Zitate: Religion

Dreißig Jahre lang ging ich auf der Suche nach Gott, und als ich am Ende dieser Zeit die Augen geöffnet hatte, entdeckte ich, dass er es war, der mich suchte.
Bayazid Bistami

Die göttliche Substanz ist Form ohne jede Materie, ist darum ein Eines und ist das, was sie ist; alles andere ist nicht, was es ist.
Boethius, De Sancta Trinitate

Die Gretchenfrage

Margarete
Nun sag, wie hast du's mit der Religion?
Du bist ein herzlich guter Mann,
Allein ich glaub, du hältst nicht viel davon.

Faust
Laß das, mein Kind! Du fühlst, ich bin dir gut;
Für meine Lieben ließ' ich Leib und Blut,
Will niemand sein Gefühl und seine Kirche rauben.

Margarete
Das ist nicht recht, man muß dran glauben!

Faust
Muß man?

Margarete
Ach! Wenn ich etwas auf dich könnte!
Du ehrst auch nicht die heil'gen Sakramente.

Faust
Ich ehre sie.

Margarete
Doch ohne Verlangen.
Zur Messe, zur Beichte bist du lange nicht gegangen.
Glaubst du an Gott?

Faust
Mein Liebchen, wer darf sagen:
Ich glaub an Gott?
Magst Priester oder Weise fragen,
Und ihre Antwort scheint nur Spott
Über den Frager zu sein.

Margarete
So glaubst du nicht?

Faust
Mißhör mich nicht, du holdes Angesicht!
Wer darf ihn nennen?
Und wer bekennen:
"Ich glaub ihn!"?
Wer empfinden,
Und sich unterwinden
Zu sagen: "Ich glaub ihn nicht!"?
Der Allumfasser,
Der Allerhalter,
Faßt und erhält er nicht
Dich, mich, sich selbst?
Wölbt sich der Himmel nicht da droben?
Liegt die Erde nicht hier unten fest?
Und steigen freundlich blickend
Ewige Sterne nicht herauf?
Schau ich nicht Aug in Auge dir,
Und drängt nicht alles
Nach Haupt und Herzen dir,
Und webt in ewigem Geheimnis
Unsichtbar sichtbar neben dir?
Erfüll davon dein Herz, so groß es ist,
Und wenn du ganz in dem Gefühle selig bist,
Nenn es dann, wie du willst,
Nenn's Glück! Herz! Liebe! Gott!
Ich habe keinen Namen
Dafür! Gefühl ist alles;
Name ist Schall und Rauch,
Umnebelnd Himmelsglut.

Margarete
Das ist alles recht schön und gut;
Ungefähr sagt das der Pfarrer auch,
Nur mit ein bisschen andern Worten.

Faust
Es sagen's allerorten
Alle Herzen unter dem himmlischen Tage,
Jedes in seiner Sprache;
Warum nicht ich in der meinen?

Margarete
Wenn man's so hört, möcht's leidlich scheinen,
Steht aber doch immer schief darum;
Denn du hast kein Christentum.

Der Kommentar des Mephistopheles

Ich hab's ausführlich wohl vernommen,
Herr Doktor wurden da katechisiert;
Hoff, es soll Ihnen wohl bekommen.
Die Mädels sind doch sehr interessiert,
Ob einer fromm und schlicht nach altem Brauch.
Sie denken: duckt er da, folgt er uns eben auch.
(Goethe, Faust I)

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Wäre Gott in irgendeinem wörtlichen Sinne allmächtig und allwissend, würde er sich gar nicht die Mühe gemacht haben, das Universum überhaupt zu erschaffen. Es gibt keinen Erfolg ohne die Möglichkeit des Misslingens, keine Kunst ohne den Widerstand des Materials. Wenn alles schief geht, ist es dann Lästerung, den Gedanken zu äußern, dass Gott seinen schlechten Tag hat und dass die Tage Gottes sehr, sehr lang sind?
Raymond Chandler, Playback

Selbst der schönste Abendhimmel überm Ostermoor bleibt nicht: wie sollte ich Stinkbombe denn ewig sein wollen?! Eingebildetes Christenvolk!
Arno Schmidt

Einfall: wenn wir Evangelien von Weibern hätten, Mathilde Marga Luzie Johanna, könnten Sie sich darauf verlassen, dass der Erlöser weiblichen Geschlechtes gewesen wäre.
Arno Schmidt

Wenn Gott tot ist, wer lacht dann am Ende?
Imre Kertész, Galeerentagebuch (1992)

Der Glaube aber wird fruchtbar im Willen und der Wille wiederum wird fruchtbar im Glauben. So ist also das Licht des Glaubens die Ursache des Überschwungs in den Willen.
Meister Eckehart

Goethe über Christoph August Tiedges Gedicht: „Urania, über Gott, Unsterblichkeit und Freiheit (1801):

Die Beschäftigung mit Unsterblichkeitsideen ist für vornehme Stände und besonders für Frauenzimmer, die nichts zu tun haben. Ein tüchtiger Mensch aber, der schon hier etwas Ordentliches zu sein gedenkt und der daher täglich zu streben, zu kämpfen und zu wirken hat, lässt die künftige Welt auf sich beruhen, und ist tätig und nützlich in dieser. Ferner sind Unsterblichkeitsgedanken für solche, die in Hinsicht auf Glück hier nicht zum Besten weggekommen sind, und ich wollte wetten: wenn der gute Tiedge ein besseres Geschick hätte, so hätte er auch bessere Gedanken.
Goethe (Eckermann)

Der Mensch ist nicht geboren, die Probleme der Welt zu lösen, wohl aber zu suchen, wo das Problem angeht und sich sodann in der Grenze des Begreiflichen zu halten.
Die Handlungen des Universums zu messen, reichen seine Fähigkeiten nicht hin, und in das Weltall Vernunft bringen zu wollen, ist bei seinem kleinen Standpunkt ein sehr vergebliches Bestreben. Die Vernunft des Menschen und die Vernunft der Gottheit sind zwei sehr verschiedene Dinge.
Sobald wir dem Menschen die Freiheit zugestehen, ist es um die Allwissenheit Gottes getan; denn sobald die Gottheit weiß, was ich tun werde, bin ich gezwungen zu handeln, wie sie es weiß.
Dieses führe ich nur an als ein Zeichen, wie wenig wir wissen, und dass an göttlichen Geheimnissen nicht gut zu rühren ist.
Goethe (Eckermann)

Die christliche Religion ist ein mächtiges Wesen für sich, woran die gesunkene und leidende Menschheit von Zeit zu Zeit sich immer wieder emporgearbeitet hat; und indem man ihr diese Wirkung zugesteht, ist sie über aller Philosophie erhaben und bedarf von ihr keiner Stütze. So auch bedarf der Philosoph nicht das Ansehen der Religion, um gewisse Lehren zu beweisen, wie z.B. die einer ewigen Fortdauer. Der Mensch soll an Unsterblichkeit glauben, er hat dazu ein Recht, es ist seiner Natur gemäß, und er darf auf religiöse Zusagen bauen; wenn aber der Philosoph den Beweis für die Unsterblichkeit unserer Seelen aus einer Legende hernehmen will, so ist das sehr schwach und will nicht viel heißen. Die Überzeugung unserer Fortdauer entspringt mir aus dem Begriff der Tätigkeit; denn wenn ich bis an mein Ende rastlos wirke, so ist die Natur verpflichtet, mir eine andere Form des Daseins anzuweisen, wenn die jetzige meinem Geist nicht ferner auszuhalten vermag.
Goethe (Eckermann)

Kant hat unstreitig am meisten genützt, indem er die Grenzen zog, wie weit der menschliche Geist zu dringen fähig sei, und dass er die unauflöslichen Probleme liegen ließ. Was hat man nicht alles über Unsterblichkeit philosophiert! Und wie weit ist man gekommen! - Ich zweifle nicht an unserer Fortdauer, denn die Natur kann die Entelechie nicht entbehren. Aber wir sind nicht auf gleiche Weise unsterblich, und um sich künftig als große Entelechie zu manifestieren, muss man auch eine sein.
Goethe (Eckermann)

Die Religion steht in demselbigen Verhältnis zur Kunst, wie jedes andere höhere Lebensinteresse auch. Sie ist bloß als Stoff zu betrachten, der mit allen übrigen Lebensstoffen gleiche Rechte hat. Auch sind Glaube und Unglaube durchaus nicht diejenigen Organe, mit welchen ein Kunstwerk aufzufassen ist, vielmehr gehören dazu ganz andere menschliche Kräfte und Fähigkeiten. Die Kunst aber soll für diejenigen Organe bilden, mit denen wir sie auffassen; tut sie das nicht, so verfehlt sie ihren Zweck und geht ohne die eigentliche Wirkung an uns vorüber. Ein religiöser Stoff kann indes gleichfalls ein guter Gegenstand für die Kunst sein, jedoch nur in dem Fall, wenn er allgemein menschlich ist.
Goethe (Eckermann)

Wenn einer fünfundsiebzig Jahre alt ist, kann es nicht fehlen, dass er mitunter an den Tod denke. Mich lässt dieser Gedanke in völliger Ruhe, denn ich habe die feste Überzeugung, dass unser Geist ein Wesen ist ganz unzerstörbarer Natur; es ist ein Fortwirkendes von Ewigkeit zu Ewigkeit. Es ist der Sonne ähnlich, die bloß unsern irdischen Augen unterzugehen scheint, die aber eigentlich nie untergeht, sondern unaufhörlich fortleuchtet.
Goethe (Eckermann)

Schon zur natürlichen Religion, wenn wir annehmen, dass sie früher in dem menschlichen Gemüte entsprungen, gehört viel Zartheit der Gesinnung: denn sie ruht auf der Überzeugung einer allgemeinen Vorsehung, welche die Weltordnung im ganzen leite. Eine besondre Religion, eine von den Göttern diesem oder jenem Volk geoffenbarte, führt den Glauben an eine besondre Vorsehung mit sich, die das göttliche Wesen gewissen begünstigten Menschen, Familien, Stämmen und Völkern zusagt. Diese scheint sich schwer aus dem Innern des Menschen zu entwickeln. Sie verlangt Überlieferung, Herkommen, Bürgschaft aus uralter Zeit.
Goethe, Dichtung und Wahrheit, 4. Buch

Es ist oft genug bemerkt und ausgesprochen worden, dass die Heiligen Schriften uns jene Erzväter und andre von Gott begünstigte Männer keineswegs als Tugendbilder aufstellen wollen. Auch sie sind Menschen von den verschiedensten Charaktern, mit mancherlei Mängeln und Gebrechen; aber eine Haupteigenschaft darf solchen Männern nach dem Herzen Gottes nicht fehlen: es ist der unerschütterliche Glaube, dass Gott sich ihrer und der Ihrigen besonders annehme.
Die allgemeine, die natürliche Religion bedarf eigentlich keines Glaubens: denn die Überzeugung, dass ein großes, hervorbringendes, ordnendes und leitendes Wesen sich gleichsam hinter der Natur verberge, um sich uns fasslich zu machen, eine solche Überzeugung dringt sich einem jeden auf; ja wenn er auch den Faden derselben, der ihn durchs Leben führt, manchmal fahren ließe, so wird er ihn doch gleich und überall wieder aufnehmen können. Ganz anders verhält’s sich mit der besondern Religion, die uns verkündigt, dass jenes große Wesen sich eines Einzelnen, eines Stammes, eines Volkes, einer Landschaft entschieden und vorzüglich annehme. Diese Religion ist auf den Glauben gegründet, der unerschütterlich sein muss, wenn er nicht sogleich von Grund aus zerstört werden soll. Jeder Zweifel gegen eine solche Religion ist ihr tödlich. Zur Überzeugung kann man zurückkehren, aber nicht zum Glauben.
Goethe, Dichtung und Wahrheit, 4. Buch

Man hat im Verlaufe dieses biographischen Vortrags umständlich gesehen, wie das Kind, der Knabe, der Jüngling sich auf verschiedenen Wegen dem Übersinnlichen zu nähern gesucht, erst mit Neigung nach einer natürlichen Religion hingeblickt, dann mit Liebe sich an eine positive festgeschlossen, ferner durch Zusammenziehung in sich selbst seine eigenen Kräfte versucht und sich endlich dem allgemeinen Glauben freudig hingegeben. Als er in den Zwischenräumen dieser Regionen hin und wider wanderte, suchte, sich umsah, begegnete ihm manches, was zu keiner von allen gehören mochte, und er glaubte mehr und mehr einzusehen, dass es besser sei, den Gedanken von dem Ungeheuren, Unfasslichen abzuwenden. Er glaubte in der Natur, der belebten und unbelebten, der beseelten und unbeseelten, etwas zu entdecken, das sich nur in Widersprüchen manifestierte und deshalb unter keinen Begriff, noch viel weniger unter ein Wort gefasst werden könnte. Es war nicht göttlich, denn es schien unvernünftig, nicht menschlich, denn es hatte keinen Verstand, nicht teuflisch, denn es war wohltätig, nicht englisch, denn es ließ oft Schadenfreude merken. Es glich dem Zufall, denn es bewies keine Folge, es ähnelte der Vorsehung, denn es deutete auf Zusammenhang. Alles, was uns begrenzt, schien für dasselbe durchdringbar, es schien mit den notwendigen Elementen unsres Daseins willkürlich zu schalten, es zog die Zeit zusammen und dehnte den Raum aus. Nur im Unmöglichen schien es sich zu gefallen und das Mögliche mit Verachtung von sich zu stoßen. Dieses Wesen, das zwischen alle übrigen hineinzutreten, sie zu sondern, sie zu verbinden schien, nannte ich dämonisch, nach dem Beispiel der Alten und derer, die etwas Ähnliches gewahrt hatten.
Goethe, Dichtung und Wahrheit, 20. Buch

Am furchtbarsten aber erscheint dieses Dämonische, wenn es in irgendeinem Menschen überwiegend hervortritt. Während meines Lebensganges habe ich mehrere teils in der Nähe, teils in der Ferne beobachten können. Es sind nicht immer die vorzüglichsten Menschen, weder an Geist noch an Talenten, selten durch Herzensgüte sich empfehlend; aber eine ungeheure Kraft geht von ihnen aus, und sie üben eine unglaubliche Gewalt über alle Geschöpfe, ja sogar über die Elemente, und wer kann sagen, wie weit sich eine solche Wirkung erstrecken wird. Alle vereinten sittlichen Kräfte vermögen nichts gegen sie; vergebens dass der hellere Teil der Menschen sie als Betrogene oder Betrüger verdächtig machen will, die Masse wird von ihnen angezogen. Selten oder nie finden sich Gleichzeitige ihresgleichen, und sie sind durch nichts zu überwinden, als durch das Universum selbst, mit dem sie den Kampf begonnen.
Goethe, Dichtung und Wahrheit, 20. Buch

Entelechie:
Die Hartnäckigkeit des Individuums und dass der Mensch abschüttelt was ihm nicht gemäß sei, ist mir ein Beweis dass so etwas existiere.
Goethe (Eckermann)

Ich aber bete den an, der eine solche Produktionskraft in die Welt gelegt hat, dass, wenn nur der millionste Teil davon ins Leben tritt, die Welt von Geschöpfen wimmelt, so dass Krieg, Pest, Wasser und Brand ihr nichts anzuhaben vermögen. Das ist mein Gott.
Goethe (Eckermann)

Da nun aber das große Wesen, welches wir die Gottheit nennen, sich nicht bloß im Menschen, sondern auch in einer reichen gewaltigen Natur, und in mächtigen Weltbegebenheiten ausspricht, so kann auch natürlich eine nach menschlichen Eigenschaften von ihm gebildete Vorstellung nicht ausreichen, und der Aufmerkende wird bald auf Unzulänglichkeiten und Widersprüche stoßen, die ihn in Zweifel, ja in Verzweiflung bringen, wenn er nicht entweder klein genug ist, sich durch eine künstliche Ausrede beschwichtigen zu lassen, oder groß genug, sich auf den Standpunkt einer höheren Ansicht zu erheben.
Goethe (Eckermann)

Goethe selbst aber ist weit entfernt zu glauben, dass er das höchste Wesen erkenne wie es ist. Alle seine schriftlichen und mündlichen Äußerungen gehen darauf hin, dass es ein Unerforschliches sei, wovon der Mensch nur annähernde Spuren und Ahndungen habe.
Eckermann über Goethe

Das Dämonische ist dasjenige, was durch Verstand und Vernunft nicht aufzulösen ist. In meiner Natur liegt es nicht, aber ich bin ihm unterworfen.
Goethe (Eckermann)

Das Dämonische aber äußert sich in einer durchaus positiven Tatkraft.
Goethe (Eckermann)

So wirft sich auch das Dämonische gern in bedeutende Individuen, vorzüglich wenn sie eine hohe Stellung haben, wie Friedrich und Peter der Große.
Goethe (Eckermann)

Wer Wissenschaft und Kunst besitzt,
Hat auch Religion;
Wer jene beiden nicht besitzt,
Der habe Religion.
Goethe

Keiner ist von Natur aus, in der Gott zuerst den Menschen erschaffen hat, Sklave eines Menschen oder einer Sünde.
Augustinus

Gott ist eine Mutmaßung; aber ich will, dass euer Mutmaßen nicht weiter reiche, als euer schaffender Wille.
Nietzsche, Also sprach Zarathustra

Und nicht anders wussten sie ihren Gott zu lieben, als indem sie den Menschen ans Kreuz schlugen!
Nietzsche, Also sprach Zarathustra

Jede Philosophie, welche einen religiösen Kometenschweif in die Dunkelheit ihrer letzten Aussichten hinaus erglänzen lässt, macht alles an sich verdächtig.
Nietzsche, Menschliches, Allzumenschliches

Es ist nicht genug an Religion in der Welt, um die Religionen auch nur zu vernichten.
Nietzsche, Menschliches, Allzumenschliches

Die Äthiopier behaupten, ihre Götter seien stumpfnasig und schwarz, die Thraker, blauäugig und blond.
Aber die Menschen nehmen an, die Götter seien geboren, sie trügen Kleider, hätten Stimme und Körper - wie sie selbst. Wenn aber die Rinder und Pferde und Löwen Hände hätten und mit diesen Händen malen könnten und Bildwerke schaffen wie Menschen, so würden die Pferde die Götter abbilden und malen in der Gestalt von Pferden, die Rinder in der von Rindern, und sie würden solche Statuen meißeln, ihrer eigenen Körpergestalt entsprechend.
Xenophanes

Die gegebene schöne Ordnung aller Dinge, dieselbe in allem, ist weder von einem der Götter noch von einem der Menschen geschaffen worden, sondern sie war immer, ist und wird sein: Feuer, ewig lebendig, nach Maßen entflammend und nach Maßen erlöschend.
Heraklit

Als der Atheist anfing, nach Käse, Branntwein und Tabak zu stinken, da gingen mir die Augen auf.
Heinrich Heine

Lass die heilgen Parabolen,
Lass die frommen Hypothesen –
Suche die verdammten Fragen
Ohne Umschweif uns zu lösen.

Warum schleppt sich blutend, elend,
Unter Kreuzlast der Gerechte,
Während glücklich als ein Sieger
Trabt auf hohem Ross der Schlechte?

Woran liegt die Schuld? Ist etwa
Unser Herr nicht ganz allmächtig?
Oder treibt er selbst den Unfug?
Ach, das wäre niederträchtig.

Also fragen wir beständig,
Bis man uns mit einer Handvoll
Erde endlich stopft die Mäuler –
Aber ist das eine Antwort?

Heinrich Heine