Zitate: Wirtschaft

Die einfache Warenzirkulation – der Verkauf für den Kauf – dient zum Mittel für einen außerhalb der Zirkulation liegenden Endzweck, die Aneignung von Gebrauchswerten, die Befriedigung von Bedürfnissen. Die Zirkulation des Geldes als Kapital ist dagegen Selbstzweck, denn die Verwertung des Werts existiert nur innerhalb dieser stets erneuerten Bewegung. Die Bewegung des Kapitals ist daher maßlos.
Karl Marx, Das Kapital

Die Unbeweglichkeit durch Bürokratisierung ist auf der ganzen Welt das eigentliche Problem.
Robert Waterman (1982)

Der Unterschied in den Begabungen der einzelnen Menschen ist in Wirklichkeit weit geringer, als uns bewusst ist, und die verschiedensten Talente, welche erwachsene Menschen unterschiedlicher Berufe auszuzeichnen scheinen, sind meist mehr Folge als Ursache der Arbeitsteilung. So scheint zum Beispiel die Verschiedenheit zwischen zwei auffallend unähnlichen Berufen, einem Philosophen und einem gewöhnlichen Lastenträger, weniger aus Veranlagung als aus Lebensweise, Gewohnheit und Erziehung entstanden. Bei ihrer Geburt und in den ersten sechs oder acht Lebensjahren waren sie sich vielleicht ziemlich ähnlich, und weder Eltern noch Spielgefährten dürften einen auffallenden Unterschied bemerkt haben. In diesem Alter etwa oder bald danach hat man begonnen, sie sehr verschieden auszubilden und zu beschäftigen. Nunmehr kommen die unterschiedlichen Talente zum Vorschein, prägen sich nach und nach aus, bis schließlich der Philosoph in seiner Überheblichkeit kaum noch eine Ähnlichkeit mit dem Lastenträger zugeben wird. Ohne die Neigung oder Anlage zum Tauschen und Handeln müsste also jeder selbst für alle Dinge sorgen, die er zum Leben und zu seiner Annehmlichkeit haben möchte. Alle würden die gleichen Pflichten zu erfüllen und die gleiche Arbeit zu leisten haben, und es gäbe keine unterschiedlichen Berufe und Tätigkeiten, die allein Gelegenheit bieten können, dass sich Talente so verschieden entfalten.
Adam Smith, Der Wohlstand der Nationen (1776)
Daniel Goleman/Richard Boyatzis/Annie McKee, Emotionale Führung, München 2002. Econ Verlag:

Motivation

Aus neurologischer Sicht ist die Antriebskraft, die uns langfristige Ziele verfolgen lässt, die Fähigkeit des Verstands, uns daran zu erinnern, wie zufrieden wir uns fühlen werden, wenn wir diese Ziele erreichen - eine Fähigkeit, die im Schaltsystem zwischen Mandelkern und dem linken präfrontalen Lappen ihren Sitz hat. (…) alle Motivatoren laufen über ein und dieselbe neurale Bahn. Leidenschaft für die Arbeit bedeutet auf der Ebene des Gehirns, dass Schaltungen, die mit dem linken präfrontalen Kortex verbunden sind, für einen stetigen Fluss von positiven Gefühlen sorgen, während wir unsere Arbeit tun. (...) Sie besänftigen Gefühle von Frustration und Sorge, die uns entmutigen könnten. Das bedeutet, dass wir die unvermeidlichen Rückschläge, Frustrationen und Fehlschläge wegstecken können, die jedes anspruchsvolle Ziel mit sich bringt. Wir können die verborgene Chance oder die nützliche Lektion in einem Fehlschlag erkennen und unsere Bemühungen fortsetzen.
In welchem Maße diese präfrontalen Schaltungen motivierende Gefühle hervorrufen und demotivierende hemmen, macht den Unterschied zwischen einem Pessimisten und Optimisten aus. Der Pessimist beschäftigt sich zu sehr damit, was falsch läuft, und verliert daher die Hoffnung, während der Optimist trotz Schwierigkeiten an seinem Ziel festhält, weil er sich die Befriedigung vor Augen hält, die er empfinden wird, wenn er es erreicht. (S. 64)

Wenn wir eine Verbindung zu unseren Träumen finden, werden Leidenschaft, Energie und Begeisterung für das Leben freigesetzt. Und bei einer Führungskraft kann diese Leidenschaft die Begeisterung ihrer Mitarbeiter wecken. Der Schlüssel ist die Entdeckung unseres idealen Selbst - jener Person, die wir gerne sein würden. (S. 150)

Um Ihre Emotionale Intelligenz zu entwickeln - oder aufrechtzuerhalten -, müssen Sie zuerst diese Kraft Ihres idealen Selbst finden. Dafür gibt es einen einfachen Grund: Gewohnheiten zu ändern, ist harte Arbeit. (…) Wenn wir versuchen, alte Denk- und Verhaltensweisen zu ändern, müssen wir jahrzehntelanges Lernen rückgängig machen, das in neuralen Schaltungen gespeichert ist, die durch tausendfaches Wiederholen dieser Gewohnheiten entstanden sind. Deshalb erfordern dauerhafte Veränderungen eine kraftvolle Zukunftsvision von uns selbst, die uns besonders in Zeiten großer Belastung motiviert. (S. 150f.)

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Bisher liegt Deutschland, gemessen am staatlichen Einsatz von Informationstechnik, auf Platz 20. Wann geht der Staat endlich online? Täte er es, dann ergäbe sich ein weiterer Vorteil: Bürger und Unternehmen müssten sich nicht mehr mit einer schwerfälligen Bürokratie herumplagen, die selbst die Gründung einer Imbissbude zum Abenteuer werden lässt. Mut zur Innovation? Da muss der Staat schon bei sich selbst anfangen, damit er auch seinen Bürgern Mut einflößen kann.

Einer weltweiten Studie zufolge käme die Hälfte der Deutschen nie auf den Gedanken, sich selbstständig zu machen - aus Angst zu scheitern. Der westeuropäische Durchschnitt dagegen liegt bei einem Drittel, in Osteuropa geben 29 Prozent der Befragten diese Antwort, in Nordamerika liegt die Zahl noch darunter. Aber die Risikoangst der Deutschen ist nur rational: Wer hier zahlungsunfähig wird, gilt nicht etwa als jemand, der Lehrgeld zahlte, sondern als Verlierer, auch für die Zukunft. Dafür sorgt schon die Schufa.
(Gero von Randow, in: Technology Review, 3 (März 2004), S. 10.)

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Wir müssen mit einer langsam wachsenden heimischen und mit einer langsam wachsenden Weltwirtschaft zurechtkommen. Trotz hoher Überkapazitäten wollen die Unternehmen ihre Marktanteile und Margen erhöhen. Das werden sie in Zukunft durch Innovationen erreichen, die Kundenbedürfnisse befriedigen, und durch die langfristige Entwicklung neuer Technologien. Ich habe meine Karriere im Verkauf begonnen, und dabei eine wichtige Entdeckung gemacht: Wann immer ich gute Produkte zu verkaufen hatte, war ich erfolgreicher als mit schlechten Produkten. Also schließen wir ab mit einem Jahrzehnt, in dem Kapitalmärkte und Aquisitionen im Vordergrund standen, und machen uns auf zu einer neuen Periode, in der es mehr um das Entwickeln geht. Die Unternehmen, die wissen, wie man Dinge entwickelt, werden letztlich den größten Shareholder Value schaffen. So einfach ist das.
(Jeffrey Immelt, CEO von General Electric, in: Technology Review, 3 (März 2004), S. 28.)

Der moderne Konkurs
Aber statt der früheren plebejisch-gemütlichen Konkurse und Verlumpungen, die sie untereinander abspielten, gibt es jetzt vornehme Accomodements mit stattlichen auswärtigen Gläubigern, anständig besprochene Schicksalswendungen, welche annäherungsweise wie etwas Rechtes aussehen, sodann Wiederaufrichtungen, und nur selten muss einer noch vom Schauplatze abtreten.
Gottfried Keller, "Die Leute von Seldwyla", Vorrede, 2.Teil

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Robert Bosch (1861-1942)
Quelle: Theodor Heuss, Robert Bosch. Leben und Leistung, Stuttgart 1986. DVA:

In Mathematik war ich immer sehr schwach. (...) Es ist lediglich ein technisches Gefühl, das mir durchgeholfen hat. (S.29)

Es ist mir aber immer, wie wenn mich das Glück nicht verlassen würde, und wenn es auch nicht glatt abgeht, durchgehauen wird, es mag gehen, wie es will. (S. 50)

Bosch über Edison:
Als ich im Edison-Betrieb in New York (...) arbeitete, haben mir Mitarbeiter Edisons berichtet von seiner gewaltigen Arbeitskraft. Wenn ihn ein Problem beschäftigte, so ging er in dessen Lösung vollkommen auf. Er konnte dann viele Tage den Arbeitsplatz gar nicht mehr verlassen; sein Bett waren einige Wolldecken auf dem Erdboden. Edison war der Urtyp des Amerikaners in seiner besten Form. Nie war ihm der persönliche Gewinn Ansporn für seine rastlose Tätigkeit. Es war der Schaffenstrieb des Titanen! (S. 54)

... angenommen, wir haben einen persönlichen Gott, wer ist besser, der nachher aus einem gewissen Drang nach Gerechtigkeit an der Richtigkeit unserer Ordnung irre wird und nicht mehr an Gott glaubt, sondern nur mit seinem Gewissen abrechnet und sich seine menschlichen Fehler zu Herzen nimmt und sie gut zu machen sucht, oder der, welcher seine Fehler in seinem guten Glauben, d.h. weil er nie sich über dergleichen Sachen Gedanken macht, sich vergeben lässt? (S.72)

Ich erlaube den Juden, Türken und Buddhisten, sich an ihren Gott und Götzen zu halten; solange sie gute Menschen sind, liebe ich sie; ich selber hoffe, so ruhig durchs Leben zu gehen als sie und vielleicht genauer zu wissen, was in einzelnen Fällen zu tun ist, weil ich mit meinem Gewissen allein mich abzufinden habe. (S.74f.)

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In einer zivilisierten Gesellschaft befindet der Mensch sich jederzeit in der Zwangslage, die Mitwirkung und den Beistand einer großen Menge von Menschen zu brauchen, während sein ganzes Leben kaum hinreicht, die Freundschaft von einigen wenigen Personen zu gewinnen.
Adam Smith, Eine Untersuchung über den Wohlstand der Nationen (1776)

Nicht von dem Wohlwollen des Fleischers, Brauers oder Bäckers erwarten wir unsere Mahlzeit, sondern von ihrer Bedachnahme auf ihr eigenes Interesse. Wir wenden uns nicht an ihre Humanität, sondern an ihre Eigenliebe, und sprechen ihnen nie von unseren Bedürfnissen, sondern von ihren Vorteilen.
Adam Smith, Eine Untersuchung über den Wohlstand der Nationen (1776)

Die Arbeit war der erste Preis, das ursprüngliche Kaufgeld, welches für alle Dinge gezahlt wurde.
Adam Smith, Eine Untersuchung über den Wohlstand der Nationen

Die größte Vervollkommnung der Produktivkräfte der Arbeit und die vermehrte Geschicklichkeit, Fertigkeit und Einsicht, mit der die Arbeit überall geleitet oder verrichtet wird, scheint eine Wirkung der Arbeitsteilung zu sein.
Adam Smith, Eine Untersuchung über den Wohlstand der Nationen

In der bürgerlichen Gesellschaft ist jeder sich Zweck, alles andere ist ihm nichts. Aber ohne Beziehung auf Andere kann er den Umfang seiner Zwecke nicht erreichen: diese Andern sind daher Mittel zum Zweck des Besonderen. Aber der besondere Zweck gibt sich durch die Beziehung auf Andere die Form der Allgemeinheit und befriedigt sich, indem er zugleich das Wohl der Anderen mit befriedigt.
G.W.F. Hegel, Rechtsphilosophie (1821)

Ich finde nichts vernünftiger in der Welt, als von den Torheiten anderer Vorteil zu ziehen.
Goethe, Wilhelm Meisters Lehrjahre (1795/96), Buch I, 10. Kapitel (Werner)

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Jack Welch
Straight from the gut
(2001)

Quelle: Jack Welch (mit John A. Byrne), Was zählt. Die Autobiografie des besten Managers der Welt, übersetzt von Stephan Gebauer u. Ulrike Zehetmayr, München 2003. Ullstein Verlag.

Im Kapitel 24 äußert sich Jack Welch zu den Grundsätzen seiner Unternehmensleitung:

Ein Unternehmen zu leiten ist der aufregendste Job, den man sich vorstellen kann. Mir fallen die verschiedensten Dinge dazu ein: Abenteuer. Spaß. Leidenschaft. Ständige Bewegung. Geben und Nehmen. Besprechungen bis spät in die Nacht. Unglaubliche Freundschaften. Guter Wein. Feiern. Großartige Golfplätze. Wichtige Entscheidungen. Krisen und Druck. Viele Versuche. Einige Volltreffer. Das Hochgefühl des Siegers. Die Enttäuschung des Verlierers. Die Bezahlung ist gut - doch der wirkliche Lohn ist die Freude an der Arbeit. (S. 386)

Nach dieser Einleitung beschreibt Welch eine Reihe von Prinzipien, die seine Managementpraxis geprägt haben:

INTEGRITÄT
Weder in guten noch in schlechten Zeiten bin ich von diesem Grundsatz abgewichen. Auch wenn jemand anderer Meinung war als ich - und das kam oft genug vor - konnte er sich darauf verlassen, dass ich fair blieb. Das trug zu besseren Beziehungen mit Kunden, Lieferanten, Analysten, Konkurrenten und Behörden bei. Es bestimmte den Ton im Unternehmen. Für mich kam immer nur ein Weg infrage - der gerade Weg. (S. 389f.)

UNTERNEHMEN UND GESELLSCHAFT
Ich bin der Meinung, soziale Verantwortung beginnt mit einem starken, wettbewerbsfähigen Unternehmen. Nur ein gesundes Unternehmen kann das Leben der Menschen verbessern und bereichern. (S. 390)
Im Gegensatz dazu sind schwache Unternehmen oft eine Belastung für die Gesellschaft. Sie erzielen wenig oder gar keinen Gewinn und zahlen daher wenig oder gar keine Steuern. (S. 390)
Deshalb bedeutet soziale Verantwortung für einen Unternehmensleiter vor allem, für den finanziellen Erfolg seines Unternehmens zu sorgen. Nur ein gesundes, profitables Unternehmen ist in der Lage, seiner sozialen Verantwortung gerecht zu werden. (S. 391)

DEN TON ANGEBEN
Die Organisation orientiert sich an den Führungskräften. Ich bläute unseren Bereichsleitern stets ein, dass das Engagement der Organisation von ihrem persönlichen Einsatz abhänge. Ihrem Beispiel würden tausende Mitarbeiter folgen. Der Unternehmensleiter gibt den Ton an. Ich versuchte, jeden Tag alle Menschen bei GE zu erreichen. Ich wollte für jeden einzelnen Mitarbeiter präsent sein. (S. 391)

NUTZEN DES GEISTIGEN POTENZIALS EINER ORGANISATION
Der erste Schritt war stets, für die Ideen aller Mitarbeiter offen zu sein. Anschließend mussten die besten Ideen im gesamten Unternehmen quer durch alle Ebenen und Bereiche verbreitet werden. Unsere Work-Out-Initiative förderte den grenzenlosen Austausch und die Entwicklung von Ideen. Wir verknüpften alle Sitzungen von den Personalbeurteilungen bis zu den Strategiesitzungen im ‚Betriebssystem'. (S. 391f.)

ZUERST DIE MENSCHEN, DANN DIE STRATEGIE
Für eine Aufgabe die richtigen Leute zu finden ist wesentlich wichtiger als eine Strategie zu entwickeln. Das gilt für alle Geschäftsbereiche.
Wir mussten erkennen, dass uns die brillantesten Strategien nichts nutzten, wenn wir nicht die richtigen Leute mit der Durchführung betrauten. (S. 392)

INFORMELLE ATMOSPHÄRE
Eine informelle Atmosphäre beschränkt sich nicht darauf, einander zu duzen oder legere Kleidung zu tragen. Es geht um sehr viel mehr. Man muss dafür sorgen, dass jeder Einzelne zählt - und es auch weiß. Titel sind dabei unwichtig. Für eingebildete Manager, Egozentriker und Karrieristen ist kein Platz. Was zählt, sind Leidenschaft, gute Zusammenarbeit und der ungehinderte Ideenaustausch.
Bürokratie ist ein Wettbewerbsnachteil. Eine informelle Atmosphäre ist ein Wettbewerbsvorteil. (S. 392)

SELBSTBEWUSSTSEIN
Arroganz ist tödlich, und übermäßiger Ehrgeiz kann dieselbe Wirkung haben. Arroganz und Selbstbewusstsein liegen sehr nah beieinander. Berechtigtes Selbstvertrauen ist eine Siegerqualität. Der beste Beweis für Selbstbewusstsein ist Offenheit für Veränderungen und neue Ideen - egal aus welcher Quelle sie stammen.
Wie findet man solche Menschen? Indem man nach Leuten sucht, die sich offensichtlich wohl in ihrer Haut fühlen - Menschen, die sich selbst mögen und keine Angst haben, es auch zu zeigen.
Kein Job der Welt ist es wert, dass man sich selbst verleugnet. (S. 393)

LEIDENSCHAFT
Für mich macht Leidenschaft viele Sünden wett. Eine Eigenschaft haben alle Sieger gemeinsam: Sie engagieren sich mehr als alle anderen. Kein Detail ist ihnen zu gering, kein Ziel zu hoch. Ich habe bei der Auswahl unserer Führungskräfte immer auf diese Eigenschaft geachtet. Mit leidenschaftlich meine ich nicht laut oder auffallend. Leidenschaft kommt von innen. Gute Unternehmen können Leidenschaft entfachen. (S. 393)

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Als man Thales wegen seiner Armut einen Vorwurf machte, als ob die Philosophie zu nichts tauge, habe er (...), da er aufgrund seiner astronomischen Kenntnisse vorausgesehen hatte, dass die Olivenernte reichlich sein würde, noch im Winter mit dem wenigen Geld, das ihm zur Verfügung stand, als Handgeld, sämtliche Ölpressen in Milet und Chios für einen niedrigen Preis gemietet, wobei niemand ihn überbot. Als aber die Zeit der Ernte gekommen war und auf einmal und gleichzeitig viele Pressen verlangt wurden, da habe er seine Pressen so teuer verpachtet, wie er nur wollte, und auf diese Weise sehr viel Geld verdient: zum Beweise dafür, dass es für die Philosophen ein Leichtes ist, reich zu werden, wenn sie dies wollen, dass es aber nicht das ist, was sie interessiert.
Aristoteles, Politik

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Michael E. Porter
The Competitive Advantage of Nations
New York 1990

Kapitel 1. - Das Bedürfnis nach einem neuen Paradigma

Der Lebensstandard einer Nation hängt langfristig von ihrer Fähigkeit ab, ein hohes und steigendes Produktivitätsniveau in den Branchen zu erreichen, in denen ihre Firmen konkurrieren. Dies hängt von der Fähigkeit ihrer Firmen ab, eine Verbesserung der Qualität oder eine größere Leistungsfähigkeit zu erzielen. Der Einfluss des Heimatlandes auf das Streben nach Wettbewerbsvorteil in bestimmten Geschäftsbereichen ist für das erreichbare Niveau und die Rate des Produktivitätszuwachses von zentraler Bedeutung.

Einige betrachten nationale Wettbewerbsfähigkeit als ein makroökonomisches Phänomen, angetrieben durch Größen wie Wechselkurse, Zinssätze und Haushaltsdefizite. Aber Nationen haben sich trotz Haushaltsdefizite (Japan, Italien und Korea), starker Währungen (Deutschland und die Schweiz) und hoher Zinssätze (Italien und Korea) schnell steigender Lebensstandards erfreut.

Andere argumentieren damit, dass Wettbewerbsfähigkeit eine Funktion billiger und im Überfluss vorhandener Arbeitskräfte ist. Aber Nationen wie Deutschland, die Schweiz und Schweden waren ökonomisch trotz hoher Löhne und langer Perioden von Arbeitskräftemangel erfolgreich. (...) Die Fähigkeit, trotz hoher Löhne wettbewerbsfähig zu sein, würde wahrscheinlich ein weit wünschenswerteres nationales Ziel repräsentieren.

Ist eine wettbewerbsfähige Nation eine solche, die Arbeitsplätze schaffen kann? Sicher, die Fähigkeit dazu ist wichtig, aber die Art der Arbeitsplätze, nicht nur die Beschäftigung von Bürgern zu niedrigen Löhnen, scheint für das nationale Einkommen bedeutsamer zu sein.

Das hauptsächliche ökonomische Ziel einer Nation besteht darin, einen hohen und steigenden Lebensstandard für ihre Bürger hervorzubringen. Die Fähigkeit dazu hängt von der Produktivität ab, mit der nationale Ressourcen (Arbeit und Kapital) verwendet werden. Produktivität ist der Wert des Produktionsergebnisses, der durch eine Arbeits- oder Kapitaleinheit hervorgebracht wird.

Das einzig bedeutende Konzept der Wettbewerbsfähigkeit auf nationaler Ebene ist die nationale Produktivität. Ein steigender Lebensstandard hängt von der Fähigkeit nationaler Firmen ab, ein hohes Niveau der Produktivität zu erreichen und die Produktivität langfristig zu steigern. (...) Nachhaltiger Produktivitätszuwachs erfordert, dass eine Ökonomie sich kontinuierlich verbessert. Nationale Firmen müssen unermüdlich die Produktivität in existierenden Branchen verbessern - durch die Steigerung der Produktqualität, durch das Hinzufügen reizvoller Ausstattung, durch die Verbesserung der Produkttechnologie oder durch die Förderung der Leistungsfähigkeit in der Produktion. Deutschland zum Beispiel genießt seit vielen Jahrzehnten steigende Produktivität, weil seine Firmen in der Lage waren, zunehmend differenzierte Produkte herzustellen und steigende Niveaus der Automatisierung einzuführen, um das Produktionsergebnis pro Arbeiter voranzutreiben.

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Charles Handy

Quelle: Lawrence M. Fisher, Strategy + Business, 32 (2003), p. 1-10

Herr Handy sieht im Dorf eine Metapher und ein Modell für menschliche Organisationen (...). Diese neue Form des Unternehmens werde größere Zusammenarbeit und Verständnis unter den vielseitigen Bereichen fördern, die sich die Vorteile und Herausforderungen teilen, die aus der Firmenzugehörigkeit resultieren. Sie haben aber getrennte Rollen und verschiedene Interessen und Erwartungen und werden, abhängig von ihren Zielsetzungen und Beiträgen, unterschiedlich belohnt. (S. 1)

"Eine Firma sollte eine soziale Gemeinschaft sein, eine Gemeinschaft, zu der Sie gehören, wie ein Dorf", sagt Herr Handy. "Niemand besitzt ein Dorf. Sie sind ein Mitglied der Gemeinschaft und haben Rechte. Aktionäre werden zu Geldgebern und sie werden ihrem Risiko entsprechend belohnt, aber sie sollen nicht Eigentümer genannt werden. Und Arbeiter werden keine Arbeiter sein, sie werden Bürger sein und sie werden Rechte haben. Und diese Rechte enthalten einen Anteil am Gewinn, den sie erwirtschaftet haben. (S. 1f.)

In The Age of Unreason beschreibt Herr Handy (...) eine "Bundesorganisation", in der Macht und Verantwortung von einer kleinen Unternehmenszentrale auf Geschäftseinheiten und letztendlich auf die Mitarbeiter übergehen, die der praktischen Geschäftsaktivität am nächsten stehen. In Bundesorganisationen, so schreibt Herr Handy, "kommt die Initiative, der Antrieb und die Energie meistens von den einzelnen Unternehmensbereichen, die Zentrale behält einen Einfluss mit relativ geringem Profil (...), im Wesentlichen die Entscheidung, wie man neues Geld ausgibt und wo und wann man die Leute einsetzt." (S. 2)

Darüber hinaus haben die Menschen seit Beginn der Zivilisation in Dörfern gelebt und gearbeitet. Das Unternehmen (...) ist ein junges Konzept, wenig älter als ein Jahrhundert. Man könnte auch argumentieren, dass der Begriff eines lebhaften Dorfes – mit seiner unerschrockenen Humanität – eine angemessenere Sichtweise des Unternehmens im 21. Jahrhundert ist als die beherrschte und anonyme Existenz, die es bisher hatte. (S. 2.)

"Dörfer sind klein und persönlich und ihre Einwohner haben Namen, Charakter und Persönlichkeit. Welches geeignetere Konzept für die Basis zukünftiger Institutionen könnte es geben, als die alte organische soziale Einheit, deren Flexibilität und Stärke die menschliche Gesellschaft über Jahrtausende hinweg getragen hat?" (S. 2)

Organisationen sind keine unbelebten Objekte, sondern vibrierende Mikrokosmen menschlicher Gesellschaften; und diejenigen, die sie leiten und in ihnen arbeiten wollen, müssen die Bedürfnisse und Motive der Individuen, die die Organisation ausmachen, besser verstehen und begreifen, wie ihr kollektives Verhalten das Organisationsverhalten bestimmt. (S. 3)

"Sie hassen, was ich sage. Die Manager hassen es, weil sie die Schwierigkeit erkennen, diese neue Organisationen zu leiten. Die Ökonomen und Aktionäre hassen es, weil sie ihre Macht schwinden sehen, und die Individuen hassen es, weil es gefährlich ist." (S. 4f.)

"Management kann nicht im Klassenzimmer unterrichtet werden." (S. 5)

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Carl von Clausewitz
Vom Kriege (1832)

Quelle: Clausewitz. Strategie denken. Herausgegeben vom Strategieinstitut der Boston Consulting Group, München/Wien 2001. dtv

Der Krieg ist das Gebiet der Ungewissheit; drei Vierteile derjenigen Dinge, worauf das Handeln im Kriege gebaut wird, liegen im Nebel einer mehr oder weniger großen Ungewissheit. (S. 61)

Der Krieg ist das Gebiet des Zufalls. In keiner menschlichen Tätigkeit muss diesem Fremdling ein solcher Spielraum gelassen werden, weil keine so nach allen Seiten hin in beständigem Kontakt mit ihm ist. Er vermehrt die Ungewissheit aller Umstände und stört den Gang der Ereignisse. (S. 61)

Die Ursache ist, weil man diese Erfahrungen nicht alle mit einemmal macht, sondern nach und nach, weil unsere Entschließungen nicht aufhören, davon bestürmt zu werden, und der Geist, wenn wir so sagen dürfen, immer unter den Waffen sein muss.
Soll er nun diesen beständigen Streit mit dem Unerwarteten glücklich bestehen, so sind ihm zwei Eigenschaften unentbehrlich: einmal ein Verstand, der auch in dieser gesteigerten Dunkelheit nicht ohne einige Spuren des inneren Lichts ist, die ihn zur Wahrheit führen, und dann Mut, diesem schwachen Lichte zu folgen. (S. 62)

Hier verlässt also die Tätigkeit des Verstandes das Gebiet der strengen Wissenschaft, der Logik und Mathematik, und wird, im weiten Verstande des Wortes, zur Kunst, d.h. zu der Fertigkeit, aus einer unübersehbaren Menge von Gegenständen und Verhältnissen die wichtigsten und entscheidenden durch den Takt des Urteils herauszufinden. Dieser Takt des Urteils besteht unstreitig mehr oder weniger in einer dunklen Vergleichung aller Größen und Verhältnisse, wodurch die entfernten und unwichtigen schneller beseitigt und die nächsten und wichtigsten schneller herausgefunden werden, als wenn dies auf dem Wege strenger Schlussfolge geschehen sollte. (S. 63)

Die Freiheit und Tätigkeit des Geistes wird im gewöhnlichen Menschen durch die Gefahr und Verantwortlichkeit nicht erhöht, sondern heruntergedrückt; wo aber diese Dinge das Urteil beflügeln und kräftigen, da dürfen wir nicht an seltener Seelengröße zweifeln. (S. 65)

Der Krieg ist das Gebiet der Gefahr, es ist also Mut vor allen Dingen die erste Eigenschaft des Kriegers. (S. 65)

Die Entschlossenheit ist ein Akt des Mutes in dem einzelnen Fall, und wenn sie zum Charakterzug wird, eine Gewohnheit der Seele. (...) Bloßer Verstand ist noch kein Mut, denn wir sehen die gescheitesten Leute oft ohne Entschluss. Der Verstand muss also erst das Gefühl des Mutes erwecken, um von ihm gehalten und getragen zu werden, weil im Drange des Augenblicks Gefühle den Menschen stärker beherrschen als Gedanken. (...)
Es gibt Leute, die den schönsten Blick des Geistes für die schwierigste Aufgabe besitzen, denen es auch nicht an Mut fehlt, vieles auf sich zu nehmen, und die in schwierigen Fällen doch nicht zum Entschluss kommen können. Ihr Mut und ihre Einsicht stehen jedes einzeln, bieten sich nicht die Hand und bringen darum nicht die Entschlossenheit als ein Drittes hervor. Diese entsteht erst durch den Akt des Verstandes, der die Notwendigkeit des Wagens zum Bewusstsein bringt und durch sie den Willen bestimmt. Diese ganz eigentümliche Richtung des Verstandes, die jede andere Scheu im Menschen niederkämpft mit der Scheu vor dem Schwanken und Zaudern, ist es, welche in kräftigen Gemütern die Entschlossenheit ausbildet; darum können Menschen mit wenig Verstand in unserem Sinne nicht entschlossen sein. (S. 67)

Es hat nie einen ausgezeichneten Feldherrn beschränkten Geistes gegeben, und sehr zahlreich sind die Fälle, wo Männer, die in geringeren Stellen mit der höchsten Auszeichnung gedient hatten, in der höchsten unter dem Mittelmäßigen blieben, weil die Fähigkeiten ihres Geistes nicht zureichten. (S. 70)

Das bloße Motiv der Wahrheit ist in dem Menschen nur äußerst schwach, und darum immer ein großer Unterschied zwischen dem Erkennen und Wollen, zwischen dem Wissen und Können. Den stärksten Anlass zum Handeln bekommt der Mensch immer durch Gefühle und den kräftigsten Nachhalt, wenn man uns den Ausdruck gestatten will, durch jene Legierung von Gemüt und Verstand, die wir in der Entschlossenheit, Festigkeit, Standhaftigkeit und Charakterstärke kennen gelernt haben. (S. 71)

Wir sagen also, der Krieg gehört nicht in das Gebiet der Künste und Wissenschaften, sondern in das Gebiet des gesellschaftlichen Lebens. Er ist ein Konflikt großer Interessen, der sich blutig löst, und nur darum ist er von den anderen verschieden. Besser als mit irgendeiner Kunst ließe er sich mit dem Handel vergleichen, der auch ein Konflikt menschlicher Interessen und Tätigkeiten ist, und viel näher steht ihm die Politik, die ihrerseits wieder als eine Art Handel in größerem Maßstabe angesehen werden kann.
Das Wesentliche des Unterschiedes besteht darin, dass der Krieg keine Tätigkeit des Willens ist, die sich gegen einen toten Stoff äußert wie die mechanischen Künste, oder gegen einen lebendigen, aber doch leidenden, sich hingebenden Gegenstand, wie der menschliche Geist und das menschliche Gefühl bei den idealen Künsten, sondern gegen einen lebendigen, reagierenden. Wie wenig auf eine solche Tätigkeit der Gedankenschematismus der Künste und Wissenschaften passt, springt in die Augen, und man begreift zugleich, wie das beständige Suchen und Streben nach Gesetzen, denen ähnlich, welche aus der toten Körperwelt entwickelt werden können, zu beständigen Irrtümern hat führen müssen. (S. 90)

Der Krieg ist ein Akt der Gewalt, und es gibt in der Anwendung derselben keine Grenzen; so gibt jeder dem anderen das Gesetz, es entsteht eine Wechselwirkung, die dem Begriff nach zum Äußersten führen muss. (S. 90f.)

So stimmt sich im Kriege durch den Einfluss unzähliger kleiner Umstände, die auf dem Papier nie gehörig in Betrachtung kommen können, alles herab, und man bleibt weit hinter dem Ziel.
Diese Schwierigkeiten häufen sich und bringen eine Friktion hervor, die sich niemand richtig vorstellt, der den Krieg nicht gesehen hat.
Friktion ist der einzige Begriff, welcher dem ziemlich allgemein entspricht, was den wirklichen Krieg von dem auf dem Papier unterscheidet. (S. 93f.)

... so folgt von selbst, dass die Strategie mit ins Feld ziehen muss, um das Einzelne an Ort und Stelle anzuordnen und für das Ganze die Modifikationen zu treffen, die unaufhörlich erforderlich werden. Sie kann also ihre Hand in keinem Augenblick von dem Werke abziehen. (S. 110)

Ein schneller, kräftiger Übergang zum Angriff – das blitzende Vergeltungsschwert – ist der glänzendste Punkt der Verteidigung; wer ihn sich nicht gleich hinzudenkt, oder vielmehr, wer ihn nicht gleich in den Begriff der Verteidigung aufnimmt, dem wird nimmermehr die Überlegenheit der Verteidigung einleuchten ... (S. 125)

"Die ganze Kriegskunst besteht in einer gut durchdachten und extrem umsichtigen Verteidigung, gefolgt von einem raschen und kühnen Angriff." (Napoleon) (S. 126)

Heinrich von Pierer,
Vorstandsvorsitzender der Siemens AG
"Genug geredet", Interview im Spiegel, 42 (2003)

Ich vermisse Antworten auf die Erfordernisse der Globalisierung. In den Reformplänen der Parteien fehlt derzeit noch eine Wachstumskomponente. (S. 48)

Wir müssen das Thema Innovation endlich in den Mittelpunkt unserer Reform-Anstrengungen rücken. Die Entwicklung in den anderen Staaten verläuft derart rasant, dass wir gezwungen sind, ebenfalls Tempo zu machen. In China verließen vor 15 Jahren nur sehr wenige Ingenieure die Hochschulen. Heute spuckt das System jedes Jahr 300 000 Absolventen aus. Innovation ist das zentrale Thema, wenn wir heute über Wachstum reden. (S. 48)

Der weltweite Wettbewerb dreht sich heute um drei Fragen. Wer ist der Beste? Wer ist unter den Besten der Billigste? Und wer ist der Schnellste? (S. 50)

An Stelle von 2000 deutschen Software-Entwicklern kann ich in China zu gleichen Kosten 12 000 einstellen. Der deutsche Stundensatz von vielleicht 80 Euro wird nahezu von allen Wettbewerbern unterboten. Die Österreicher sind schon 20% unter uns, in Rumänien kostet die Stunde in diesem Bereich weniger als 30 Euro, in China und Indien liegen wir noch mal deutlich drunter. (S. 50)

In China sind 2600 Arbeitsstunden pro Jahr und Mann die Regel. Das könnte und dürfte ich hier zu Lande, außer dem Vorstandsvorsitzenden, niemandem zumuten. Bei uns sind 1500 Stunden die Regel. Das allerdings ist zu wenig. Unsere 35-Stunden-Woche ist die reinste Vergeudung von Wissen. (S. 50)

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Karl E. Weick
Sinn und Verlässlichkeit
Interview in der Harvard Business Review
(April 2003)

Der entscheidende Unterschied zwischen HROs (High Reliability Organizations = Organisationen mit hoher Zuverlässigkeit, z.B. Atomkraftwerke, G.B.) und anderen Organisationen besteht in der Empfindlichkeit oder Achtsamkeit, mit der die Leute in den meisten HROs sogar auf sehr schwache Signale reagieren, dass irgendeine Art von Veränderung oder Gefahr in Anmarsch ist. (S. 86)

Manager in diesen Organisationen halten ihre Aufmerksamkeit auf die Front gerichtet, wo die Arbeit wirklich gemacht wird. (...)
Wie ich oft geschrieben habe, müssen sich Führungskräfte verkomplizieren, damit ihre Organisationen mit den Realitäten der Geschäftswelt in Kontakt bleiben. Wenn Führungskräfte sagen "Keep it simple, stupid", ist meine Sorge, dass sie die Komplexität ihrer eigenen Organisationen und ihrer Umgebungen unterschätzen. Im Gegensatz zu der Art, wie wir oft über sie denken, sind Organisationen keineswegs passiv; sie sind extrem aktiv, und zur Hälfte schaffen sie selbst ihre Umwelt. (S. 86f.)

...ich versuche mitzuteilen, dass wir nur das sehen, was wir zu sehen vorbereitet sind. (S. 87)

...je größer das Repertoire an Reaktionen ist, die sie in Ihrem Team haben, desto mehr können Sie tun. Und letztlich: Je mehr Sie bereit sind, sich mit der Realität auseinander zu setzen, desto mehr können sie deren Komplexität anerkennen. (S. 87)

...wenige Fehler können auf ein einziges Individuum zurückgeführt werden. (S. 87)

Es gibt eine interessante Geschichte, die einer meiner Kollegen über den Wissenschaftler Wernher von Braun erzählt. Als eine Redstone-Rakete während einer Testphase außer Kontrolle geriet, schickte von Braun eine Flasche Champagner an einen Ingenieur, der zugab, dass er unbeabsichtigt beim Flugkörper einen Kurzschluss ausgelöst haben könnte. Eine Untersuchung ergab, dass der Ingenieur Recht hatte, was bedeutete, dass eine teure Überarbeitung vermieden werden konnte. Heute bekommen Sie nicht viele solcher Geständnisse in Organisationen zu hören. Aber man braucht nur eine Geschichte wie diese, die einem Individuum in einer Firma den Mut gibt und es sagen lässt: "Heh, diese Leute meinen es ernst damit, sich Fehlern zu stellen, also ergreife ich die Chance und mache den Mund auf." (S. 87)

Leute, die Geisteswissenschaften studieren, werden tendenziell einer größeren Bandbreite und einem größeren Reichtum von Werten ausgesetzt, als man normalerweise in speziellen Berufsschulen bekommt. (S. 88)

Grundsätzlich tritt eine cosmology episode dann ein, wenn Menschen plötzlich fühlen, dass das Universum kein rationales, ordentliches System mehr ist. Was eine derartige Episode so niederschmetternd macht, das ist, dass die Menschen darunter leiden und gleichzeitig die Mittel verlieren, sich davon zu erholen. Insofern bedeutet eine cosmology episode das Gegenteil einer Déjà-vu-Erfahrung. Beim Déjà vu fühlt sich alles plötzlich vertraut an, erkennbar. Im Gegensatz dazu erscheint in einer cosmology episode alles seltsam. Man fühlt sich, als wäre man noch nie an diesem Ort gewesen, hat keine Ahnung, wo man ist und keine Ahnung, wer einem helfen kann. Es folgt ein unabwendbarer Zustand von Panik, und das Individuum wird immer ängstlicher, bis es zu dem Schluss kommt, dass es fast unmöglich ist, einen Sinn aus dem zu machen, was ihm zustößt. Die ständige Überlagerung und Abschaffung und Neukombination und Wechselhaftigkeit von Zuständigkeiten und Chefs hat über die Jahre hinweg intensive cosmology episodes für viele Geschäftsleute geschaffen. Sogar Top-Führungskräfte sind unsicher, für wen sie arbeiten und warum. Wenn Sie das mit noch mehr Globalisierung und Hochgeschwindigkeits-Wechsel in der Umgebung zusammendenken, dann kann es nicht überraschen, dass scheinbar niemand mehr einen festen Sinn dafür besitzt, wer er wirklich ist. Viele haben sogar Probleme, ihre Position auf einem Organigramm anzugeben. (...) Wenn Manager jene Aufmerksamkeit für schwache Signale besitzen, wie man sie bei HROs beobachten kann, dann finden sie darin eine Hilfe, diese spezielle psychologische Krise zu vermeiden. (S. 88) Ich habe wiederholt beobachtet, dass Leute, die während solcher Krisen in Schwierigkeiten geraten, genau die sind, die alles durchdenken wollen, bevor sie handeln. Das Problem mit diesem Definieren und Verfeinern Ihrer Hypothesen ohne einen Realitätstest besteht darin, dass die Welt sich weiterhin verändert und Ihre Analysen immer weiter hinter den aktuellen Zustand zurückfallen. Deshalb sollten Sie Ihr Denken permanent erneuern, während Sie herumsitzen und reflektieren. Und deshalb bin ich ein großer Befürworter dessen, was ich Sensemaking nenne. Es gibt viele Definitionen für das Sensemaking; für mich ist das eine Verwandlung unbearbeiteter Erfahrung in eine verständliche Weltanschauung. ... Sensemaking fördert mannigfaltige, widersprüchliche Interpretationen, die alle plausibel sind. Wenn sich eine Organisation nicht sicher ist, wohin sie geht oder gar, woher sie kommt, dann sollte sie sich einer Menge unterschiedlicher Interpretationen weit öffnen, die alle zu Handlungsmöglichkeiten führen können. Das Handeln und die daraus folgenden Konsequenzen verleihen der Liste von Interpretationen eine Größe, die man managen kann. Und das ist der Punkt, den ich hervorheben möchte: Ein durch Reflexion gemäßigtes Handeln ist die entscheidende Komponente für die Erholung von cosmology episodes. Sobald Sie anfangen zu handeln, können Sie Ihren Interpretationen Solidität geben und sie überarbeiten. Aber es ist die Handlung selbst, die Sie wieder in Bewegung setzt. (S. 88)

... wenn Sie verwirrt sind, kann Ihnen fast jeder veraltete strategische Plan bei der Entdeckung helfen, was vor sich geht und was als Nächstes zu tun ist. Speziell in Krisen müssen Führungskräfte handeln, um zu denken - und nicht umgekehrt. (S. 88)

Es ist eine der größten Grausamkeiten in heutigen Organisationen, dass sie ihre Führungskräfte an Standards der Rationalität, Klarheit und Voraussicht messen, die unerreichbar sind. (...) Aber wenn Sie heutigen Führungskräften klar zu machen versuchen, dass sie nicht ganz so rational, überlegt und zielorientiert sind wie sie behaupten - und dass das o.k. ist, weil Menschen so sind - dann denke ich, dass die meisten das nicht verstehen werden. Sie haben den Druck, perfekt zu sein, verinnerlicht. (S. 89)

Im Business erzählen wir uns Geschichten, um mehr zu wissen und besser zu konkurrieren. (...) Die Menschen brauchen nicht viel, um sich zu bewegen - nur einen kleinen Kern einer Bedeutung. Selbst wenn die Firma in einer ziemlich ernsten Situation ist, wird jemand in der Lage sein, diesen winzigen Bedeutungskern zu benutzen, um ihre Interpretationen in Handlung umzusetzen. (S. 89)

In allen Organisationen werden die kräftigsten Geschichten durch informellen Klatsch geschaffen und verbreitet. Tatsächlich glaube ich nicht, dass es einen fundamentalen Unterschied zwischen Klatsch und dem Erzählen von Geschichten gibt. Der Klatsch dient dazu, unterschiedliche Geschichten zu proben, bevor sie formalisiert werden und sich in der gesamten Organisation ausbreiten. Er hilft den Arbeitnehmern, Informationen zu bearbeiten, die es auf anderem Weg vielleicht nicht schaffen, Teil der "offiziellen" Geschichte zu werden. Weil Klatsch gleichzeitig zum größten Teil aus Übertreibungen und Prahlereien besteht, kann er dazu beitragen, die Organisation auf das Unerwartete vorzubereiten und auf diese Weise zum Vorspiel für Sensemaking und Handeln werden. (S. 89)

Ja: Normalerweise bedränge ich Führungskräfte ihren Hang zu bekämpfen, alles planen zu wollen. Die meisten Pläne sind zu spezifisch und die Details schaffen die Illusion, dass der Plan alles enthält, was vor sich geht und deshalb vertrauenswürdig ist. Wenn Sie einen Plan haben, dann folgt daraus die Neigung, nicht nach Dingen zu suchen, die ihn widerlegen. Pläne sind insofern das Gegenteil von Klatsch, als sie uns in die Falle locken, das Unerwartete zu überblicken. Sie überreden uns auch zu dem Glauben, dass wir mehr wissen, als der Fall ist. Das Schlimmste an Plänen ist, dass sie die Tendenz steigern, die Handlung hinauszuzögern, wenn etwas Unerwartetes passiert. Während die Leute herumstehen und sich fragen: "Was wurde von mir in dieser Art Notfall verlangt?" handeln sie nicht. (S. 89)

Pläne sind Signale, Spiele, Vorwände zum interaktiven Handeln; sie taugen nicht für das Mikromanagement des Unvorhersehbaren. (S. 90)

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John P. Kotter, Überzeugen und Durchsetzen. Macht und Einfluss in Organisationen, Frankfurt a.M. 1987. Campus Verlag. Übersetzung: Ursula Bischoff. (Original-Titel: John P. Kotter, "Power and Influence", New York 1985)

Individualität und Abhängigkeit führen nicht zwangsläufig zu Krisensituationen. Ganz im Gegenteil: Diese Art von sozialem Umfeld kann sich günstig auf die Entscheidungsfindung, Problemlösungsprozesse und die Innovation von Produkten und Dienstleistungen auswirken, wenn man gelernt hat, geschickt und verantwortungsbewusst damit umzugehen. (S. 47)

In Unternehmen, die branchenführend sind oder die Entwicklung neuer Industrien entscheidend beeinflusst haben, wird das Ausmaß von Individualität, Abhängigkeit und Konflikten oft vorsätzlich groß gehalten. Das Management schafft bewusst scheinbar unklare Organisationsstrukturen und zwingt die verschiedenen Unternehmensbereiche, aufeinander einzuwirken. Ihm ist durchaus klar, dass dadurch Konflikte entstehen, die noch mehr Probleme und Herausforderungen mit sich bringen. Aber es hat auch erkannt, dass konstruktive Konfliktlösungen dazu beitragen, eigenständig zu denken, kreativ Probleme zu lösen und Produkte und Dienstleistungen erheblich zu verbessern. Und es weiß, dass das Unternehmen dadurch wettbewerbsfähiger, flexibler und anpassungsfähiger wird. (S. 48)

Alle großen Konzerne, mit denen ich zusammengearbeitet habe - wie IBM und General Electric - haben diese Tatsachen zur Kenntnis genommen. Sie verzichten darauf, eine weitgehend homogene Gruppe von Mitarbeitern einzustellen und ihnen relativ autonome Positionen in einer hierarchischen Unternehmensstruktur anzubieten. Diese Methode mag recht verlockend sein, wenn man bedenkt, wie frustrierend der Versuch sein kann, die soziale Komplexität in den Griff zu bekommen. Stattdessen akzeptieren sie die Tatsache, dass ein gewisses Maß an sozialer Komplexität und Konflikten unvermeidlich ist und versuchen, die damit verbundenen Prozesse zu steuern. Gelingt ihnen das, bringt der Konfliktlösungsprozess die Beteiligten einander näher. Unnötige Kontroversen und destruktive Machtkämpfe werden vermieden. Das reduziert wiederum das Konfliktpotential und erleichtert den Umgang mit der sozialen Komplexität. (S. 49)

Den wohl gebräuchlichsten Weg, den effektive Führungskräfte und Fachleute gehen, ist die Entwicklung zwischenmenschlicher Beziehungen. Das heißt, dass man sich bemüht, ein gutes Verhältnis zu den anderen Beteiligten aufzubauen, das dazu beiträgt, Kommunikation, Unterweisung oder Verhandlungen zu erleichtern, Widerstände weitgehend abzubauen oder von vornherein auszuschalten. (S. 85)

Aber es kann vorkommen, dass der Umfang des Beziehungsnetzwerkes und die Unterschiede zwischen den Beteiligten so groß sind, dass es praktisch unmöglich ist, die Situation zu steuern.
Dann bleibt nur noch eine Lösung: Man muss die Zahl der lateralen Beziehungen oder die Individualität im Unternehmen verringern. Das bedeutet, dass man große, hoch spezialisierte, nach Funktionen gegliederte Arbeitsgruppen verkleinert und ihnen größeren Freiraum und mehr Autonomie gibt. Viele renommierte amerikanische Unternehmen haben dies bereits versucht. Sie nennen diesen Veränderungsprozess "Dezentralisierung" oder "Divisionalisierung". (S. 92f.)

In Wirklichkeit lassen sich Beziehungen zu Mitarbeitern genauso schwer gestalten wie das Verhältnis zu Beteiligten, die außerhalb der Kontrollspanne stehen. (S. 94)

Die wohl gebräuchlichste Form der indirekten Beeinflussung sind regelmäßig stattfindende Meetings. Durch eine geschickte Wahl der Teilnehmer, des Ortes, der Zeit und der Tagesordnung kann man den Verlauf der Diskussion beeinflussen. In gewissem Maß benutzt jede Führungskraft ein Meeting zu diesem Zweck, weil sie mit indirekten Methoden ihre Abhängigkeit von ihren Mitarbeitern besser kompensieren kann als mit direkten. (S. 109)

Mit Informationen kann ein Vorgesetzter seine Mitarbeiter überzeugen, dass ein bestimmter Aktionskurs erforderlich ist, um spezifische Ziele zu erreichen, oder dass ein Ziel erstrebenswert oder eine Einstellung die "richtige" ist. Einflussreiche Chefs sind in dieser Hinsicht äußerst geschickt. Sie wissen, wie man Fakten und Schlussfolgerungen sammelt, manipuliert, präsentiert und damit die beabsichtigte Wirkung erzielt. (S. 110)

Symbolische Methoden erfordern ganz andere Fähigkeiten. Sie sprechen mehr das Gefühl als den gesunden Menschenverstand an. Führungskräfte, die verstehen, sich dieser Methoden zu bedienen, spüren im Voraus, wie andere auf bestimmte Worte, Bilder, Ereignisse und Umgebungen reagieren. Die wohl am meisten verbreitete symbolische Methode, die von erfolgreichen Führungskräften eingesetzt wird, ist das "Rollenmodell". Das heißt, sie benutzen ihr eigenes Verhalten, ihr Auftreten und ihren Terminplan, um anderen anzudeuten, was sie von ihnen erwarten. (S. 110)

Je geringer die kurzfristigen Risiken für die Leistung und das Überleben eines Unternehmens, wenn die geplanten Veränderungen nicht realisierbar sind, desto schneller und konsequenter muss man sich für eine bestimmte Strategie entscheiden. (S. 111)

Ein Chef, der an vielen Entscheidungen beteiligt werden will, wird sich so oder so beteiligen. Deshalb ist es von Vorteil, wenn Sie die Initiative ergreifen und der- oder diejenige sind, der ihn in alles, was für ihn von Interesse ist, mit einbezieht. Andere Vorgesetzte delegieren lieber; sie möchten sich nicht um alles kümmern müssen. Sie erwarten, dass ihre Mitarbeiter nur dann zu ihnen kommen, wenn es größere Probleme oder wichtige Änderungen gibt, über die sie informiert sein sollten. (S. 128)

Die meisten fähigen jungen Führungskräfte halten Einkommen und Beförderung für die wichtigsten Kriterien, nach denen sich der berufliche Erfolg, zumindest auf kurze Sicht, messen lässt. Für sie gilt eine einfache Faustregel: Je mehr Gehaltserhöhungen und Beförderungen, desto besser. Diese Einstellung bewirkt, dass sie der Entwicklung positiver Beziehungen, dem Ausbau ihres Wissensstandes, ihrer Erfolge, Fähigkeiten und beruflichen Reputation zu wenig Aufmerksamkeit schenken. Folglich versäumen sie es, sich systematisch die Machtgrundlage zu schaffen, die sie brauchen, oder sie schwächen sie unbeabsichtigt. (S. 154)

...das Machtdefizit wächst mit dem beruflichen Aufstieg, und gerade im Topmanagement sind die Probleme, die sich durch das komplexe und durch wechselseitige Abhängigkeitsverhältnisse gekennzeichnete Umfeld ergeben, immens groß. Es ist eine Ironie des Schicksals, dass "Erfolg" das Privileg impliziert, sich mit den schwierigsten Problemen auseinandersetzen zu dürfen - und das in einem Umfeld, in dem man durch Fehler nicht nur sich selbst, sondern auch zahllosen anderen Menschen schadet. (S. 165f.)

Die Zeiten, wo ein Chef sagen konnte: "Spring!" und der Mitarbeiter antwortete: "Wie hoch?" sind längst vorbei. Unsere Arbeit macht uns von anderen Abteilungen oder Geschäftsbereichen abhängig. Wir sind auf Hilfe, Unterstützung oder eine bestimmte Form der Zusammenarbeit angewiesen. Wir haben Verpflichtungen gegenüber Gruppierungen außerhalb des Unternehmens - wichtigen Kunden, Lieferanten, Behörden, Gewerkschaften, usw. - deren Interessen oft im Widerspruch zueinander stehen. Selbst auf unteren Unternehmensebenen gibt es häufig Positionen, die eine gewisse Führungsstärke verlangen. Angehörige der so genannten mittleren und unteren Managementebene sind zwar von einer geringeren Anzahl von Menschen und unterschiedlichen Gruppen abhängig als Spitzenführungskräfte, aber sie haben auch weniger Macht, um mit diesen Abhängigkeiten fertig zu werden. Auch sie leiden unter einem Machtdefizit, und Führungsstärke ist gerade hier erforderlich. (S. 198)

Den Psychologen ist seit langem bekannt, dass Kränkungen in der Kindheit durch mächtige Bezugspersonen zu ambivalenten Gefühlen gegenüber Themen wie Autorität, Macht und Beeinflussung führen können. Diese Gefühle können sich zu der Einstellung verfestigen, dass "Macht korrumpiert", dass man "den Mächtigen nicht trauen darf" und dass "Menschen, die nach Macht streben, andere nur ausbeuten wollen": Oder genau das Gegenteil tritt ein: Viele Menschen sind zu der Überzeugung gelangt, dass nur die Macht zählt, dass diejenigen, die keine Macht besitzen, extrem verletzlich sind, und dass deshalb das Leben ein einziger Machtkampf ist. (S. 214)

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Charles Handy, Management-Stile, Hamburg 1988, McGraw-Hill Book Company GmbH. Übersetzung: Christian Zilm und Claudia Ade Titel der Originalausgabe: Gods of Management. The changing work of organisations (1985)

Die Clubkultur (Zeus)

Der Schutzgott ist Zeus. Die Griechen erwählten oder schufen ihre Götter, um bestimmte Charakterzüge der Welt, wie sie sie sahen, darzustellen. Zeus war der König der Götter, der auf dem Olymp entweder mit dem Blitz (wenn er verärgert war) oder mit einem Regen von Gold (wenn er verführte) regierte. Er wurde gefürchtet, respektiert und gelegentlich sogar geliebt. Er verkörperte die patriarchalische Tradition, vernunftlose, aber oft wohlwollende Macht, Spontaneität und Charisma. (S. 23)

(Anmerkung: Zeus findet sich häufig in Kleinbetrieben, Maklerfirmen, Investmentbanken, Start-ups, politischen Gruppierungen; Symbol: Spinnennetz)

Die Clubkultur eignet sich hervorragend für schnelle Entschlüsse. Jede Situation, bei der Schnelligkeit von lebenswichtiger Bedeutung ist, wird von diesem Führungsstil begünstigt. Natürlich ist Schnelligkeit keine Garantie für Qualität. Diese hängt vom Format des Zeus und seines inneren Kreises ab - ein inkompetenter, alternder oder desinteressierter Zeus wird schnell sein eigenes Netz beschädigen und langsam zerstören. Auswahl und Nachfolge werden daher zu Recht als kritische Größen in diesem Unternehmen angesehen, und man verwendet viel Zeit und Mühe auf sie. (S. 23)

Die Clubkultur kann grausam sein, wenn man mit seinem Einfühlungsvermögen falsch liegt. Aber Einfühlungsvermögen benötigt keine Aktennotizen, Komitees oder offiziellen Befugnisse. Clubkulturen verfügen tatsächlich über wenig Unterlagen. Zeus schreibt nicht, er spricht, wenn möglich, von Angesicht zu Angesicht; wenn das nicht geht, telefoniert er. Manch erfolgreicher Zeus konnte nicht lesen und oft nicht einmal rechnen. Das Einfühlungsvermögen hängt vielmehr von Verbundenheit und Vertrauen ab. (s. 24)

Diese Kulturen sind dann also Clubs von gleich gesinnten Menschen, eingeführt von Gleichgesinnten, die ihrerseits aufgrund ihres Einfühlungsvermögens mehr auf persönlichen Kontakt als auf förmliche Beziehungen Wert legen. Sie sind strenge Clubs, denn sobald man erkennt, dass Einfühlungsvermögen oder Vertrauen unangebracht ist, muss der Betreffende gehen. Schwache Clubs würden nicht überleben, weil sie entweder andere Kommunikationsmethoden verwenden müssten (und somit an Geschwindigkeit verlören) oder zu viele Fehler riskierten. (S. 25) Die Führung einer Clubkultur ist billig. Vertrauen ist billiger als Kontrollverfahren, und Einfühlungsvermögen kostet keinen Pfennig. Das Geld wird dahin geleitet, wo es benötigt wird, zu den Menschen und an die Förderung des persönlichen Kontakts; die Telefon- und Reiserechnungen sind in dieser Kultur sehr hoch, denn Zeus wird niemals schreiben, wenn er reden kann. In Situationen, in denen Schnelligkeit mehr zählt als genaue Details oder in denen die Kosten einer Verzögerung höher sind als die Kosten eines Fehlers (der oft durch einen nachfolgenden Abschluss berichtigt werden kann), ist dies eine leistungsfähige Kultur. Für die Menschen, die für sie arbeiten, sind es gute Kulturen - vorausgesetzt, man gehört dem Club an -, weil sie den Einzelnen schätzen, ihm freie Hand lassen und seine Anstrengungen belohnen. (S. 25)

Die Rollenkultur (Apollo); Symbol: der Tempel

Es ist eine Kultur, die von der Definition der Rolle oder der Arbeit, die auszuführen ist, ausgeht und nicht von Personen. Apollo ist ihr Schutzgott, denn Apollo ist der Gott der Ordnung und Regeln. Diese Kultur geht davon aus, dass der Mensch vernunftbegabt ist und dass man alles auf logische Weise analysieren kann und sollte. Die Aufgaben eines Unternehmens können also Feld für Feld unterteilt werden, bis man ein Ablaufdiagramm der Arbeitsstruktur mit einem System von vorgeschriebenen Rollen erhält (genau festgelegt durch so genannte "Arbeitsbeschreibungen"), zusammengehalten von einer ganzen Reihe von Regeln und Vorschriften (wie etwa Handbüchern, Etats, Informationssystemen etc.) (S. 27)

Der Apollo-Stil ist ausgezeichnet, wenn man davon ausgehen kann, dass morgen alles so sein wird wie gestern. Das Gestern kann dann untersucht, verworfen und in Form von besseren Regeln und Vorschriften für das Morgen neu entworfen werden. Stabilität und Vorhersagbarkeit werden vorausgesetzt und ermutigt. (…) Daher ist es, wenn die Voraussetzungen für Stabilität gegeben sind, sinnvoll, die Arbeitsweise festzulegen, so dass sie einem (…) vorhersagbaren Muster folgt. (S. 27)

Der Einzelne ist daher in der Rollenkultur ein Teil der Maschinerie, das auswechselbare menschliche Teil in Henry Fords Traum. (S. 28)

Wie angenehm es doch sein kann, genau zu wissen, was von einem verlangt wird. Wie entspannend ist es manchmal, anonym zu bleiben; wie erfreulich, nicht immer die Initiative ergreifen zu müssen und das gesamte kreative Potenzial für das Privatleben, für die Gemeinschaft oder für den Sportplatz aufzusparen. Die Apollokultur ist psychologisch und normalerweise auch vertraglich sicher. Apollo war im alten Griechenland ein freundlicher Gott, der Beschützer der Kinder und Schafe, ebenso wie der Ordnung. (S. 28)

Man kann verstehen, dass Unternehmen, die eine lange Geschichte ununterbrochenen Erfolgs mit einem Produkt, einer Dienstleistung oder einer Tradition nachweisen können, denken, dass alles so weitergehen wird wie bisher. Wenn das so ist, wird man umso leistungsfähiger sein, je mehr man rationalisiert, kodifiziert und standardisiert. Wenn man jeden Tag die gleiche Speisekarte zum Frühstück, Mittagessen und Abendessen anbietet, wird das Verpflegungssystem zu Hause in höchstem Maße vereinfacht, die Kosten für Arbeit und Material werden verringert und der Verwaltungsaufwand ist minimal. (S. 29)

Die Apollo-Kultur ist leistungsfähig, wenn das Leben vorhersagbar ist. Ihr ist die Kehrseite, Veränderung, verhasst. Auf eine Veränderung in ihrer Umgebung wird sie zunächst mit Nichtbeachtung reagieren und dann damit, dass sie in verstärktem Maße das tut, was sie schon immer getan hat. In dieser Kultur neigt man zu Standardreaktionen. Steigen die Kosten, erhöht man die Preise oder die Gebühren. Wenn die Verkaufszahlen sinken, verkauft man mit aller Kraft. Wird der Rückstand in der Verwaltung zu groß, macht man mehr Überstunden. (…) Funktionieren diese Maßnahmen nicht, bricht das Management zusammen, der gesamte Tempel stürzt durch Fusion, Bankrott oder durch Umorganisation aufgrund von Unternehmensberatung ein. (S. 30)

Die Aufgabenkultur (Athene)

Diese Kultur vertritt einen ganz unterschiedlichen Ansatz in Bezug auf das Management. Für sie ist das Management im Grunde mit der andauernden und erfolgreichen Lösung von Problemen beschäftigt. Zuerst muss man das Problem erkennen, dann seiner Lösung die passenden Ressourcen zuordnen, der daraus entstehenden Gruppe von Menschen, Maschinen und Geld das Startzeichen geben und auf die Lösung warten. Man beurteilt die Leistung anhand von Ergebnissen und der gelösten Probleme. (S.33) Das Zeichen für diese Kultur ist ein Netz, weil sie ihre Ressourcen aus den verschiedensten Bereichen des Unternehmens zieht, um sie auf einen bestimmten Knoten oder ein bestimmtes Problem zu konzentrieren. Die Macht liegt in den Zwischenräumen des Netzes, nicht an der Spitze wie in der Apollo-Kultur, oder im Mittelpunkt wie in Zeus-Unternehmen. Das Unternehmen ist ein Netzwerk von locker verknüpften Kommandoeinheiten, wobei jede Einheit weitgehend selbstständig bleibt, jedoch eine spezifische Verantwortung innerhalb einer Gesamtstrategie trägt. (S.33) Der Gott dieser Kultur ist eine junge Frau, Athene, die Kriegsgöttin, Schutzherrin des Odysseus, dieses listigen Problemlösers, der Handwerksleute und seefahrenden Entdecker. Die Kultur erkennt einzig und allein den Sachverstand als Grundlage für Macht und Einfluss an. Keine Rolle dagegen spielen das Alter, die Anzahl der Dienstjahre oder enge verwandtschaftliche Beziehungen zum Eigentümer. Um seiner Gruppe dienlich zu sein, braucht man Talent, Kreativität, ein unvoreingenommenes Herangehen und unverbrauchte Intuition. Es ist eine Kultur, in der die Jugend blüht und Kreativität hoch im Kurs steht. (S. 33f)

Man spricht von Teams, wo eine Rollenkultur Komitees hat. (S. 34)

Beratungsbüros, Forschungs- und Entwicklungsabteilungen, Werbeagenturen (…) sind alle einmalige Fabriken zur Lösung von Problemen. Aber bringt man eine Aufgabenkultur in eine sich dauernd wiederholende Situation, gibt es wieder Schwierigkeiten. Abwechslung, nicht Vorhersagbarkeit, ist die Hefe dieser Art des Managements. (S. 35)

Aufgabenkulturen sind teuer. Dort arbeiten Fachleute, die ihren Marktpreis kennen. Sie sprechen viel miteinander, und Sprechen kostet Geld. Probleme werden nicht immer beim ersten Mal gelöst, daher besteht die Notwendigkeit zum Experimentieren, und Fehler sind unvermeidbar. Fehler kosten Geld, selbst wenn sie zügig korrigiert werden. Daher neigt eine teure Aufgabenkultur dazu, in Zeiten der Expansion zu florieren, wenn die Erzeugnisse, Technologien oder Dienstleistungen neu sind, oder wenn es eine Art von Kartellabkommen gibt, das für ein Preisminimum sorgt. In Zeiten der Expansion kann man mit hohen Preisen durchkommen - es ist mehr als genug Kuchen für alle da. Ebenso schaffen neue Technologien oder Produkte für eine gewisse Zeit eine Art Monopolstellung, die solange anhält, bis die Technologie eingeführt ist oder Konkurrenten auftauchen. Während dieser Monopolsituation können die Kosten oder die Aufgabenstruktur durch höhere Gebühren und Preise gedeckt werden. (S. 35f.) Kommen jedoch harte Zeiten oder das Ende des Experimentierens oder wird es notwendig, dauerhafte oder routinemäßige Lösungen zu finden, dann wird die Aufgabenkultur übermäßig teuer. Diese Kultur ist nichts für einen eingependelten Zustand. (…) Daher ist eine Aufgabenkultur oft kurzlebig. Wenn sie zu erfolgreich ist, wächst sie, und um ihre Arbeitsweise zu bezahlen, nimmt sie Routinearbeit oder Arbeit zur Aufrechterhaltung des Betriebes an - was eine apollinische Kultur erfordert. (…) In schweren Zeiten taucht in der Regel dann ein Zeus auf, der die Krise bewältigen kann. (S. 36)

Die existenzielle Kultur (Dionysos)

Dionysos, Gott des Weines und des Gesanges, herrscht über diese Kultur, weil, wenn überhaupt, er es ist, der den Existenzialismus unter den Göttern repräsentiert. Der Existenzialismus geht von der Annahme aus, dass die Welt nicht Teil einer höheren Absicht ist; wir sind nicht einfach die Instrumente irgendeines Gottes. Obwohl die Tatsache, dass wir überhaupt existieren, ein Zufall ist, sind doch wir allein, wenn überhaupt jemand, für uns und die Welt verantwortlich. Wir sind für unser eigenes Schicksal verantwortlich. Dies ist kein Rezept für hemmungslose Selbstsucht, denn Kants kategorischer Imperativ besagt, dass alles, was wir für uns selbst wollen oder wünschen, auf den Rest der Menschheit gleichermaßen anwendbar sein muss. Wein, Weib, Gesang kommen nicht zustande, wenn nicht jemand den Wein produziert, und dieser Mensch muss uns potenziell mit einschließen. (S. 39) Die Auswirkungen von existenziellem Denken auf ein Unternehmen sind groß. In den anderen drei Kulturen ist der Einzelne dem Unternehmen untergeordnet; die Art und Weise der Beziehung mag unterschiedlich sein, aber der Einzelne ist da, um dem Unternehmen beim Erreichen seines Ziels zu helfen, und wird dafür vom Unternehmen auf die eine oder andere Art bezahlt. In dieser vierten Kultur, der existenziellen, besteht ein Unternehmen, um dem Einzelnen dabei zu helfen, sein Ziel zu erreichen. (S. 39) (Anmerkung: Gemeinschaftspraxen von Ärzten oder Rechtsanwälten, Architekten, Künstlervereinigungen.) Sie nennen eine gemeinsame Kultur ihr Eigen, die für ihre Mitglieder besteht. Ihr Zeichen ist das einer Gruppe von individuellen Sternen, die in einem Kreis lose angeordnet sind. Aber das Bild ändert sich nicht grundlegend, wenn ein Stern oder auch zwei fehlen. Die Sterne sind nicht voneinander abhängig. (S. 39f.) Die existenzielle Kultur ist dort sehr gut geeignet, wo das Talent oder die Begabung des Einzelnen das Hauptvermögen des Unternehmens darstellt. (S. 40) Diese Kultur wird von Professionellen bevorzugt. Sie können ihre eigene Identität und Freiheit bewahren und fühlen sich nicht als Eigentum von irgendjemandem. Und doch können sie Teil eines Unternehmens sein, mit den Kollegen, der Unterstützung, der zusätzlichen Flexibilität und sogar der Verhandlungskraft, die eine Gemeinschaft mit sich bringt. (S. 40) Dionysier erkennen keinen "Chef" an, obwohl sie eine Koordination zu ihrem eigenen langfristigen Vorteil akzeptieren. In ihren Unternehmen ist das Management eine lästige Angelegenheit, etwas das man machen muss wie den Haushalt. Und genau wie die Hausfrau, so hat auch der Manager nur ein geringes Ansehen: Ein Verwalter unter lauter Primadonnen steht im Ansehen ganz unten. (S. 40)

...es gibt keine Sanktionen, die man auf sie anwenden kann. Entlassung, Geld, Vergünstigungen oder Bestrafung, dies alles fällt nicht mehr in den Zuständigkeitsbereich des Vorsitzenden. Selbst Entscheidungen über Beförderung oder Auswahl werden in der Regel von Gruppen Gleichgestellter getroffen. (S. 40)
Professionelle empfangen ungern Befehle, füllen ungern Formulare aus und schließen ungern Kompromisse in Bezug auf ihre eigenen Pläne. Jeder Lehrer ist gern der ungestörte König in seinem Klassenzimmer, genauso wie jeder Arzt der Halbgott in Weiß in seinem Behandlungszimmer ist. Man tritt nur auf Aufforderung hin ein, kritisiert auf Verlangen, befiehlt mit Zustimmung. Denn dionysische Unternehmen sind die Unternehmen der Zustimmung, wo der Manager mit Zustimmung der Regierten herrscht und nicht mit der delegierten Autorität der Eigentümer. Dies mag Demokratie sein, aber es ist sehr schwierig und ermüdend, sie zu praktizieren. (S. 41)

In der Tat verursacht die dionysische Kultur bei jedem herkömmlichen Unternehmen oder Manager Gefühle des Schauderns - eben wegen des fehlenden Kontrollauftrags. Wo man nur mit Zustimmung führen kann, hat jeder Einzelne das Vetorecht, so dass jede koordinierte Anstrengung endlose Verhandlungen mit sich bringt. Nur da, wo jeder Einzelne seine Sache tun kann und tatsächlich völlig ohne das Unternehmen arbeiten könnte, gibt es weniger Probleme. (S. 41)

Die Unternehmen stellen jedoch das Gemeinwohl über die Bedürfnisse des Einzelnen. Damit tendieren sie dazu, Dionysier in Athener, die existenzielle Kultur in die Aufgabenkultur umzuwandeln. (S. 41f.)

Es gibt eine immer größer werdende Gruppe "neuer Professioneller" - Menschen, die sich selbst nach ihrem Handwerk definieren; nicht nur Ärzte und Anwälte, sondern nun auch der "Systemanalytiker", "Forscher", "Public Relations-Berater" und der "Berater". Diese Menschen sehen sich als unabhängige Professionelle, die ihre Begabung vorübergehend einem Unternehmen zur Verfügung gestellt haben. Oft sind sie jung, in der Regel sehr begabt und verfügen über ein Gehalt und ein Ansehen, das dem freien Markt entspricht. Sie verhalten sich wie Dionysier und solange sie talentiert sind, können sie damit durchkommen, denn das Unternehmen braucht sie dringend genug, um sie nur mit ihrer Zustimmung zu führen. Daher bekommen die Spezialistenteams und alle Forschungs- und Entwicklungsarbeiten in zunehmendem Maße einen existenziellen Beigeschmack. (S. 42)

Die Ironie des Erfolgs liegt oft in der Tatsache, dass die Methoden, die den Erfolg brachten, nicht auch am besten dazu geeignet sind, ihn zu erhalten. Der Truppenführer, der Schlachten gewann, war oft der falsche Mann, wenn es darum ging, die eroberten Gebiete zu verwalten. Die Planer sind oft die falschen Leute, ihre eigenen Pläne durchzuführen - kulturell gesehen die falschen, meine ich (...). (S. 122)

Jede Kultur hat ihre bevorzugten Methoden der Koordinierung und Kontrolle. Die Clubkultur stützt sich auf Vertrauen, Einfühlungsvermögen und persönliche Überprüfung. Die Rollenkultur verbindet festgelegte Arbeitsplätze und Rollen mit Regeln, Vorschriften und einem Prüfsystem, das die Einhaltung dieser Regeln und Vorschriften sichert. Die Aufgabenkultur, die sich ständig mit neuen Problemen befasst, macht Pläne, um sie dann wieder durch neue zu ersetzen. Sie verwendet dazu Daten, die der Vergangenheit angehören, um Schätzungen und Vorhersagen für die Zukunft aufzustellen. Die existenzielle Kultur leitet die Koordinationsaufgaben weiter, gibt sie an andere ab, was dann als "Verwaltung" bezeichnet wird (für sie eine Verunglimpfung). (S. 128f.)