Zitate: Rhetorik

Gustave Le Bon
Psychologie der Massen (1895)

Die Massen können nur in Bildern denken und lassen sich nur durch Bilder beeinflussen.

Alles, was die Phantasie der Massen erregt, erscheint in der Form eines packenden, klaren Bildes, das frei ist von jedem Deutungszubehör und nur durch einige Tatsachen gestützt: einen großen Sieg, ein großes Wunder, ein großes Verbrechen, eine große Hoffnung.
Also nicht die Tatsachen als solche erregen die Volksphantasie, sondern die Art und Weise, wie sie sich vollziehen. Sie müssen durch Verdichtung – wenn ich so sagen darf – ein packendes Bild hervorbringen, das den Geist erfüllt und ergreift. Die Kunst, die Einbildungskraft der Massen zu erregen, ist die Macht, sie zu regieren.

Für die Massen muss man entweder ein Gott sein oder man ist nichts

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Die Leidenschaft ist der einzige Redner, der immer überredet. Sie gleicht einer Kunst der Natur, deren Regeln unfehlbar sind; und der einfältigste Mensch, aus dem die Leidenschaft spricht, überzeugt mehr als der beredteste ohne Leidenschaft.
La Rochefoucauld

Zwar auch bist du ein Jüngling und könntest mein Sohn sein,
Selber der jüngst’ an Geburt; allein du sprichst mit Verstande
Unter den Fürsten des Heers, da der Sache gemäß du geredet.
(Nestor zu Diomedes, in: Homer, Ilias, IX, 57-59.)

Denn mir verhasst ist jener, so sehr wie des Hades Pforten,
Wer ein andres im Herzen verbirgt und ein anderes redet.
Achill zu Odysseus, in: Homer, Ilias, IX, 312-313.)

Im Buch IX von Homers Ilias (443) findet sich auch das ganzheitliche antike Bildungsideal der Rhetorik:

Beides, ein Redner von Worten zu sein und ein Täter von Taten.

Berühmt ist auch die Definition des älteren Cato (234-149 v. Chr.):

Vir bonus dicendi peritus.
(Ein Ehrenmann, der des Redens kundig ist.)

Von Cato dem Älteren stammt außerdem folgende Maxime:

Rem tene, verba sequentur.
(Halt dich an die Sache, die Worte folgen von selbst.)

Cato der Jüngere wiederum lebte im 1. Jahrhundert vor Christus. Er nahm sich nach dem Untergang der römischen Republik im Jahre 46 vor Christus das Leben. Er hinterließ ein Zitat, das als Musterbeispiel für das Erhabene gelten kann:

Victrix causa deis placuit; sed victa Catoni.
(Die siegreiche Sache gefiel den Göttern; aber die besiegte Sache gefiel einem Cato.)

...wer in Worten denkt, denkt als Redner und nicht als Denker (es verrät, dass er im Grunde nicht Sachen, nicht sachlich denkt, sondern nur in Hinsicht auf Sachen, dass er eigentlich sich und seine Zuhörer denkt).
Nietzsche, Zur Genealogie der Moral

Die Anlage, das Höhere aufzunehmen, ist sehr selten, und man tut daher im gewöhnlichen Leben immer wohl, solche Dinge für sich zu behalten, und davon nur so viel hervorzukehren, als nötig ist, um gegen die andern in einiger Avantage zu sein.
Goethe (Eckermann)

Wer das Falsche verteidigen will, hat alle Ursache, leise aufzutreten und sich zu einer feinen Lebensart zu bekennen. Wer das Recht auf seiner Seite fühlt, muss derb auftreten: ein höfliches Recht will gar nichts heißen.
Goethe, Maximen und Reflexionen (410)

Allein der Vortrag macht des Redners Glück.
Goethe, "Faust I")

Sei er kein schellenlauter Tor!
Es trägt Verstand und rechter Sinn
Mit wenig Kunst sich selber vor.
Goethe ("Faust I")

Das Großartige nämlich überzeugt die Hörer nicht, sondern verzückt sie; immer und überall wirkt ja das Erstaunliche mit seiner erschütternden Macht mächtiger als das, was nur überredet oder gefällt, hängt doch die Wirkung des sachlichen Redners meist von uns ab, während das Großartige unwiderstehliche Macht und Gewalt ausübt und jeglichen Hörer überwältigt.
Longinus ("Vom Erhabenen")

Der wahre Redner darf nicht niedrig oder unedel denken. Ist es doch unmöglich, dass Menschen, die ihr ganzes Leben lang kleinlich und knechtisch denken und handeln, etwas hervorbringen, was bewundernswert und der Ewigkeit würdig ist; groß hingegen ist, versteht sich, die Sprache von Menschen, deren Gedanken gewichtig sind.
Longinus ("Vom Erhabenen")

Wo die Leidenschaften wie ein Sturzbach dahinjagen, führen sie notwendig auch eine Flut von Bildern mit sich.

Longinus ("Vom Erhabenen")

Handlungen und Leidenschaften, die beinahe besinnungslos mitreißen, sind Hilfe und Heilmittel bei jedem sprachlichen Wagnis.
Longinus ("Vom Erhabenen")

Wo es mir gut geht, dort ist mein Vaterland.
Ubi bene, ibi patria.
(Cicero)

Immer schon war es erlaubt und wird auch immer erlaubt sein, Wörter, vom Stempel der Gegenwart geprägt, in Umlauf zu setzen.
Horaz ("Über die Dichtkunst")

Das Wort, das du von dir gabst, kennt keine Rückkehr.
Horaz ("Über die Dichtkunst")

Geistreichen Personen braucht man mitunter, um sie für einen Satz zu gewinnen, denselben nur in der Form einer ungeheuerlichen Paradoxie vorzulegen.
Nietzsche, Menschliches, Allzumenschliches

Mutige Leute überredet man dadurch zu einer Handlung, dass man dieselbe gefährlicher darstellt, als sie ist.
Nietzsche, Menschliches, Allzumenschliches

Wer seine Gedanken nicht auf Eis zu legen versteht, der soll sich nicht in die Hitze des Streites begeben.
Nietzsche, Menschliches, Allzumenschliches.

Nichts auf der Welt eignet sich besser für die Belehrung schlichter Gemüter als vertraute Gegenstände und Symbole. Aber dabei droht immer die Gefahr, dass das Interesse oder die Auffassungsgabe deiner Zuhörer genau vor jenem Punkt Halt machen, wo deine spirituelle Interpretation beginnt. George Eliot, Scenes of Clerical Life (1857)

Aristoteles, Rhetorik (340-335 v.Chr.)

Die Rhetorik ist nützlich, weil Wahrheit und Gerechtigkeit von Natur aus stärker sind als deren Gegenteile, so dass, wenn Entscheidungen ungebührlich ausfallen, diese unterliegen müssten.

Die Rhetorik sei also als Fähigkeit definiert, das Überzeugende, das jeder Sache innewohnt, zu erkennen.

Daher sagen wir auch, dass ihr wissenschaftliches Betätigungsfeld nicht ein ihr eigenes, abgegrenztes Gebiet umfasst.

Nicht trifft zu, wie manche der Fachtheoretiker behaupten, dass in der Redekunst auch die Integrität des Redners zur Überzeugungsfähigkeit nichts beitrage, sondern fast die bedeutendste Überzeugungskraft hat sozusagen der Charakter.

Ethos, Pathos, Logos Von den durch die Rede geschaffenen Überzeugungsmitteln gibt es drei Arten: Sie sind zum einen im Charakter des Redners angelegt, zum anderen in der Absicht, den Zuhörer in eine bestimmte Gefühlslage zu versetzen, zuletzt in der Rede selbst, indem man etwas nachweist oder zumindest den Anschein erweckt, etwas nachzuweisen.

Es gibt drei Arten der Beredsamkeit, dieser Zahl entsprechen auch die Arten von Zuhörern. Eine Rede besteht nämlich aus dreierlei: einem Redner, einem Gegenstand, worüber er spricht, und einem Publikum; und der Zweck der Rede ist nur auf ihn, den Zuhörer, ausgerichtet. (...) daher wird man wohl von drei Redegattungen sprechen müssen, der Beratungs-, Gerichts- und Festrede.

Man muss aber bei Lob und Tadel auch Eigenschaften, die den vorhandenen nahe sind, ins Treffen führen, als wären sie dieselben, z.B. den Vorsichtigen kaltblütig und durchtrieben, den Dummkopf brauchbar oder den Gefühllosen einfühlsam nennen, und so belege man jeden Einzelnen stets mit der Eigenschaft, die als nächste positive folgt, z.B. den Jähzornigen und Tobsüchtigen bezeichne man als unkompliziert, den Selbstgefälligen als edelmütig und vornehm und die, die in einer Tugend über das rechte Maß schlagen, stelle man so dar, als wäre dies nicht der Fall, z.B. den Draufgänger tapfer, den Prasser großzügig. Der Menge wird dies einleuchten (…).

Überhaupt ist von den Erscheinungsformen, die allen Reden gemein sind, die Steigerung für Festreden am geeignetsten, denn diese nehmen alle Taten als unbestritten hin, sodass nur noch übrig bleibt, ihnen Größe und Schönheit zu verleihen. Für Beratungsreden eignen sich wiederum Beispiele am besten, denn aus der Vergangenheit beurteilen wir durch Mutmaßung die Zukunft; für Gerichtsreden Enthymeme, denn Geschehenes lässt aufgrund der Unklarheit am stärksten Ursache und Beweis erwarten.

Anmerkung: Ein Enthymem ist ein logischer Beweis, der sich in letzter Instanz aber immer auf die allgemeine Lebenspraxis und die Gemeinplätze ("topoi") der Weltweisheit beziehen muss, um glaubwürdig zu sein:

Es gibt ja etwas, wovon alle Menschen eine bestimmte Vorstellung haben, nämlich das von Natur aus für alle gemeinsam geltende Recht und Unrecht, auch wenn kein gemeinschaftlicher Umgang oder eine Vertragsbeziehung untereinander besteht.

Am ehesten für fähig, straflos Unrecht zu tun, halten sich diejenigen, die reden können, Männer der Tat und prozesserfahren sind, falls sie dazu noch viele Freunde haben und reich sind.