! Auch die trennbaren Verben sind absurd. Die Deklination der Artikel, Nomen, Pronomen und Adjektive ist ein magisches Labyrinth ohne Ausgang. Dazu kommen die Vokabeln mit ihren verwirrenden Präfixen und ein komplizierter Satzbau mit verrückten Verbpositionen. Alle Deutschlernenden machen diese Erfahrung: Deutsch und Spaß ist wie Feuer und Wasser.

Nur Freude am Lernen zu haben, ist sowieso unmöglich. Ganz ohne Fleiß geht es nicht. Aber ganz ohne Spaß geht es auch nicht. Ohne die Motivation, etwas Neues zu entdecken, lernt man schlecht oder gar nicht. Deshalb wollte ich alle Hindernisse, die zwischen dem Spaß und dem Deutschlernen stehen, so weit wie möglich reduzieren. Das ist der Grundgedanke dieses Buches. Und die Umsetzung dieser Idee hatte enorme Konsequenzen: Ich konnte nicht einfach ein traditionelles Lehrbuch schreiben, wenn die „Freude am Lernen“ wirklich die Priorität ist.

Die meisten Lehrbücher haben ein exakt definiertes Ziel: Level B1 oder B2 oder A2 (nach GER/CEFR) etc. Wer eine gute Vorbereitung auf eine Qualifikation oder ein Zertifikat braucht, findet viele exzellente und interessante Lehrbücher. Aber der Spaßfaktor ist durch die rigide Didaktik begrenzt. Die Grammatik, die Vokabeln und auch die Inhalte haben genau den Schwierigkeitsgrad, der den Anforderungen entspricht. Nicht mehr und nicht weniger. Im Grunde lernt man in all diesen Büchern das Gleiche. Und das ist auch gut so: Wenn wir Tests und Prüfungen machen, wollen wir keine Überraschungen erleben! Ich plante aber ein Lehrbuch, das genau das Gegenteil wollte: neue kulturelle Gedanken und permanente Herausforderungen durch Grammatik, Grammatikübungen und Vokabeltraining. Der Lernprozess selbst sollte im Mittelpunkt stehen und Spaß machen. Nicht die Fixierung auf ein definiertes Resultat.

Deshalb habe ich die Eingangstür zu diesem Buch weit geöffnet: Es setzt nur Grundkenntnisse und ein Minimum an Vokabeln in der deutschen Sprache voraus (gutes A1-Level). Von A2 bis C1 sind alle Deutschlernenden willkommen. Der Schwierigkeitsgrad der Grammatik steigt kontinuierlich an: Wer noch kein B-Level hat, sollte wirklich mit dem Anfang des Buches anfangen und langsam weitergehen. Die ersten Schritte im Deutschen sind so kompliziert, dass man am Anfang auch das A1-Level wiederholen kann. Wer fortgeschritten ist, kann sich schon weit in die Mitte des Buches bewegen. Das letzte Drittel ist attraktiv für das B2-Level. Aber bitte kein Dogmatismus! Trotz eines B2- oder C1-Rankings soll man die Basics nie vergessen. Wiederhoung ist das Herz des Sprachenlernens. Und trotz eines A2-Levels kann man mutig sein und Nebensätze auf B-Level üben. Ich empfehle sogar ausdrücklich eine selektive Nutzung: Suchen Sie sich ein Grammatik-Kapitel heraus, testen Sie, was Sie können und was Sie noch nicht können. Manchmal macht es mehr Spaß, an die Grenzen seines Wissens zu kommen. Manchmal möchten wir lieber nur üben und verbessern, was wir schon gelernt haben.

Es wäre sehr einfach, den Deutschlernenden nur zu sagen: „Ihr müsst mutig sein!“ Deshalb habe ich die Grammatik so kurz und verständlich wie möglich präsentiert. Inklusive Lerntipps. Dann folgt sofort die Anwendung durch Übungen. Jede Grammatikseite endet mit einer Liste wichtiger deutscher Vokabeln, die dort benutzt werden. Ich habe sie ins Englische übersetzt. Vokabeln lernt man am besten in einem Kontext. Und es macht keinen Spaß, etwas zu lesen, wenn wir permanent im Wörterbuch oder Smartphone nachsehen müssen, um den Text zu verstehen. Bei der Auswahl der Vokabeln, bei der Grammatik und den Übungen habe ich mich auf 25 Jahre Erfahrung als Deutschlehrer verlassen. Theorien interessieren hier wenig. Gut ist, was in der Praxis funktioniert.

Trotzdem haben wir immer noch ein sehr didaktisches Buch. Das ist okay, wir wollen ja etwas lernen. Aber wo sind die Überraschungen und Herausforderungen? Obwohl ich ein Deutscher bin, hatte ich immer Zweifel an zu viel „Ordnung“. Zu viel Ordnung ist ein Spaßkiller. Und der Spaß war ja das Ziel. Deshalb musste ich für Unordnung sorgen: Nach jeder Grammatik- oder Übungsseite kommt nicht sofort die nächste Grammatik- oder Übungsseite. Es folgt immer eine autonome Kulturseite, die das Grammatik-Lernen radikal unterbricht. Mit Gedichten und Gedanken aus der deutschen Literatur und Philosophie. Mit Vokabeln und historischen Kommentaren. Zur Hälfte ist dieses Buch ein komfortables Lesebuch. - Natürlich habe ich mich im weitesten Sinn auf die Klassiker unserer Sprache gestützt: Auf Goethe und Schiller, auf Heine, Lessing, Eichendorff, Fontane etc. Die Blütezeit der deutschen Nationalliteratur liegt im 18. und 19. Jahrhundert. Zur selben Zeit entstand auch die berühmte deutsche Philosophie: Kant, Schopenhauer, Nietzsche, Hegel, Marx etc. Diese Literatur prägt die deutsche Sprache und Mentalität bis heute. Keine Angst: Sie finden auch modernere Dokumente in diesem Buch (Thomas Mann, Bertolt Brecht, Ricarda Huch, Hermann Hesse, Erich Kästner etc.) und nicht immer nur „Hochkultur“: Ohne Bier, Fußball oder Autos kann man nicht über deutsche Kultur reden.

Sie können die Kulturseiten natürlich überspringen und die Grammatik-Kapitel systematisch lernen und Übungen machen. Trotzdem haben Sie nach jeder Grammatik-Seite die Chance, sich mit deutscher Kultur zu beschäftigen. Oder umgekehrt: Sie ignorieren die Grammatik-Kapitel und lesen die Kulturseiten. Diese präsentieren große Persönlichkeiten mit einer Einführung und einigen Text-Beispielen. Sie haben einen Kontext, aber nur sehr locker. Man kann überall einsteigen und anfangen zu lesen. Es gibt bei den Kulturseiten auch keinen ansteigenden Schwierigkeitsgrad, kein didaktisches Limit, keine Rücksicht auf das Sprachlevel. Vom Anfang bis zum Ende sind sie eine permanente Herausforderung. Nicht nur sprachlich, sondern auch inhaltlich. Sie müssen schwierig sein! Sie sollen den Ehrgeiz wecken, tiefer in die deutsche Sprache einzutauchen. Sie sollen zur Entdeckung einer neuen kulturellen Perspektive beitragen. Das kostet Anstrengung. Und ja, es stimmt: Ich traue Ihnen sehr viel zu. Ich kann Ihnen zwar nicht versprechen, dass Sie alle Kulturseiten schnell und leicht verstehen. Aber wenn Sie auch den Grammatik-Teil nutzen und viel üben, dann bin ich sicher, dass Sie immer mehr und immer besser verstehen, was auf den Kulturseiten steht. Viele Kulturseiten sind sprachlich sogar relativ einfach. Klarheit
ist ein wichtiges Element der Poesie und Philosophie. Vielleicht werden Sie überrascht sein, wie viel Sie von Goethe und Schiller schon jetzt verstehen.

Die Idee, möglichst viel Freude am Lernen zu entwickeln, resultiert in einem praktischen Handbuch. Ein Handbuch (Manual) präsentiert ein Wissensgebiet und gibt Orientierung für seinen praktischen Gebrauch. Dabei kommt es auf die wesentlichen Prinzipien und die wichtigen Regeln an. Mehr als eine solide Einführung kann ein Handbuch nicht erreichen. Auch in der Grammatik wollte ich keine Vollständigkeit bis ins letzte Detail. Ich habe mich auf die Kapitel und Übungen konzentriert, die meine Kursteilnehmerinnen und Teilnehmer am meisten verlangt haben. Vollständigkeit bis ins letzte Detail ist zwar sehr „deutsch“, aber verdirbt den Spaß. In unserem Fall ist das Ziel erreicht, wenn Sie für die deutsche Sprache und Kultur viele neue Kenntnisse und praktisches Wissen gewinnen. Wenn Sie neugierig werden und kulturelle Perspektiven reflektieren. Wenn Sie die Schönheit und den Gedankenreichtum dieser Sprache genießen können. Das Buch will am liebsten ein Freund und Begleiter Ihrer Deutschstudien sein. Freunde trifft man oft. Und jedes Treffen bringt Neuigkeiten oder Erinnerungen. Blättern Sie oft in diesen Seiten: Auch ein kurzer Besuch wird mit Vokabeln, Grammatik, einer Übung oder einem kleinen Text belohnt.

Viel Vergnügen, Freude und Spaß beim Lernen!

Dr. phil. Günter Bachmann
Stuttgart, im Februar 2020