Mehr zum Thema "Emotionale Intelligenz" finden Sie in:

Günter Bachmann
Literatur und Management
Kulturelle Dimensionen der Emotionalen Intelligenz
Artislife Press Hamburg 2005. ISBN 3-938378-05-0

Bestellungen sind unter Artislife Press Hamburg möglich. Natürlich ist der Titel auch über den Buchhandel oder Amazon erhältlich.

Emotionale Intelligenz bei Teams

Die Autoren Vanessa Urch Druskat und Steven B. Wolff haben die konkrete Anwendbarkeit der Emotionalen Intelligenz um einen wichtigen Aspekt erweitert: Sie stellten die berechtigte Frage, ob nicht auch Teams von dieser neu entdeckten Kompetenz profitieren können. In der Geschäftswelt hatte sich Emotionale Intelligenz vor allem als individuelle Qualität etabliert. Die Motivation jedes einzelnen Mitarbeiters sollte gesteigert, das Arbeitsklima und damit auch die Effizienz verbessert werden. Druskat und Wolff dagegen formulierten 2001 den grundlegenden Gedanken, dass die Prinzipien der Selbstwahrnehmung und Empathie auch auf soziale Gruppen übertragbar sind. Eine nahe liegende und eben deshalb revolutionäre Idee. Teams sind die neuen grundlegenden Arbeitseinheiten im Informationszeitalter. Unter dem Druck der digitalen Echtzeitkommunikation und der fortschreitenden Vernetzung aller Geschäftsabläufe gibt es zur funktionsübergreifenden Zusammenarbeit keine Alternative. Deshalb haben Druskat und Wolff mit ihrem Aufsatz einen markanten Einschnitt in der Geschichte der Emotionalen Intelligenz hinterlassen.
Wer wissen will, was Teams zu großen Erfolgen führt, dem hilft kein systemloses Herumstochern in allzu gängigen Erfahrungswerten: Kooperation, Engagement und Beteiligung zeigen alle leistungsstarken Teams. Doch diese Eigenschaften sagen uns nur, was ein gutes Team ist. Nicht aber, wie es zustande kommt. Die entscheidenden Fragen bleiben offen: Lässt sich effiziente Gruppenarbeit bewusst erlernen und verbessern? Welche konkreten Maßnahmen gibt es? Und wenn es richtig ist, dass der Erfolg eines Teams von seiner Emotionalen Intelligenz abhängt, was ist dann die Basis für diese Art der Gruppenintelligenz? - Natürlich Emotionen, so antworten Druskat/Wolff, indem sie sich auf eigene Forschungen berufen. Es sind drei starke Gefühlsmomente, in denen der echte Teamspirit fest verwurzelt ist: Vertrauen zwischen den einzelnen Teammitgliedern, ein ausgeprägtes Gefühl für die Gruppenidentität und schließlich der Glaube an den Erfolg des eigenen Teams - der schiere Optimismus. Aus diesem emotionalen Stoff werden Dreamteams gewebt. Und es kommt alles darauf an, diese Emotionen intelligent in die Kommunikationspraxis und die Firmenkultur zu integrieren.
Das ist schwierig. Teams agieren auf mehr Kommunikationsebenen als der Einzelne. Da gibt es das Verhältnis des Mitglieds zum Team. Dann stellt sich die Aufgabe, die Gruppenidentität zu reflektieren und als Kollektiv aufzutreten. Hinzu kommt das oft vernachlässigte Problem, dass Teams mit anderen Teams, mit Außenstehenden, mit der Firma als Ganzes, im Optimalfall auch mit Kunden und Zulieferern kommunizieren sollten. Wenn man das Team als Ausgangspunkt der Betrachtung wählt, dann gelangt man also zwangsläufig zu einer eigenständigen Art von Emotionaler Intelligenz. Doch lässt sich in Analogie zum bisherigen Konzept auch auf Teamebene emotional intelligent arbeiten. In den vertrauensbildenden Beziehungen der Mitglieder bleibt die Tugend der Selbstwahrnehmung und Selbstkontrolle, aber auch der einfühlenden Fremdwahrnehmung ohnehin entscheidend. In punkto Gruppenidentität bedarf es ebenfalls der Selbstbeobachtung und Selbstreflexion. Hier geht es um klare Zielsetzungen und Werte, mit denen sich Mitarbeiter identifizieren können. Wer eine emotional günstige Gruppendynamik in seiner Firma auslösen will, der kümmere sich intensiv um überzeugende Werte. Denn bis heute hat man noch nichts Besseres erfunden, um Menschen zu motivieren. Die Selbstwahrnehmung der Gruppe erfordert aber auch Selbstkontrolle. Kein Mitarbeiter darf emotional verloren gehen. Und natürlich Empathie: Die Interessen außerhalb der Gruppe sollten gesehen werden.
Die Argumentation klingt verführerisch bekannt. Vertrauen, Gruppenidentität, Optimismus? Sicher, das macht gute Teams aus. Selbst- und Fremdwahrnehmung erfolgsentscheidend für Teams? Das kennen wir aus der Praxis. Aber wie wenden wir diese Erkenntnisse konkret an? Wie bei der Einführung der Emotionalen Intelligenz in die Geschäftswelt, so sagen wir auch jetzt: Haben wir immer schon gewusst. Doch die Einzelheiten des Konzepts, die uns intuitiv so vertraut erscheinen, rücken jetzt in einen bewusst praktizierbaren Zusammenhang. Emotionale Intelligenz zahlt sich aus. Sie funktioniert und bringt, profan gesagt, Geld. Deshalb berichte ich im Folgenden über die konkreten Verfahrensweisen, die Druskat/Wolff beobachtet haben und zur Nachahmung empfehlen. Damit erhält jeder Leser einen in sich schlüssigen Maßnahmenkatalog, anhand dessen er selbst entscheiden mag, wie es um die Emotionale Intelligenz in den Teams seiner Firma tatsächlich steht.
Der erste wichtige Schritt für Teamwork besteht in der Einführung und nachhaltigen Umsetzung von Normen. Diese Normen sind das zentrale Nervensystem jeder Gruppendynamik und der dabei entstehenden Gefühle. Ausgesprochen oder unausgesprochen erfahren und praktizieren wir in einem Team immer Normen, die unser Verhalten bestimmen. Es kommt demnach darauf an, solche Normen zu etablieren, die uns unsere Emotionen bewusst machen und sie in eine Richtung lenken, die emotional intelligentes Arbeiten gezielt fördert: "Um so effektiv wie möglich zu sein, muss sich ein Team Normen für emotionale Intelligenz auferlegen - Einstellungen und Verhaltensweisen also, die zur Gewohnheit werden; von ihr werden wiederum Handlungen gefördert, die für Vertrauen, Gruppenidentität und Gruppenerfolg sorgen." (S. 9f.) Druskat/Wolff machen hierzu konkrete Vorschläge, die alle Kommunikationsebenen des Teams berücksichtigen.
Generell sollten Normen Fehlverhalten sanktionieren. Das ist ihre negative Funktion. Deshalb ist es wichtig, destruktive Stimmungen und emotionale Störfaktoren zur Sprache zu bringen. Es gilt, die Bequemlichkeit abzulegen, über solche Spannungen hinwegzusehen. Denn für die Entwicklung eines emotional intelligenten Teams ist die Selbstwahrnehmung absolut entscheidend. So sollten schweigende Teammitglieder und mangelhafte emotionale Beteiligung tatsächlich angesprochen werden. Manches Teammitglied empfindet bereits die Einrichtung eines Teams als Zweifel an seiner Kompetenz. Anderen wiederum behagt die Atmosphäre nicht. Wieder andere, besonders Spitzenkräfte, sperren sich gegen das Hinzulernen und bemängeln das Team von der perfektionistischen Höhe ihres individuellen Standpunkts. Derlei emotionale Unterströmungen reduzieren die Effizienz des Teams dramatisch, auch dann, wenn es aus guten Leuten besteht und über ein großzügiges Budget verfügt. Für den Teamleiter heißt das: Nicht an der falschen Stelle Zeit sparen. Die Mitarbeiter müssen Gelegenheit bekommen, sich auszusprechen und Bindungen aufzubauen. Wenn Störfaktoren auftreten, muss eine Ursachen-Analyse zur festen Gewohnheit werden. Fragen sollten aktiv gestellt werden. Neben dem Zuhören ist es wichtig, auch die eigene Meinung deutlich zu formulieren. Bereits getroffene Entscheidungen sollten noch einmal zur Diskussion gestellt werden, auch wenn die Mehrheit sie befürwortet.
Die Berücksichtigung unterschiedlicher Perspektiven ist zwar ein weit verbreitetes Verfahren im professionellen Team-Management. Die Gefahr besteht jedoch darin, dies auf eine nur mechanische Weise zu erledigen: Das bloße Ansammeln und Zusammenfassen von Aspekten genügt nicht, um ein emotional günstiges Klima aufzubauen: "Vorzuziehen ist ein Vorgehen, bei dem die Gruppenmitglieder miterleben, wie sich jeder von ihnen mit den individuellen Sichtweisen der anderen auseinandersetzt. Auf diese Weise hat das Team eine größere Chance, jenes Vertrauen zu schaffen, aus dem ein stärkeres Engagement der einzelnen Mitglieder hervorgeht." (S. 11) Hier können Rollenspiele und Präsentationen von abweichenden Meinungen sehr hilfreich sein. Miterleben heißt, mittels Empathie den Standpunkt des anderen tatsächlich einzunehmen - und nicht nur zur Kenntnis zu nehmen. Und dies zeigt uns bereits die positive Seite der Normen, die zur Anwendung kommen sollen: Anerkennung, Respekt, Einfühlungsvermögen und gegenseitige Unterstützung. Auch die Sanktionen sollten von dem positiven Gedanken getragen werden, dass jeder Mitarbeiter zählt. Sonst verfehlen sie ihre Wirkung. Die Normen sind im Optimalfall ein Ausdruck dafür, dass Fehlverhalten naturgemäß vorkommt - in jedem Fall aber bemerkt und thematisiert wird. Das Ziel besteht nicht in stromlinienförmiger Gleichschaltung, sondern in einer gesunden Balance zwischen Individuum und Gruppe.
Auch auf der Ebene der Gruppenidentität verlangt das Problem der Selbstwahrnehmung und Selbstkontrolle eine Reihe von Verfahrensregeln. Es ist wichtig, die im Team vorherrschenden Stimmungen zu erkennen und eine Selbsteinschätzung vorzunehmen, die sich auf die Stärken und Schwächen der kollektiven Arbeitseinheit konzentriert. Auch hier wäre es ein Fehler, sich nicht die Zeit zu nehmen, die Effektivität des Teams zu überprüfen. Es bedarf messbarer Aufgaben und Zielsetzungen, die anschließend realistisch zu bewerten sind. Um ein Gespür für die Leistungsfähigkeit der Gruppe zu erlangen, sollte man die Möglichkeit einer Auszeit oder eines Prozess-Checks einführen, der die Selbstreflexion der Teamarbeit unterstützt. Nutzen wir unsere Zeit wirklich optimal aus? Und wo stehen wir uns selbst im Weg? Wenn man das nicht thematisiert, dann wird es auch nicht bewusst reflektiert. Und natürlich ist die Bitte um Feedback von Außenstehenden ein unverzichtbares Hilfsmittel, um den Leistungsstand der Gruppe realistisch zu erfassen.
Um eine erfolgreiche emotionale Basis zu schaffen, muss es zur Regel werden, Gefühle offen auszusprechen. Darüber hinaus ist ein positives Umfeld notwendig, das von der Identifikation mit den Zielen und Werten des Unternehmens und von der internen optimistischen Einstellung der Teammitglieder lebt. Das positive Denken erfordert dabei nicht einfach die Verdrängung von Problemen, sondern die Konzentration auf das Machbare. Um von äußeren Faktoren, auf die das Team selbst keinen Einfluss hat, nicht frustriert zu werden, ist eine aktive Außenpolitik gefragt. Überall dort, wo man Außenstehende benötigt, sollte das Team die Initiative ergreifen, das heißt: Probleme antizipieren und schon im Vorfeld nach einer Lösung suchen, am besten durch weitgehende und offensive Integration aller "Externen", die über Wohl und Wehe des Teamerfolgs mit entscheiden. Diese handlungsorientierte Einstellung vermeidet lähmende Schuldzuweisungen und Ohnmachtgefühle, die auch ein brillantes Team befallen können. Druskat/Wolff weisen darauf hin, dass in der Unternehmenspraxis bereits zahlreiche Methoden angewendet werden, um den überlebenswichtigen Optimismus und eine systematische emotionale Selbstwahrnehmung der Gruppe aufrechtzuerhalten: Bestimmte Sprachregelungen, die regelmäßig zur Anwendung kommen, wenn die Stimmung zu kippen droht. Das konsequente Intervenieren des Teamleiters. Das Errichten einer "Klagemauer", wo sich alle Mitarbeiter ihren Frust vom Leib reden können. Ja selbst Spielplätze mit Weichgummigeschossen, um Spannungen gezielt abzubauen. Das Wichtigste bleibt, dass die Gruppe regelmäßig über sich selbst zu reflektieren versteht.
Auf der dritten Kommunikationsebene von Gruppen schließlich stellt sich die Aufgabe, wie Empathie entwickelt werden kann: Wie verhält sich das Team gegenüber außenstehenden Gruppen, Abteilungen, Kunden, Herstellern, Zulieferern etc.? Diese Problematik ist ein nicht unerheblicher Faktor: "Wie wir sahen, sind Teams oft von ihren Lösungen derart angetan, dass sie völlig überrascht sind, wenn ihre Begeisterung von anderen im Unternehmen nicht geteilt wird." (S. 16) Gerade Gruppen mit einer starken emotionalen Bindung der Mitglieder laufen Gefahr, einer isolationistischen Cliquenbildung zu erliegen. Obwohl viele Teams funktionsübergreifend zusammengesetzt sind, sollten sie sicherstellen, dass sie auch ihrerseits gruppenübergreifend denken. Das eine bedingt das andere. Die Mitglieder sollten ihre Kontakte zu unterschiedlichen Geschäftsbereichen aktiv nutzen, sollten ihre Gruppe mit dem Unternehmen vernetzen und Verbindungsleute regelmäßig einladen. Das setzt die Bereitschaft voraus, die Bedürfnisse der anderen zu verstehen. Und Hilfe erlangt man am effektivsten dann, wenn man selbst Hilfe leistet. Das erfordert eine Unternehmenskultur, in der das Management den Gedanken einer netzwerkartigen und dezentralisierten Zusammenarbeit konsequent unterstützt. Persönliche Anerkennung und materielle Belohnung sollten dies unzweideutig klarmachen. Besonders die herkömmlichen Teams, die nicht funktionsübergreifend zusammengesetzt sind, werden sonst nur ihre Domäne gegen andere verteidigen. Solange also der Egoismus und nicht die Kooperation honoriert wird, solange hat man auch kein emotional intelligentes Unternehmen. Von nichts kommt nichts.
Die entscheidende Rolle des Managements für die Teameffizienz haben Druskat/Wolff zu stark vernachlässigt. Das ist meine einzige Kritik an ihnen. Zum Maßnahmenkatalog gehört meines Erachtens unbedingt die Einbeziehung der externen Vorgesetzten in die Teamarbeit. Der sachliche Hinweis auf die "Firmenkultur" ist in diesem Zusammenhang einfach zu blass. Wir wissen heute, dass das Arbeitsklima bis zu 70% vom Chef abhängt. Und nichts wäre förderlicher für die Emotionale Intelligenz eines Unternehmens als ein großes Plakat mit folgender Aufschrift: "Der Fisch stinkt vom Kopf her." Anzubringen direkt im Flur der Chefetage.
Einige Beispiele aus der Unternehmenswelt verdeutlichen, wie sehr die Firmen bemüht sind, eine Kultur durchzusetzen, in der die Teams lernen, teamübergreifend zu denken. So nutzt etwa AMP die traditionelle Idee der so genannten Matrixorganisation, um die Gruppenkooperation zu steuern: Der Produktionsprozess wird in Segmente unterteilt und von verschiedenen Produktionsteams bearbeitet, so dass die Mitarbeiter gezwungen sind, ihre gegenseitige Abhängigkeit ständig zu berücksichtigen. Ressourcen und Budgets werden nicht einzeln fixiert, damit das Management zurückbleibenden Gruppen unter die Arme greifen kann. Als idealtypisches Beispiel schließlich präsentieren Druskat/Wolff die bekannte Designer-Firma Ideo. Dort wird konsequent die Verzahnung von Gruppenarbeiten betrieben. Die Mitarbeiter werden individuell wahrgenommen; doch wer gegen gruppenübergreifende Normen verstößt, wird sofort darauf hingewiesen. Bei den Brainstormings etwa gilt es als schwerer Regelverstoß, sofort eine negative Meinung zu äußern, wenn eine neue Idee formuliert wird. Innerhalb wie außerhalb der Firma gibt es permanentes Feedback, das Verhältnis zum Kunden ist eng und intensiv. Der hohe Kreativitätsdruck wird emotional durch Spiel- und Spaßeinrichtungen kompensiert. Wer sich ausgebrannt fühlt, kann sogar an Projekten mitarbeiten, die nicht profit- und zeitorientiert angelegt sind.
Alles in allem betrachtet, ist der Artikel von Druskat/Wolff ein überzeugendes Plädoyer für emotionale Klugheit auch auf Team- und Firmenebene. Alle Autoren der Emotionalen Intelligenz sind sich heute einig, dass der Teamerfolg ebenfalls von Selbstwahrnehmung und Empathie abhängt: "Ist es gerechtfertigt, Managementzeit zur Einübung neuer Verhaltensweisen aufzuwenden, nur um einige widerborstige Persönlichkeiten in ein Team einzugliedern? Natürlich ist das zu rechtfertigen. Teams bilden die wahre Basis eines Unternehmens; und diese werden nicht ohne gegenseitiges Vertrauen und die Verpflichtung auf gemeinsame Ziele effektiv arbeiten." (S. 12)

Quelle:
Vanessa Urch Druskat/Steven B. Wolff: "Emotionale Intelligenz bei Teams",
in: Harvard Business Manager 5 (2001), S. 9-22.
Übersetzung: Dr. Margit Popp u. Dr. Anita Krätzer

© 2003 Günter Bachmann